Die Zuverlässigkeit von Materialien, die hohen Temperaturen ausgesetzt sind, ist eine kritische Herausforderung in vielen technischen Bereichen, von Triebwerkskomponenten in Luft- und Raumfahrt bis hin zu Stromerzeugungsanlagen wie Gasturbinen. Die Materialien, die in solchen Anwendungen verwendet werden, sind extremen Belastungen ausgesetzt, was die Frage der Rissverhinderung zu einem wesentlichen Aspekt für die künftige Geräteentwicklung macht. Die Schwierigkeit liegt dabei in der Kombination von zwei Mechanismen, die beide maßgeblich die Lebensdauer und das Versagensverhalten von Materialien beeinflussen: Kriechen, das mit der Zeit fortschreitet und durch thermische Aktivierung verursacht wird, sowie Ermüdung, die durch zyklische Belastungen hervorgerufen wird.

Ein zentrales Problem stellt die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Phänomenen dar, insbesondere die Art und Weise, wie kleinste Risse, die zu Beginn eines Bauteillebens entstehen, die langfristige Festigkeit und Stabilität des Materials beeinträchtigen. Es ist der Fortgang dieser kleinen Risse, der maßgeblich das Versagen eines Bauteils beeinflusst und letztlich das Endversagen verursacht. Das Verständnis dieser Prozesse ist bislang nur begrenzt und erfordert tiefergehende Kenntnisse der Mechanik des Rissfortschritts unter verschiedenen Belastungsbedingungen, insbesondere unter hohen Temperaturen.

Die Wechselwirkung zwischen Kriechen und Ermüdung führt zu komplexen Risspropagationsmustern. Bei hohen Temperaturen sind sowohl das Kriechen als auch die Ermüdung durch zyklische Belastung signifikant, wobei das Kriechen als Zeit-abhängiger Prozess zur Deformation und Rissbildung beiträgt, während die Ermüdung durch wiederholte Belastungszyklen das Material schwächt und Risse initiiert. Besonders problematisch wird es, wenn das Material einer Wechselbelastung ausgesetzt ist, bei der sowohl Kriechen als auch Ermüdung gleichzeitig wirken. Diese Synergie führt zu einer beschleunigten Rissbildung und -ausbreitung, was die Lebensdauer des Materials drastisch verringert.

Die sogenannte J-Integral-Methode, die eine Grundlage der nichtlinearen Bruchmechanik darstellt, bietet ein Werkzeug zur Analyse des Rissfortschritts in dieser Art von Belastungsregimen. Insbesondere in Bezug auf das Kriechen wurde das J-Integral weiterentwickelt, um die Auswirkungen von Temperatur und Belastung auf den Rissfortschritt zu berücksichtigen. Durch die detaillierte Untersuchung der Änderung des J-Integrals im Zusammenhang mit der zeitabhängigen Belastung lässt sich das Verhalten von Rissen unter hohen Temperaturen besser verstehen und vorhersagen.

Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die Propagation mikroskopisch kleiner Risse. Diese kleinen Risse, die in frühen Stadien der Lebensdauer eines Materials entstehen, können sich unter den spezifischen Bedingungen von Zeit- und Temperaturbelastungen rasch ausbreiten und zu einem Versagen führen. Die Wechselwirkung zwischen der Mikroskala der Risse und der makroskopischen Rissausbreitung ist von entscheidender Bedeutung, da kleinste Risse oft die ersten Anzeichen für das bevorstehende Versagen eines Bauteils darstellen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Kontrolle und das Verständnis dieser mikroskopischen Risspropagation von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Lebensdauer und Zuverlässigkeit von hochtemperaturbeanspruchten Bauteilen sind.

Wesentlich für den Fortgang der Rissbildung ist nicht nur die Art und Weise, wie Risse unter konstanten Bedingungen propagieren, sondern auch die Tatsache, dass Materialien oft wechselnden thermischen und mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Diese Wechselbelastungen erzeugen eine zyklische Beanspruchung, die das Material kontinuierlich schwächt. Im Kontext von Kriechen und Ermüdung wird dies besonders relevant, da unter solchen Belastungen die Mechanismen des Versagens auf komplexe Weise miteinander interagieren. Risse, die während eines ersten Belastungszyklus noch nicht signifikant waren, können sich unter wiederholtem thermischen und mechanischen Stress schneller ausbreiten.

Darüber hinaus ist die Rolle der Mikrostruktur im Zusammenhang mit der Risspropagation von größter Bedeutung. Die Mikrostruktur eines Materials beeinflusst maßgeblich das Verhalten von Rissen. Insbesondere bei hochtemperaturbeanspruchten Materialien können Veränderungen in der Mikrostruktur, wie z.B. Korngrenzen und Phasenumwandlungen, das Verhalten von Rissen entscheidend beeinflussen. Die Wechselwirkung von Mikrostruktur und Risspropagation stellt daher einen komplexen Forschungsbereich dar, der nach wie vor intensiv untersucht wird.

Es ist entscheidend, dass zukünftige Forschungen nicht nur auf die Entwicklung von Modellen für den Rissfortschritt abzielen, sondern auch auf die experimentelle Validierung und das Verständnis der Materialverhalten unter realistischen Betriebsbedingungen. Dies umfasst die Berücksichtigung von Variablen wie Temperaturänderungen, zyklischen Lasten und langfristigen Belastungen, die das Kriechen und die Ermüdung begünstigen. Ebenso wichtig ist die Berücksichtigung von Umwelteinflüssen, wie etwa die Exposition gegenüber korrosiven Gasen oder Oxidation, die die Rissbildung und das Versagen beschleunigen können.

Letztlich liegt der Schlüssel zur Verbesserung der Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Hochtemperaturmaterialien in der präzisen Modellierung und Analyse der komplexen Wechselwirkungen zwischen Kriechen und Ermüdung. Dieses Verständnis ist nicht nur für die Konstruktion von Bauteilen entscheidend, sondern auch für die Entwicklung von Materialien, die den extremen Bedingungen in modernen Technologien standhalten können.

Wie beeinflusst die Änderung der Spannung die Rissausbreitung bei Kriechen?

Kriechen tritt unter verschiedenen Spannungsbedingungen auf. Es wird zwischen dynamischem Kriechen, das durch eine Überlagerung von Vibrationen auf eine konstante Spannung gekennzeichnet ist, und statischem Kriechen unterschieden. Letzteres wird verwendet, um den Prozess des Kriechens ohne zusätzliche Schwankungen in der Belastung zu beschreiben. Der Spannungsverhältnis RR wird definiert als R=σminσmaxR = \frac{\sigma_{\text{min}}}{\sigma_{\text{max}}}, wobei σmax\sigma_{\text{max}} und σmin\sigma_{\text{min}} die maximalen und minimalen Spannungen sind. Mit abnehmendem RR-Wert nimmt die Amplitude der Spannung zu, was die Bedingungen für Ermüdungsbelastungen näher rückt.

Es ist bekannt, dass die Lebensdauer eines glatten Probekörpers ohne Risse oder Kerben im dynamischen Kriechen gut mit der in statischem Kriechen übereinstimmt, wenn man die kleinen Schwankungen der Spannung integriert. Das deutet darauf hin, dass die Vibrationen mit kleiner Amplitude keinen signifikanten Einfluss auf das Kriechverhalten haben. Um jedoch den Einfluss der Spannungsänderung auf die Rissausbreitung beim Kriechen zu untersuchen, werden zunächst die Charakteristika des dynamischen Kriechens untersucht.

Abbildung 4.2 zeigt das Verhalten der Rissausbreitung im dynamischen Kriechen im Vergleich zum statischen Kriechen, wobei die Rissausbreitungsrate dadt\frac{da}{dt} als Durchschnitt über mehrere Zyklen bewertet wird. Es zeigt sich, dass diese Rate im dynamischen Kriechen mit R>0.5R > 0.5 gut mit dem Kriech-J-Integral, JJ^*, korreliert, was darauf hinweist, dass das Bruchmechanikgesetz im Kriechen auch bei milden Spannungsänderungen durch Vibrationen gültig bleibt. Bei R<0.5R < 0.5 wird das Verhalten jedoch etwas komplexer, wobei die Rissausbreitung immer noch dominierend durch Kriechen bestimmt wird, was die Abgrenzung zwischen Kriech- und Ermüdungsrissen weiter verdeutlicht. Ein solches Verhalten, insbesondere bei R=0R = 0, ist typisch für eine durch Kriechen dominierte Rissausbreitung.

Im Gegensatz dazu zeigt sich, dass die Rissausbreitungsrate unter Bedingungen mit R<0R < 0 (Zug-/Druckbelastung) nicht mehr mit dem JJ^*-Wert übereinstimmt. Diese Bedingungen deuten auf einen anderen Mechanismus der Rissausbreitung hin, der mit Ermüdungsrissen zu tun hat, was in Kapitel 5 weiter erläutert wird. Es ist von entscheidender Bedeutung, den Unterschied zwischen den Mechanismen der zeitabhängigen Rissausbreitung (Kriechen) und den zyklusabhängigen Mechanismen (Ermüdung) zu verstehen, da diese unterschiedliche Bruchverhalten und Versagensmuster zur Folge haben können.

Im Fall eines langsamen Abfalls der Last, wie er in einigen Kriechtests vorkommt, ist das JJ^*-Integral, das für nichtlineare elastische Körper definiert ist, nur dann anwendbar, wenn die Belastung konstant oder zunehmend ist. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass das JJ^*-Integral in einem plastischen Körper nicht auf fallende Lastbedingungen angewendet werden kann, da es nur unter zunehmender Belastung sinnvoll ist. Bei Ermüdung wird das JJ^*-Integral nur auf die Phase der Lastzunahme angewendet, während der Abfall der Last als ein anderes Phänomen behandelt wird.

Interessanterweise zeigt das JJ^*-Integral bei einem langsamen Abfall der Last jedoch ebenfalls eine gute Übereinstimmung mit der Rissausbreitung im statischen Kriechen. Dies deutet darauf hin, dass der Kriechmechanismus auch unter solchen abnehmenden Lastbedingungen weiterhin eine Rolle spielt, was bei der Auslegung und Analyse von Bauteilen unter hohen Temperaturen berücksichtigt werden sollte.

Zusätzlich ist es von Bedeutung, dass das JJ^*-Integral auf der Hoff-Analogie basiert, die eine reversible Spannungs-Dehnungs-Beziehung voraussetzt. Diese Annahme ermöglicht die Anwendung des Kriech-J-Integrals auch bei abnehmenden Lasten, vorausgesetzt, die Spannungs-Dehnungs-Beziehung bleibt ohne Hysterese reversibel. Das bedeutet, dass das JJ^*-Integral auf jeden Moment des Kriechvorgangs anwendbar ist, ohne die Unterscheidung zwischen steigenden und sinkenden Lasten vollständig zu verlieren.

Die Anwendung des JJ^*-Integrals auf Rissausbreitungsmechanismen bei Kriechen ist somit eine wichtige Grundlage für die Modellierung und Bewertung der Lebensdauer von Materialien und Bauteilen, die unter hohen Temperaturen und variierenden Lastbedingungen arbeiten. Ein umfassendes Verständnis dieser Konzepte ist essenziell, um Materialversagen und die Auswirkungen von Kriechen und Ermüdung richtig zu interpretieren und zu minimieren.

Wie beeinflussen Mikrorisse das Verhalten von Hochtemperaturmaterialien?

Frakturremechanik befasst sich in erster Linie mit homogenen Materialien, wobei viele metallische und keramische Materialien aus polykristallinen Strukturen bestehen, die aus zahllosen kleinen Körnern bestehen. Wenn ein Riss jedoch wesentlich größer ist als die Korngröße, hält die homogenisierte Annäherung und macht die Frakturremechanik wirksam. Bei der Ermüdung von Materialien bei hohen Temperaturen, wie bei hitzebeständigen Legierungen, ohne bereits vorhandene Risse, bilden sich mikroskopische Risse auf der Ebene der Mikrostrukturen, die sich ausbreiten und schließlich zum Versagen des Materials führen. Die Frakturremechanik, die diese Ausbreitung regelt, muss jedoch noch weiter erforscht werden.

Zusätzlich besitzen einige Legierungen verschiedene mikrostrukturelle Merkmale, die von groben Körnern bis hin zu solchen mit gerichteten Körnern, wie etwa unidirektional erstarrte Legierungen, und sogar einkristallinen Legierungen mit feineren Strukturen wie Dendriten reichen. In all diesen Fällen stellt der Einfluss der Mikrostruktur eine erhebliche Herausforderung dar. Ein herausragendes Merkmal dieser Arbeit ist daher die Beschreibung der Ausbreitung von mikroskopisch kleinen Rissen auf Grundlage des Wissens der Hochtemperatur-Frakturremechanik. Diese Beschreibung stellt eine der zukünftigen Entwicklungsherausforderungen dar.

In Japan haben seit den 1970er Jahren mehrere bedeutende Forschungsgruppen aktiv Studien zur Kriechen und Kriechen-Erschöpfung-Rissausbreitung auf Grundlage der nichtlinearen Frakturremechanik vorangetrieben. Aufgrund der damaligen Umstände wurden viele dieser Untersuchungsberichte auf Japanisch verfasst und blieben weltweit im Bereich der Hochtemperatur-Frakturremechanik bis heute weitgehend unbekannt. Mit den jüngsten Fortschritten in der Übersetzungssoftware sind diese Arbeiten jedoch online zugänglich, sodass sie nun auch in englischer Sprache (und anderen Sprachen) gelesen werden können. Diese Einführung in die Frakturremechanik basiert auf diesen systematischen japanischen Studien und enthält URLs zur Referenz.

Dieses Buch bietet eine proaktive Einführung in die Frakturremechanik basierend auf diesen Studien und geht davon aus, dass diese Herangehensweise von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Entwicklung umfassender spezialisierter Fachbücher ist. Die Prinzipien der Hochtemperatur-Frakturremechanik bilden einen wesentlichen Teil der akademischen Grundlagen, die für die kommenden Herausforderungen von Bedeutung sind. Diese Relevanz zeigt sich besonders im Zusammenhang mit der Festigkeit und Zuverlässigkeit hitzebeständiger Materialien in neuen Energieanlagen, die umweltfreundliche Technologien nutzen. Zudem wird die Bedeutung zunehmend in Bezug auf Nano- und Mikrojoints (Metalle mit niedrigem Schmelzpunkt) in extremen Umgebungen erkannt.

Mit dem Fortschritt der Wissenschaft ist jedoch zu erwarten, dass auch die Forschung zu neuen Materialverarbeitungsverfahren und deren Anwendung voranschreiten wird. Die Einbeziehung der Studien zur Hochtemperaturfestigkeit in diese Bereiche wird in naher Zukunft notwendig sein. Dies schließt die Entwicklung von Multiphy-sikalischen Konzepten ein. Ein typisches Beispiel für einen Frakturmechanismus, der durch Multiphysik entsteht, ist die Elektromigration, ein Diffusionsphänomen, das durch elektrischen Strom verursacht wird. Dies führt zu Ausfällen von elektronischen Bauteilen. Neueste Untersuchungen zeigen, dass mechanische Belastung in Kombination mit anderen physikalischen Reizen charakteristische zeitabhängige Verformungen verursachen kann. Beispielsweise wurde berichtet, dass hohe Spannungen in Bulk-Keramiken bei relativ niedrigen Temperaturen duktiles Kriechen unter Belastung hervorrufen können. Ein weiteres Beispiel ist, dass das Blockieren von sichtbarem Licht in Halbleitern signifikante plastische Verformungen hervorrufen kann.

Ein weiteres Zukunftsthema ist die Nutzung von Nanomaterialien. Bei der Coble-Kriechverformung, die die Korngrenzdiffusion in Poly-kristallen betrifft, ist die Deformationsrate umgekehrt proportional zur Kubikzahl der Korngröße. Daher wird die Kriechdeformation bei kleinen Komponenten oder Mikrostrukturen besonders deutlich. Nanomaterialien zeigen einzigartige Eigenschaften und werden daher aktiv erforscht und weiterentwickelt. Die Zuverlässigkeit dieser Materialien unter Kriechen und Ermüdung wird in Zukunft eine bedeutende Herausforderung darstellen.

Die Fähigkeit, Strukturen mit 3D-Druck herzustellen, hat die Freiheit beim Design der Mikrostruktur von Materialien erheblich erweitert. Heute ist es möglich, innerhalb dieser Strukturen auch kristallographische Designs zu integrieren, sodass mehrstufige, komplexe Mikrostrukturen erzeugt werden können. Zudem wird die Herstellung von Strukturen aus verschiedenen Materialien immer realisierbarer. Die Herausforderung besteht nun darin, die Hochtemperatur-Frakturremechanik für diese fortschrittlichen Strukturen zu adressieren.

Die Grundprinzipien der Frakturremechanik für nichtlineare elastische Körper, insbesondere das Konzept des J-Integrals, das eine Grundlage für das Verständnis der Frakturremechanik bei hohen Temperaturen bildet, werden im zweiten Kapitel behandelt. Das mechanische Verhalten bei hohen Temperaturen wird durch das Kriechen charakterisiert, was eine zeitabhängige Verformung und Rissbildung zur Folge hat. Im dritten Kapitel wird das Grundprinzip der Kriechmechanik erklärt, und es werden die Merkmale der Rissausbreitung im statischen Kriechen demonstriert.

Für ein besseres Verständnis der Kriechermüdungsinteraktionen ist es notwendig, den Einfluss von Lastwechseln auf das Kriechverhalten zu untersuchen. Das vierte Kapitel zeigt experimentelle Ergebnisse zu Kriechen bei Lastwechseln und erklärt das transiente Verhalten der Rissbildung nach einer Laständerung. Diese Thematik wird von Kapitel fünf bis sieben weiter vertieft, wobei die grundlegenden Mechanismen von Ermüdung und Kriechen systematisch erläutert werden. Im fünften Kapitel werden die wesentlichen Merkmale dieser beiden Mechanismen beschrieben. Das sechste Kapitel befasst sich mit der Erweiterung des Konzepts des transienten Verhaltens bei Kriech- und Ermüdungsrissausbreitung, und das siebte Kapitel analysiert die Mechanik der Rissausbreitung bei Wechselwirkungen von Kriechen und Ermüdung. Hier werden einheitliche Frakturremechanik-Gesetze für Hochtemperaturermüdung entwickelt.

Trotz dieser Fortschritte bleiben fundamentale Fragen zur Rissausbreitung unter Kriech- und Ermüdungsinteraktionen unbeantwortet. Kapitel acht erläutert die Komplexität dieser ungelösten Fragen und skizziert die wichtigsten Punkte, die für zukünftige Forschungsarbeiten von Bedeutung sind. Schließlich wird in Kapitel neun das Verhalten von mikrostrukturell kleinen Rissen anhand der Frakturremechanik beschrieben, wobei die Besonderheiten der Rissausbreitung bei sehr kleinen Rissen zur Sprache kommen.

Wie beeinflussen nichtlineare Materialeigenschaften die Rissmechanik?

Im Bereich der Bruchmechanik ist es entscheidend, die Wechselwirkungen zwischen Materialverhalten und Rissausbreitung zu verstehen. Dies wird insbesondere bei der Betrachtung von nichtlinearen Materialien deutlich, die sich durch plastische Deformation oder andere nichtlineare Effekte auszeichnen. In den Grundlagen der Bruchmechanik wird oft zwischen linearen und nichtlinearen Systemen unterschieden. Obwohl die lineare Bruchmechanik als das Basisverständnis dient, erfordert die Realität komplexere Ansätze, um das Verhalten von Rissen in Materialien mit nichtlinearem Verhalten korrekt zu beschreiben.

Die lineare Bruchmechanik befasst sich mit dem Stress- und Dehnungsfeld nahe dem Rissspitzenbereich, wobei die Spannungsintensitätsfaktoren (K-Werte) für verschiedene Rissmodi wie Mode I (Öffnungsmodus), Mode II (In-Plane-Schermodus) und Mode III (Aus-Plane-Schermodus) verwendet werden. Diese Faktoren bieten eine erste quantitative Einschätzung des Rissverhaltens und sind in der Lage, das elastische Verhalten von Materialien unter Rissausbreitung zu beschreiben. Die genaue Form des Spannungsfeldes in der Nähe der Rissspitze folgt einer asymptotischen Lösung, wobei die Spannungen typischerweise eine Singulärform (r^(-1/2)) annehmen.

Im Gegensatz dazu zeigen reale Materialien in der Nähe von Rissspitzen häufig nichtlineare Effekte. In Bereichen mit hoher Spannung kann es zu plastischer Deformation kommen, was die Anwendung der klassischen, linearen Bruchmechanik einschränkt. In solchen Fällen spricht man von kleinmaßstäbiger Streckung ("small-scale yielding"), wo die plastische Zone klein im Vergleich zur gesamten Struktur bleibt. Selbst in diesen Fällen kann der lineare Spannungsintensitätsfaktor (KI) weiterhin als entscheidender Parameter für die Rissausbreitung genutzt werden, solange die plastische Zone begrenzt ist und die restlichen Teile des Materials linear-elastisches Verhalten zeigen.

Ein weiterer fundamentaler Ansatz in der Bruchmechanik ist die Energiefreisetzungsrate (G), die die Veränderung der potentiellen Energie des Systems beschreibt, wenn der Riss wächst. Die Änderung der potentielle Energie ist direkt mit der Rissverlängerung verbunden, was wiederum die Grundlage für die Berechnung von Risswachstumsraten liefert. Diese Betrachtung ist nicht nur auf lineare elastische Materialien anwendbar, sondern auch auf nichtlineare Materialien, sofern die plastische Deformation lokal begrenzt ist und das Material noch als elastisch betrachtet werden kann.

Für nichtlineare Materialien wird häufig der J-Integral verwendet, um das Verhalten der Rissspitze zu beschreiben. Das J-Integral ist eine Konturlinie-Integralgröße, die unabhängig vom Pfad (Pfadinvarianz) ist und als Maß für die Energiefreisetzungsrate in nichtlinearen Materialien dient. Diese Größe hat sich als äußerst nützlich in der nichtlinearen Bruchmechanik erwiesen, da sie die Auswirkungen von plastischer Deformation und anderen nichtlinearen Effekten integriert. Im Gegensatz zum Spannungsintensitätsfaktor, der hauptsächlich für lineare Systeme geeignet ist, bleibt das J-Integral auch dann anwendbar, wenn die Materialantwort nichtlinear wird, solange die Struktur als nichtlineares elastisches Material betrachtet werden kann.

Die Übergänge zwischen linearer und nichtlinearer Bruchmechanik sind entscheidend, um die tatsächliche Ausbreitung von Rissen in realen Materialien zu verstehen. Ein wesentlicher Aspekt, der oft übersehen wird, ist, dass der J-Integral als eine Art von Energie-Kriterium verwendet wird, das das Risswachstum unter verschiedenen Belastungsbedingungen vorhersagen kann. In der Praxis könnte dies durch Kombination mit experimentellen Daten und numerischen Simulationen ergänzt werden, um die tatsächliche Rissausbreitung in realen Bauteilen präziser zu modellieren.

Neben den theoretischen Modellen ist es wichtig zu beachten, dass die tatsächliche Materialantwort unter Belastung stark von der spezifischen Geometrie des Bauteils und den äußeren Lasten abhängt. Unterschiedliche Belastungsarten und Geometrien können die plastische Zone vergrößern und die Anwendung der linearen Bruchmechanik in den Hintergrund treten lassen. Aus diesem Grund wird in der nichtlinearen Bruchmechanik oft auf numerische Simulationen zurückgegriffen, die komplexe Materialmodelle und Rissgeometrien berücksichtigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Übergänge von der linearen zur nichtlinearen Bruchmechanik nicht nur für die Wissenschaftler, sondern auch für Ingenieure von zentraler Bedeutung sind, da sie die Grundlage für die sichere Auslegung und Bewertung von Materialien und Strukturen in realen Anwendungsfällen bilden. Es ist wichtig, dass die Eigenschaften des verwendeten Materials, die Belastungssituation und die Geometrie des Bauteils in die Berechnungen einfließen, um eine präzise Vorhersage der Rissausbreitung und der Gesamtstabilität der Struktur zu ermöglichen.