Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten stellte eine fundamentale Frage in den Mittelpunkt der amerikanischen Demokratie: Wer besitzt eigentlich das legitime Mandat, politische Entscheidungen zu treffen – gewählte Volksvertreter oder nicht gewählte Bürokraten und Richter? Trumps Präsidentschaft war geprägt von einem offenen Machtkampf mit einem politisch gut etablierten, teils unsichtbaren Netzwerk aus Karrieretechnikern, Justizbeamten und interinstitutionellen Gremien. Diese Auseinandersetzung enthüllte nicht nur ideologische Gräben, sondern stellte auch das institutionelle Gleichgewicht der amerikanischen Gewaltenteilung infrage.

Trump verweigerte sich von Beginn an den ungeschriebenen Regeln und Ritualen Washingtons. Er attackierte offen sowohl das republikanische Establishment als auch langgediente Akteure des Verwaltungsapparats, die sich selbst als Hüter einer „kontinuierlichen“ Außen- und Innenpolitik verstanden – unabhängig vom jeweiligen Wahlausgang. Der Präsident weigerte sich, dieses informelle System zu akzeptieren und versuchte stattdessen, die politische Autorität wieder klar der Exekutive, sprich dem gewählten Präsidenten, zuzuschreiben. Seine Gegner wiederum präsentierten sich nicht selten als neutrale Sachverwalter, während sie gleichzeitig tief in bestimmte politische Zielsetzungen eingebettet waren.

Der Konflikt kulminierte in juristischen Dauerfehden, wie etwa den häufigen landesweiten einstweiligen Verfügungen durch Richter im neunten Bundesgerichtskreis, die Trumps Exekutivanordnungen monatelang blockierten. Besonders deutlich wurde die institutionelle Spannung während des ersten Amtsenthebungsverfahrens, als wiederholt von „unserer Politik“ gesprochen wurde – ohne klarzustellen, wer genau über diese Politik entscheiden darf oder wem das „interagency“ überhaupt rechenschaftspflichtig ist. Diese semantische Unklarheit verschleierte die faktische Macht der Bürokratie, die nicht über Wahlen, sondern über institutionelle Dauerpräsenz definiert ist.

Trump wiederum stilisierte sich als Opfer eben dieses Systems, als Außenseiter im Krieg gegen eine feindselige Bürokratie – den sogenannten „Deep State“. Er nutzte jedes juristische oder politische Manöver gegen ihn als Beweis für den Widerstand des Systems gegen seine Präsenz. Tweets wie jene nach dem Sieg in der Emoluments-Klage, in denen er sich selbst als Patriot und Opfer inszenierte, gehörten zu einer klar durchdachten Kommunikationsstrategie. Seine Rhetorik gegen FBI-Direktor James Comey oder Sonderermittler Mueller – bezeichnet als „dirty cops“ und „Verräter“ – waren Teil eines systematischen Framings, in dem Gegner nicht einfach politisch anders dachten, sondern moralisch und rechtlich illegitim erschienen.

Dieser permanente Konflikt war jedoch nicht auf demokratische Gegner beschränkt. Auch innerhalb der republikanischen Partei gab es massiven Widerstand. Vertreter des alten konservativen Establishments, wie die Familien Bush oder McCain, wurden von Trump öffentlich attackiert. Seine Äußerungen über McCains Kriegsgefangenschaft – „Ich mag Leute, die sich nicht gefangen nehmen lassen“ – brachen radikal mit den Normen politischen Anstands und zeigten Trumps Absicht, seine Andersartigkeit nicht zu relativieren, sondern zu inszenieren. Diese Verstöße gegen soziale Erwartungen waren keine Ausrutscher, sondern bewusst eingesetzte Instrumente zur Stärkung seiner Marke.

Trumps Kommunikation war geprägt von einer omnipräsenten Markendefinition: Er selbst war die Marke, der ewige Kämpfer gegen ein korruptes System. Seine strategische Polarisierung – das gleichzeitige Anziehen und Abstoßen – war Teil dessen, was Marketingtheoretiker als „sticky brand“ bezeichnen: eine Marke, die emotional bindet, weil sie Reibung erzeugt. Diese Strategie zeigte sich deutlich in der Art, wie Trump Hillary Clinton als „Crooked Hillary“ brandmarkte – eine Fortführung konservativer Angriffe auf die Familie Clinton seit den 1990er Jahren. Die Wiederholung dieser Codes diente der Verankerung eines moralischen Urteils im kollektiven Bewusstsein seiner Wähler.

Auch bei medialen Krisen, wie dem Skandal um das „Access Hollywood“-Tape, reagierte Trumps Team nicht mit Rückzug, sondern mit Gegenoffensiven. Die Pressekonferenz mit Frauen, die Bill Clinton sexuelle Übergriffe vorwarfen, war kein Versuch moralischer Läuterung, sondern eine asymmetrische Kommunikationsstrategie: die Ablenkung vom eigenen Fehlverhalten durch die Eskalation des Vorwurfs an die Gegner. Diese „Muddy the Waters“-Taktik diente nicht nur der Schadensbegrenzung, sondern der strategischen Inversion von Schuldzuweisungen.

Selbst politische Krisen wie der Regierungsstillstand nach den Zwischenwahlen 2018 wurden instrumentalisiert, um zentrale Wahlversprechen wie den Mauerbau mit medienwirksamer Härte durchzusetzen. Zeitgleich fand eine massive Imagepflege statt – etwa durch das Abhalten von Wahlkampfveranstaltungen, selbst an Tagen, an denen politische Gegner wie Robert Mueller im Kongress aussagten. Trumps Botschaft: Er bleibt handlungsfähig, dominant, omnipräsent – egal, was „sie“ tun.

Wichtig ist zu verstehen, dass Trumps Strategie nicht nur auf Konfrontation, sondern auf Kontrolle über das politische Narrativ abzielte. Durch permanente mediale Präsenz, gezielte Markenbildung seiner Gegner und bewusste Grenzüberschreitungen gelang es ihm, sich als einzige relevante Figur der politischen Bühne zu etablieren – als jemand, der nicht nur Politik macht, sondern darüber bestimmt, wer sie machen darf.

Wie funktioniert emotionale Markenpolitik im Zeitalter der gespaltenen Wählerschaft?

Donald Trumps politische Strategie war von Beginn an eine Inszenierung seines persönlichen Markenkerns. Seine Kampagne 2016 erzählte die Geschichte eines erfolgreichen Amerikas, das durch inkompetente Führung in den Niedergang gestürzt wurde, nun aber durch seine Führungskraft wieder „great“ gemacht werden könne. Das Versprechen war klar: die Rückkehr zur nationalen Größe durch einen Mann, der sich selbst als einzig wahren Repräsentanten des „wahren Amerikas“ präsentierte. In dieser Markenlogik lag eine einfache Gleichung: Wer Trump wählt, wählt nicht bloß eine Politik, sondern ein Versprechen, ein Narrativ, eine Identität.

Doch dieses Markenversprechen funktionierte nicht für alle. Die demografische Spaltung der Wählerschaft zeigte sich deutlich sowohl in den Vorwahlen 2020 als auch in der General Election: Während ältere Wähler mehrheitlich Trump unterstützten, tendierten jüngere Wähler in überwältigender Zahl zu Bernie Sanders. Eine Umfrage der Suffolk University im Januar 2020 belegt diese Kluft: 27 % der 18–34-Jährigen unterstützten Sanders, während nur 4 % der über 65-Jährigen dasselbe taten. Umgekehrt unterstützten 37 % der ältesten Wähler Joe Biden, bei den Jüngeren waren es lediglich 12 %. Im direkten Vergleich zwischen Trump und Sanders sagten 52 % der 18–34-Jährigen, sie würden Sanders wählen, während 52 % der 50–64-Jährigen Trump den Vorzug gaben.

Diese Unterschiede offenbaren nicht bloß parteipolitische Präferenzen, sondern tiefer liegende kulturelle und sozioökonomische Divergenzen. Ältere Wähler, tendenziell wohlhabender und geprägt von einer homogenen Vergangenheit Amerikas, sahen in Trumps Rhetorik eine Bestätigung ihrer eigenen Weltanschauung. Jüngere Generationen, sozial diverser, mit anderen Erfahrungen von wirtschaftlicher Unsicherheit, Globalisierung und digitaler Gegenwart, empfanden Trumps Marke dagegen oft als rückwärtsgewandt oder gar bedrohlich. Themen wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit oder Diversität prägten ihren politischen Fokus – Themen, die bei älteren Wählern weniger Resonanz fanden.

Trumps Markenkampagne zielte auf emotionale Segmentierung: Er sprach nicht die „Nation“ im Ganzen an, sondern spezifische Gruppen mit spezifischen Botschaften. Während er Präsident Obama vor konservativem Publikum als zu liberal darstellte, warf er ihm andernorts Untätigkeit vor – ein klassisches Beispiel für die Funktion emotional segmentierter Politik. Diese Strategie ermöglichte es, verschiedene Gruppen mit teils widersprüchlichen Narrativen zu mobilisieren, ohne inhaltliche Konsistenz wahren zu müssen. Die emotionale Kohärenz ersetzte die politische.

Ein weiteres Merkmal von Trumps Markenstrategie war die Omnipräsenz. Er war ständig sichtbar – in sozialen Medien, in der Presse, in Talkshows, durch Tweets, Auftritte, Skandale. Diese Allgegenwart erzeugte eine Wahrnehmung von Kontrolle, Aktivität, Dominanz – unabhängig vom tatsächlichen politischen Output. Dabei nutzte er oft provokante Symbole wie den Pepe the Frog-Meme, der in rechtsradikalen Kreisen kursierte, was wiederum seinen Gegnern erlaubte, ihn als Vertreter diskriminierender Positionen zu brandmarken.

Trumps Präsidentschaft basierte weitgehend auf Exekutivmaßnahmen, nicht auf legislativen Erfolgen. Viele seiner markenpolitischen Versprechen – etwa Reiseverbote, Mauerbau, Neuverhandlung von Handelsabkommen oder der Rückzug aus internationalen Abkommen – wurden per Executive Order durchgesetzt. Die Kommunikation dieser Maßnahmen war jedoch selten auf Vermittlung oder Erklärung ausgelegt. Stattdessen dominierte das Spektakel, das Signal an die Basis, dass der Präsident kämpfe – auch wenn viele dieser Maßnahmen gerichtlich angefochten oder gar blockiert wurden. Entscheidend war weniger das Ergebnis als die Inszenierung des Handelns.

In der Wirtschaftspolitik verfolgte Trump klassische republikanische Positionen: Steuersenkungen, Deregulierung, Niedrigzinspolitik. Doch sein Handelskrieg mit China schadete kurzfristig gerade jenen Sektoren – etwa der Landwirtschaft –, die zu seinen Kernwählern zählten. Dennoch hielt er an dieser Politik fest, nicht weil sie strategisch überzeugend war, sondern weil sie markenkohärent war. Die langfristige Wirkung dieser Maßnahmen war zweitrangig gegenüber der Aufrechterhaltung des Markenversprechens.

Sein Umgang mit Russland, der Mueller-Ermittlung und der Pandemie hingegen zeigte die Schwächen seiner Markenstrategie. Statt die Gelegenheit zu nutzen, politische Führung zu demonstrieren, verlor er sich in persönlichen Abwehrkämpfen, Widersprüchlichkeiten und einem medialen Dauergewitter. Die Folge war eine starke Polarisierung: Während 60 % der Bevölkerung laut einer Umfrage seinen Charakter missbilligten und seine Twitter-Kommunikation als ungeeignet ansahen, bewerteten andere seine Führungsstärke positiv – ein Beleg für die Wirksamkeit personalisierter Markenpolitik auch jenseits rationaler Kriterien.

Trumps Wiederwahlkampf stand unter dem Motto „Keep America Great“ – ein Versuch, den Status quo seiner Präsidentschaft als Erfolg zu präsentieren. Doch dieser Slogan traf auf eine veränderte Realität: eine Pandemie, wirtschaftliche Unsicherheit und gesellschaftliche Spannungen untergruben das Narrativ der Wiederherstellung. Die Markenbotschaft passte nicht mehr zur erlebten Wirklichkeit vieler Bürger. Trotzdem hielt Trump an seiner Markenstrategie fest, was letztlich auch seine Unfähigkeit spiegelte, jenseits der eigenen Inszenierung politische Breitenwirkung zu entfalten.

Wichtig zu verstehen ist, dass Trumps Markenpolitik zwar emotionale Bindung erzeugte, aber kaum politische Breite aufbauen konnte. Seine Strategie zielte auf Mobilisierung und nicht auf Integration, auf Spaltung statt Konsens. Die Segmentierung der Wählerschaft wurde nicht überwunden, sondern vertieft. Gerade hierin liegt die langfristige Bedeutung seiner politischen Ära: Sie zeigt, dass im Zeitalter emotionaler Markenpolitik nicht mehr Programme, sondern Narrative, Identitäten und Affekte den politischen Raum dominieren. Wer verstanden werden will, muss nicht nur reden, sondern eine Geschichte erzählen – und dabei bereit sein, Widersprüche auszuhalten, statt sie aufzulösen.