Im Hinblick auf die Freiheiten des Individuums und die moralischen Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen stellt sich eine grundlegende Frage: Dürfen wir das Recht auf Fortpflanzung einschränken, wenn dies aus sozialen, politischen oder moralischen Gründen verlangt wird? Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur von der Beziehung zwischen einem Individuum und seiner eigenen Freiheit ab, sondern auch von den moralischen und gesellschaftlichen Implikationen, die die Geburt eines neuen Menschen mit sich bringt.

Zunächst einmal ist es wichtig, die grundlegende Freiheit zu verstehen, die jedem Menschen zugestanden wird: das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Doch dieses Recht kollidiert häufig mit den Forderungen und Bedürfnissen anderer Menschen. Ein anschauliches Beispiel für eine solche Kollision finden wir in der Flüchtlingspolitik. Menschen, die aus einem Land fliehen müssen, haben das Recht, von uns zu verlangen, dass wir uns politisch mit ihnen auseinandersetzen. Aber auch die Frage der Fortpflanzung stellt eine ähnliche moralische Herausforderung dar. Es gibt durchaus Situationen, in denen die Fortpflanzung als eine Art moralische Verpflichtung angesehen wird, die mit der Freiheit anderer in Konflikt gerät.

Es ist allgemein anerkannt, dass die Fortpflanzung eines Individuums andere nicht unmittelbar schädigen sollte. Aber dies setzt voraus, dass wir die moralischen Auswirkungen der Geburt eines neuen Menschen und der Verantwortung, die mit dieser Geburt einhergeht, verstehen. Jeder Mensch bringt eigene Bedürfnisse und Rechte mit, die von uns verlangt werden, respektiert zu werden. Und diese Rechte haben Einfluss auf die sozialen und politischen Strukturen, in denen wir leben. Daher stellt sich die Frage: Ist es wirklich unrechtmäßig zu glauben, dass diese neuen Menschen – seien es Migranten oder Neugeborene – uns moralisch in einer Weise verpflichten, die unsere eigenen Freiheiten einschränkt?

Es ist unbestreitbar, dass die Anwesenheit neuer Menschen in unserem sozialen Umfeld uns auf unterschiedliche Weise beeinflussen kann. Diese Auswirkungen mögen sowohl positiv als auch negativ sein, je nachdem, wie wir den Begriff der „moralischen Verantwortung“ interpretieren. Doch es stellt sich die Frage: Darf eine Gesellschaft oder ein Staat darauf hinwirken, Fortpflanzung zu verhindern, nur weil sie potenziell negative Auswirkungen auf die Gesellschaft hat? Natürlich kann die Fortpflanzung nicht allein auf der Grundlage der Tatsache verhindert werden, dass neue Menschen unsere Freiheit oder sozialen Strukturen beeinflussen. Die moralischen und rechtlichen Konsequenzen, die mit der Verhinderung der Fortpflanzung verbunden sind, müssten weit schwerwiegender sein. Würden wir durch medizinische Interventionen in den Fortpflanzungsprozess eingreifen, so wäre das ein klarer Fall von ungerechtfertigtem Zwang, der das Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt.

Es gibt also eine moralische und rechtliche Grenze, die nicht überschritten werden darf. Diese Grenze liegt nicht im Geburtsakt selbst, sondern in den Mitteln, mit denen versucht wird, die Fortpflanzung zu verhindern. Es ist unbestreitbar, dass das Recht auf Fortpflanzung aus einem fundamentalen Menschenrecht erwächst – dem Recht auf Kontrolle über den eigenen Körper. In diesem Sinne kann die Freiheit, sich fortzupflanzen, als ein fundamentales Recht angesehen werden, das die Kontrolle des Staates oder anderer externer Akteure über den Körper eines Individuums übersteigt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Überlegungen ist der Schutz der Kinder. Ein Neugeborenes ist in seiner Existenz vollkommen verletzlich und auf die Hilfe und den Schutz durch die Eltern oder andere Erwachsene angewiesen. Dieser Schutz ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein grundlegendes Menschenrecht, das jedem Kind zusteht. Es ist daher nicht nur die Mutter, sondern die Gesellschaft insgesamt, die Verantwortung trägt, das Wohl des Kindes zu sichern. Diese Verantwortung kann nicht einfach durch die politische Entscheidung, Fortpflanzung zu verhindern, auf die Eltern übertragen werden. Stattdessen muss eine Gesellschaft darauf hinarbeiten, allen Eltern – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder anderen Faktoren – gleiche Rechte zu garantieren, wenn es um die Erziehung und den Schutz ihrer Kinder geht.

Schließlich ist es wichtig zu verstehen, dass die moralische und rechtliche Argumentation rund um die Frage der Fortpflanzung nicht direkt auf die Frage der Migration übertragbar ist. Die Diskussion um die Fortpflanzung betrifft primär die Rechte von Individuen innerhalb einer Gesellschaft und deren Interaktion mit dem Staat. Bei der Migration hingegen geht es vor allem um die Frage, ob ein Staat das Recht hat, die Einreise von Ausländern zu verhindern, selbst wenn der Eintritt keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Ein moralisches Argument, das sich gegen das Eindringen in die Fortpflanzung richtet, kann daher nicht automatisch auf die Frage angewendet werden, ob Migranten das Recht haben, in ein Land einzureisen.

In Bezug auf die Einwanderung stellt sich auch die Frage nach der Freiheit und den Kosten, die mit der Aufnahme von Migranten verbunden sind. Andy Lamey argumentiert, dass die Freiheit des Empfängerstates, sich gegen die Einreise von Migranten zu entscheiden, dann verloren gehen könnte, wenn die Kosten dieser Entscheidung minimal sind und die Gesellschaft keine erheblichen Nachteile durch die Aufnahme erfährt. Diese Idee stellt jedoch eine kritische Herausforderung dar: Wenn wir eine Gesellschaft sind, die die moralische Gleichwertigkeit der Rechte aller Menschen anerkennt, müssen wir die Kosten sowohl für den Staat als auch für die Migranten berücksichtigen, bevor wir eine Entscheidung treffen. Doch diese Kosten müssen nicht nur in finanziellen Begriffen gemessen werden. Sie müssen auch die sozialen und moralischen Implikationen der Aufnahme oder Ablehnung von Migranten widerspiegeln.

Ist es moralisch gerechtfertigt, dass Migranten Gesetze zur Ausschließung brechen?

Im Kontext von Migration und den moralischen Pflichten, die Individuen gegenüber Staaten haben, gibt es eine fundamentale Diskussion über die Gründe, warum eine Person einem Gesetz gehorchen sollte – insbesondere, wenn es um Ausschlussgesetze geht. Eine mögliche Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der kantianischen Sichtweise, nach der wir eine moralische Pflicht haben, gerechte Institutionen zu schützen und zu erhalten. Diese Sichtweise stellt die moralische Pflicht in den Mittelpunkt, nicht aufgrund von Gegenseitigkeit oder einem Vertrag mit einem Staat zu handeln, sondern aufgrund der Verantwortung gegenüber Institutionen, die als gerecht anerkannt werden. Diese Verpflichtung mag Migranten in gewisser Weise dazu anregen, sich an Ausschlussgesetze zu halten – aber die Frage bleibt, wie stark diese Verpflichtung wirklich ist und ob sie tatsächlich ein moralisches Hindernis für illegale Migration darstellt.

John Rawls, ein prominenter Philosoph, argumentierte, dass die Pflicht zur Gesetzestreue nicht auf Gegenseitigkeit beruht, sondern vielmehr aus einer natürlichen Pflicht entsteht, gerechte Institutionen zu unterstützen. Dies ist keine Pflicht aufgrund eines direkten moralischen Vertrags zwischen Bürgern und Staat, sondern eine Pflicht, die sich aus dem Erhalt von Gerechtigkeit innerhalb eines politischen Systems ableitet. Es gibt zahlreiche Denker, die diese Ansicht unterstützen, aber es gibt auch bedeutende Unterschiede in der Interpretation dessen, welche Handlungen diese Pflicht konkret erfordert. In Bezug auf Migration könnte man sagen, dass jemand, der ein Ausschlussgesetz bricht, eine wichtige moralische Pflicht verletzt: die Pflicht, gerechte Institutionen zu respektieren und zu bewahren.

Diese Perspektive wirft jedoch Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die praktischen Auswirkungen des Gesetzesbruchs. Ein Gesetz, das verletzt wird, wird in seiner Autorität geschwächt, was langfristig die politische und soziale Struktur des Staates destabilisieren könnte. Aber es ist nicht notwendig, die konkreten negativen Folgen des Gesetzesbruchs zu zeigen, um den Verstoß als moralisches Fehlverhalten zu verstehen. Es reicht aus, zu sagen, dass der Bruch des Gesetzes die Autorität der Institutionen untergräbt, die dieses Gesetz erlassen haben, und dass dies eine Verletzung der Pflicht darstellt, diese Institutionen zu erhalten.

Jedoch ist diese Pflicht zur Gesetzestreue nicht unproblematisch. Sie ist zunächst einmal nur eine prima facie Pflicht – eine Pflicht, die unter bestimmten Umständen infrage gestellt werden kann. Die Idee, dass wir allen Gesetzen gehorchen müssen, könnte durch prinzipielle Formen des Gesetzesbruchs, wie etwa den zivilen Ungehorsam, relativiert werden. In solchen Fällen könnte es ethische Gründe geben, das Gesetz zu brechen, um gegen ungerechte oder unmoralische Praktiken zu protestieren. Aber selbst in diesen Fällen bleibt die grundsätzliche Frage, inwieweit ein Individuum verpflichtet ist, einem Gesetz zu gehorchen, das auf ungerechte Weise die Bewegungsfreiheit einschränkt, wie es bei Ausschlussgesetzen oft der Fall ist.

Die Anwendung dieser moralischen Pflicht auf Migranten führt zu einer Reihe von Szenarien, in denen die Entscheidung, ein Gesetz zu brechen, nicht immer eindeutig als moralisch falsch angesehen werden kann. Wenn zum Beispiel ein Migrant, nennen wir ihn Abraham, in seinem Heimatland schwere Menschenrechtsverletzungen erfährt und die Möglichkeit hat, in ein Land zu fliehen, das die Menschenrechte schützt, aber ein Gesetz verabschiedet hat, das ihm diese Flucht verweigert, erscheint es offensichtlich, dass Abraham nicht die moralische Pflicht hat, dieses Gesetz zu befolgen. In diesem Fall ist der Bruch des Gesetzes durch Abraham weniger schwerwiegend als die fortgesetzte Misshandlung und das Überleben eines Menschen. Der Schutz vor gravierenden Menschenrechtsverletzungen wie Folter oder Tod steht im moralischen Rang über der Pflicht, ein aus Sicht des Staates verbindliches Gesetz zu befolgen. Diese Sichtweise entspricht der Grundlage des modernen Asylrechts, das nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs entstanden ist und Staaten verpflichtet, Menschen vor existenziellen Bedrohungen zu schützen, auch wenn dies gegen nationale Ausschlussgesetze verstößt.

Ein komplexeres moralisches Problem ergibt sich, wenn es um weniger drastische, aber dennoch ungerechte Situationen geht, wie sie in einigen autoritären Regimen vorkommen. Nehmen wir den Fall von Bobby, der in einem tyrannischen Land lebt und die Möglichkeit hat, in ein demokratisches Land zu fliehen, das jedoch ein Gesetz gegen seine Einreise verhängt hat. In diesem Fall wird es schwieriger, eine klare moralische Entscheidung zu treffen, da die Bedrohung durch Tyrannei nicht so eindeutig wie Menschenrechtsverletzungen im engeren Sinne ist. Dennoch könnte man argumentieren, dass auch hier das moralische Prinzip der Ablehnung von Tyrannei über der Pflicht steht, ein Gesetz zu befolgen, das den Zugang zu einem sicheren Land verweigert.

Es ist jedoch entscheidend zu betonen, dass diese moralischen Überlegungen keine einfachen Antworten auf die Frage der Illegalität von Migration liefern. Die Pflicht zur Achtung von Gesetzen und die moralische Notwendigkeit, individuelle Rechte zu schützen, können sich überschneiden und in einigen Fällen im Widerspruch zueinander stehen. Es gibt keine pauschale Lösung für die komplexen moralischen Dilemmata, die Migranten in einer Welt konfrontieren, in der Gesetze zur Einwanderung und Asylpolitik weltweit unterschiedlich sind.

Was darüber hinaus zu bedenken ist, ist die Bedeutung eines gesunden Dialogs über die Definition und den Schutz von Gerechtigkeit und Menschenrechten. Ein gerechter Staat muss nicht nur Gesetze erlassen, sondern diese auch regelmäßig hinterfragen und reformieren, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich die Rechte und die Würde aller Menschen schützen. Die moralische Verantwortung, gegen ungerechte Gesetze zu kämpfen oder sie zu brechen, kann in einer demokratischen Gesellschaft ein legitimes Mittel sein, um auf systemische Ungerechtigkeiten hinzuweisen und Veränderungen herbeizuführen.