Das Modell eines digitalen Zwillings dient dazu, den Normalzustand eines Systems zu simulieren, doch ebenso bedeutend ist seine Fähigkeit, abnormale Zustände abzubilden. Im Gegensatz zu reinen Simulationsmodellen entsteht die Anomalie im digitalen Zwilling aufgrund eines tatsächlichen abnormalen Zustands des physischen Systems. Dafür muss der Parameter φ zeitnah aktualisiert werden, wobei sein Wert anhand der Diagnoseergebnisse bestimmt wird. Ein entwickelter Feedback-Algorithmus weist diesem Parameter Werte zu, um die Steuerung präzise an veränderte Zustände anzupassen.

Zur Unterstützung der Fehlerdiagnose wird ein Bayessches Netz (BN) eingesetzt, das als wirksames Instrument gilt, um Unsicherheiten durch Wahrscheinlichkeitsbewertungen zu modellieren. Die Ausgabe dieses Modells sind Wahrscheinlichkeiten, welche die Ausfallwahrscheinlichkeit von Komponenten widerspiegeln. Die Modellierung der Fehlerdiagnose gliedert sich im Wesentlichen in drei Schritte: Strukturmodellierung, Parametermodellierung und Fehlerableitung. Die Struktur zeigt die Verbindung zwischen Sensoren und Komponenten, wobei letztere als Elternelemente der Sensoren fungieren, da der Ausfall einer Komponente typischerweise zu veränderten Sensoranzeigen führt. Jeder Knoten besitzt zwei Zustände: normal (N) und abnormal (A).

Die Diagnose beginnt mit dem Eingang von Sensordaten, die aus dem physischen System stammen. Nach der ersten Diagnose werden die Resultate verifiziert und anschließend als Feedback in das Diagnosesystem eingespeist, wodurch eine Rückkopplungsschleife entsteht. Dieses Vorgehen ermöglicht eine fortwährende Anpassung des Modells an den aktuellen Zustand des Systems. Für die Modellierung der Wahrscheinlichkeiten stehen zwei Wege offen: Erfahrungswerte oder Trainingsdaten. Im vorliegenden Fall werden die Wahrscheinlichkeiten aufgrund der Einfachheit des hydraulischen Systems und der Schwierigkeit, Fehlerdaten zu erheben, vornehmlich auf Erfahrungswissen gestützt.

Die Priorwahrscheinlichkeit eines Ausfalls ist relativ gering – für Ventile wird diese auf etwa 4 % geschätzt, während die Normalwahrscheinlichkeit bei 96 % liegt. Konditionale Wahrscheinlichkeiten spiegeln die Beziehungen zwischen Komponenten wider, beispielsweise dass bei einem Ventilfehler die Wahrscheinlichkeit eines abnormalen Drucksignals bei 95 % liegt. Mit diesen Wahrscheinlichkeiten wird eine bedingte Wahrscheinlichkeitsmatrix erstellt, die im Diagnoseprozess verwendet wird.

Die Fehlerdiagnose nutzt den Algorithmus der Glaubenspropagation, der durch die Berechnung von bedingten Wahrscheinlichkeiten sowohl kausale als auch diagnostische Botschaften zwischen den Knoten austauscht. Dabei erfolgt die Aktualisierung der Ausfallwahrscheinlichkeiten fortlaufend mit den eingehenden Druckdaten. Je höher die posteriori-Wahrscheinlichkeit, desto größer die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Fehlers. Eine Schwelle, in der Regel bei 78 %, dient als Entscheidungsgrenze, ab der eine Komponente als fehlerhaft betrachtet wird.

Die Interaktion zwischen dem digitalen Zwilling und dem Diagnosemodell wird durch einen iterativen Verifikationsprozess gestützt, in dem sowohl Einzel- als auch kumulative Fehler berechnet werden. Der Einzel-Fehler quantifiziert die Differenz zwischen den Messdaten des realen Systems und den simulierten Werten des digitalen Zwillings und dient der präzisen Korrektur von Diagnoseparametern. Kumulative Fehler helfen dabei, Fälle zu erfassen, in denen einzelne Fehlermerkmale zu schwach ausgeprägt sind, um eine eindeutige Diagnose zu ermöglichen. Diese beiden Fehlerarten sichern die Genauigkeit und Robustheit des Diagnoseverfahrens.

Im Zusammenspiel ermöglicht diese Methodik eine dynamische Anpassung des digitalen Zwillings an den tatsächlichen Zustand des hydraulischen Systems. Die Kombination von probabilistischer Fehlerdiagnose und physikalisch basierter Modellierung schafft eine solide Grundlage für die Früherkennung von Fehlern und die präzise Lokalisierung von Störungen, selbst bei geringfügigen Defekten.

Von besonderer Bedeutung ist das Verständnis, dass die Fehlerdiagnose mittels Bayesscher Netze keine absolute Gewissheit liefert, sondern Wahrscheinlichkeiten, die interpretativ bewertet werden müssen. Das Setzen geeigneter Schwellenwerte erfordert Erfahrung und Verständnis für die spezifischen Systemeigenschaften. Darüber hinaus ist die Qualität der Eingangsdaten, sowohl aus dem physischen System als auch aus dem digitalen Zwilling, entscheidend für die Zuverlässigkeit der Diagnose. Der iterative Feedback-Mechanismus stellt sicher, dass das Modell kontinuierlich verbessert wird, wodurch die Diagnoseergebnisse im Zeitverlauf an Präzision gewinnen.

Wie beeinflusst Kaskadierende Ausfälle die Vorhersage des Restnutzungszeitraums (RUL) in Mehrstufigen Systemen?

In der Analyse von mehrstufigen Systemen zeigt sich, dass die Vorhersage des Restnutzungszeitraums (RUL) stark von den angenommenen Ausfallmodi abhängt. Historische Daten und Expertenmeinungen legen nahe, dass der Ausfallmechanismus einer solchen Systeme einer normalen Verteilung folgt, mit einem Mittelwert von 0,2 und einer Standardabweichung von 0,02. Dieser statistische Wert ist entscheidend für die Berechnung des RUL, da er die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlern innerhalb des Systems bestimmt. Abbildung 10.39 veranschaulicht dabei die Verteilung des RUL in einem System ohne kaskadierende Fehler sowie mit kaskadierenden Fehlern, wie etwa dem Ausfall von Knotenpunkten, sowohl auf der ersten Ebene als auch auf der zweiten Ebene.

Ein deutliches Ergebnis dieser Analyse ist, dass der RUL in einem System, das von kaskadierenden Fehlern betroffen ist, signifikant kürzer ist als in Systemen, in denen nur einzelne Ausfälle berücksichtigt werden. Dies wird besonders deutlich, wenn man die RUL-Werte verschiedener Fehlerarten vergleicht: Kaskadierende Fehler auf derselben Ebene verkürzen den RUL um mehr als fünf Jahre im Vergleich zum isolierten Ausfall eines einzelnen Knotenpunktes. Solche Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, kaskadierende Fehler bei der Planung und Wartung industrieller Systeme zu berücksichtigen. Der RUL eines Systems, das unter einem kaskadierenden Fehler leidet, beträgt nach den betrachteten Szenarien im Durchschnitt nur noch etwa 13,6 Jahre, während der RUL eines Systems ohne kaskadierende Fehler etwa 20,1 Jahre beträgt.

Zudem ist es entscheidend, die Schwellenwerte für den Fehlerausfall zu definieren und gegebenenfalls anzupassen, da diese Schwellenwerte direkte Auswirkungen auf die Genauigkeit der RUL-Vorhersage haben. Eine Sensitivitätsanalyse, wie sie in Abbildung 10.40 dargestellt ist, zeigt, dass selbst kleine Änderungen des Schwellenwerts – von 0,2 auf 0,225 – zu einem signifikanten Rückgang des RUL von 13,6 Jahren auf 12,55 Jahre führen können. Das bedeutet, dass die Präzision der Vorhersage von der korrekten Bestimmung des Schwellenwerts abhängt, was die Bedeutung eines feingranularen Ansatzes zur Schwellenwertbestimmung unterstreicht.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Eingabe von Echtzeitdaten, die durch Sensoren im laufenden Betrieb erfasst werden. Diese Echtzeitinformationen können als Beweis in die Berechnungsmodelle der RUL-Prognose integriert werden. Dies reduziert die Differenz zwischen geschätztem und tatsächlichem RUL, wie in Abbildung 10.41 und 10.42 gezeigt. Die Ergebnisse aus den dreifachen Detektionen (im 2., 4. und 8. Jahr) zeigen eine signifikante Reduktion des RUL von 13,6 auf 11,8 Jahre, was die Verbesserung der Genauigkeit durch kontinuierliche Datenaufnahme und die Aktualisierung des Modells verdeutlicht. Mit zunehmender Zahl der Detektionen lässt sich der RUL immer genauer an den tatsächlichen Verlauf der Systemverschlechterung anpassen.

Diese Erkenntnisse haben nicht nur Bedeutung für die Theorie der RUL-Vorhersage, sondern auch für die praktische Umsetzung in industriellen Anwendungen. Die Fähigkeit, kaskadierende Fehler zu berücksichtigen und Echtzeitdaten in die Berechnungen einzubeziehen, stellt einen entscheidenden Vorteil bei der Wartung von komplexen Systemen dar, insbesondere in Bereichen wie der Offshore-Industrie, in der Subsea-Transportsysteme zur Anwendung kommen.

Es ist jedoch wichtig, sich auch der Unsicherheiten und der möglichen Verzerrungen bewusst zu sein, die durch unvollständige Daten oder durch unvorhergesehene externe Störungen, wie etwa Schocks, verursacht werden können. Das Modell zur RUL-Vorhersage muss flexibel genug sein, um diese Unwägbarkeiten zu berücksichtigen und die Vorhersage auch unter sich verändernden Bedingungen zu aktualisieren. Ein solcher adaptiver Ansatz ist entscheidend, um die Systemstabilität über längere Zeiträume hinweg zu gewährleisten und Fehler frühzeitig zu erkennen.