Die Unterscheidung zwischen dem „Selbst als Inhalt“ und dem „Selbst als Kontext“ kann für Klienten eine große Herausforderung darstellen. Häufig scheint der Konflikt zwischen guten und schlechten Gedanken wie ein Leben-und-Tod-Kampf zu verlaufen. In diesem Zusammenhang wird die Schachbrett-Metapher oft als hilfreiches Bild genutzt, um den Klienten zu verdeutlichen, dass sie weit mehr sind als die „kämpfenden Figuren“ in ihrem Kopf. Dabei geht es nicht nur um das Selbst als Kontext, sondern auch um andere Prozesse wie Defusion, die im Rahmen der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) eine Rolle spielen.

Die Schachbrett-Metapher wird häufig in der Therapie angewendet, um Klienten zu helfen, sich selbst als den Raum zu erkennen, in dem ihre Gedanken und Gefühle erscheinen – statt sich mit diesen zu identifizieren. Ein Beispiel aus der Praxis illustriert diese Idee deutlich: Eine Klientin namens Mary hatte Schwierigkeiten, ihre Ängste und Sorgen loszulassen. Ihr Kopf war ständig von ängstlichen Gedanken erfüllt: „Was, wenn ich krank werde? Was, wenn der Aktienmarkt zusammenbricht? Was, wenn ich die Liebe meines Partners verliere?“ Trotz ihrer Versuche, sich selbst mit positiven Gedanken zu beruhigen – „Ich bin stark, alles wird gut“ – kehrten die Ängste immer wieder zurück und verstärkten sich.

In einem Gespräch erklärte der Therapeut, dass ihre Gedanken wie ein Schachspiel seien: Auf der einen Seite die positiven Gedanken, auf der anderen die ängstlichen. Der entscheidende Punkt war, dass Mary erkannte, dass sie nicht die Figuren des Schachspiels war, sondern das Schachbrett selbst. Das Schachbrett ist der Raum, auf dem das Spiel stattfindet, aber es ist nicht das Spiel selbst. In ähnlicher Weise sind die Gedanken, die Emotionen und die Ängste nur vorübergehende Ereignisse im „Raum des Selbst“, die nicht das gesamte Wesen eines Menschen ausmachen.

Diese Erkenntnis kann zu einer tiefen Veränderung führen. Wenn jemand in einem ständigen Kampf mit seinen eigenen Gedanken steckt, identifiziert er sich mit den Figuren auf dem Schachbrett – als wären diese Gedanken die Essenz seiner Existenz. Der Gedanke „Ich bin die ängstliche Person, die über diese Dinge nachdenkt“ führt dazu, dass das Leben nur noch durch diese Ängste und Gedanken bestimmt wird. Doch wenn der Klient begreift, dass er das Schachbrett und nicht das Spiel ist, wird ein viel größerer Raum für Selbstakzeptanz und Handlungsfreiheit eröffnet.

Das Schachbrett selbst zeigt keine Präferenz für die eine oder andere Seite des Spiels. Es ist neutral und unverändert, unabhängig vom Verlauf des Spiels. Ebenso kann der Klient lernen, sich nicht von seinen Gedanken und Ängsten beherrschen zu lassen, sondern diese als vorübergehende Phänomene zu betrachten, die kommen und gehen, ohne dass sie das wahre Selbst definieren. Diese Erkenntnis bietet die Möglichkeit, sich vom Dramen der Gedanken zu distanzieren und den Fokus auf das zu richten, was im Leben wirklich von Bedeutung ist – zum Beispiel auf Beziehungen, auf persönliche Ziele und auf das, was einem im Leben Freude bereitet.

Es geht also nicht darum, die Gedanken oder Ängste zu unterdrücken oder zu bekämpfen. Vielmehr geht es darum, sich zu erinnern, dass man mehr ist als die Gedanken, die man hat. Das Ziel ist es, flexibel und offen zu bleiben, um das Leben in seiner ganzen Tiefe zu erfahren. Wer sich ständig im Kampf mit den eigenen Gedanken befindet, verliert oft den Blick für das, was tatsächlich wichtig ist: die gegenwärtigen Momente, die sich im Kontakt mit anderen, in der Arbeit oder in den eigenen Leidenschaften entfalten.

Ein zentraler Punkt, den viele Klienten lernen müssen, ist, dass sie nicht die Schachfiguren sind, die auf dem Schachbrett gegeneinander kämpfen, sondern das Schachbrett selbst – der Raum, in dem alles stattfindet. Sie sind mehr als ihre Gedanken, Ängste und Sorgen. Diese Gedanken sind einfach nur vorübergehende Erscheinungen.

Zusätzlich zu dieser Erkenntnis könnte es hilfreich sein, den Klienten die Bedeutung der Akzeptanz ihrer Gedanken und Gefühle zu vermitteln. Oft wird der Versuch, die eigenen Gedanken zu ändern oder zu kontrollieren, zu einer zusätzlichen Quelle von Stress und Unzufriedenheit. Stattdessen könnte der Klient lernen, einfach zu beobachten und zu erkennen, dass Gedanken nur Gedanken sind – sie haben keinen dauerhaften Einfluss auf das wahre Selbst. Ein weiteres nützliches Konzept ist das der Selbstverantwortung. Das Schachbrett, das die Gedanken und Emotionen trägt, bleibt unberührt und kann jederzeit entscheiden, den Fokus von den inneren Kämpfen auf das zu richten, was wirklich wichtig ist. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken wird nicht mehr als ein „Gewinnen“ oder „Verlieren“ betrachtet, sondern als ein Vorübergehen, das dem Selbst keinen dauerhaften Schaden zufügt.

Wie man die Angst wirklich annehmen kann: Die Bedeutung des „Sei mit deinen Gefühlen“-Ansatzes

Im Umgang mit Angst gibt es eine tiefgreifende Wahrheit, die vielen Menschen schwerfällt zu akzeptieren: Oft ist der Versuch, Angst zu vermeiden oder zu bekämpfen, der eigentliche Verstärker der Angst selbst. Dies wird besonders deutlich, wenn man den Moment der intensiven Anspannung in sich selbst untersucht und bemerkt, dass der Versuch, etwas „loszuwerden“ oder sich vor dem Gefühl zu schützen, nur dazu führt, dass dieses Gefühl stärker und auswegloser erscheint. Eine der zentralen Lehren aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) lautet, dass die bloße Präsenz mit den eigenen körperlichen und emotionalen Empfindungen der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis und einer weniger belastenden Beziehung zur Angst sein kann. Wenn wir lernen, die unmittelbare Erfahrung zu akzeptieren, ohne sie zu verdrängen oder zu verändern, kann dies zu einer tiefen Transformation führen.

Ein anschauliches Beispiel aus der Praxis zeigt, wie diese Einsicht im direkten Gespräch mit einem Klienten angewendet wird. In einem intensiven Moment der Auseinandersetzung mit der eigenen Angst fragte der Therapeut: „Ist es wirklich nötig, dass du diese Empfindungen in deinem Körper, wie das Pochen deines Herzens, unbedingt loswerden musst?“ Die Antwort war zunächst negativ, weil die Vorstellung, dass man diese körperlichen Signale als Feinde betrachten könnte, nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Vielmehr war es die Haltung der Akzeptanz, die das Gefühl der Angst veränderte – nicht, indem es beseitigt wurde, sondern indem der Klient lernte, sich nicht länger gegen es zu wehren. Dadurch konnte der Klient eine Veränderung in der Wahrnehmung der eigenen Körperempfindungen erfahren, was zu einer deutlichen Reduzierung der Angst führte.

Ein entscheidender Punkt in der Behandlung von Angst ist es, die Empfindungen im Körper nicht zu bekämpfen, sondern zu beobachten. Auch wenn die Empfindungen unangenehm sind, können wir durch die Akzeptanz der physischen Reaktionen des Körpers und das Bewusstsein für diese Reaktionen ein neues Verhältnis zu der Angst aufbauen. Diese Methode kann den Unterschied ausmachen, ob Angst als überwältigendes Monster erlebt wird oder als eine Reihe von kleineren, handhabbaren Teilen, die wir Stück für Stück betrachten und akzeptieren können.

Ein weiteres Beispiel aus der therapeutischen Praxis ist das „Tin Can Monster“-Übung, ein kraftvolles Werkzeug, um sich der Angst zu stellen. Bei dieser Übung geht es darum, die Angst nicht als monolithisches, bedrohliches Gebilde zu sehen, sondern als eine Ansammlung kleiner, überschaubarer Teile. Dies zeigt, dass die Angst nicht unbedingt allumfassend und übermächtig ist – wenn wir ihr mit der Haltung eines neugierigen Wissenschaftlers begegnen, können wir ihre einzelnen Bestandteile untersuchen, ohne von ihrer überwältigenden Kraft vereinnahmt zu werden.

In der Praxis ist es oft eine der größten Herausforderungen für Therapeuten, sich nicht in die Versuchung zu begeben, die Angst des Klienten schnell zu „lösen“. Aber es ist genau dieser Versuch, die Angst zu beseitigen, der die Situation noch weiter verkomplizieren kann. Ein wichtiger Aspekt der Arbeit mit Angst besteht darin, sich nicht von der eigenen Unbehaglichkeit ablenken zu lassen und nicht den Fehler zu machen, den Klienten vor ihrer eigenen Erfahrung zu „schützen“. Vielmehr geht es darum, dem Klienten zu zeigen, wie er in der Lage ist, mit diesen Gefühlen zu leben, sie zu akzeptieren und zu integrieren, ohne sie zu fürchten.

Für Klienten bedeutet das, dass sie sich bewusst werden, dass sie nicht gegen die Angst ankämpfen müssen. Sie können sich in einem ruhigen Moment bewusst werden, was in ihrem Körper geschieht: Wie fühlt sich die Anspannung an? Wo genau spüren sie die körperliche Reaktion? Wenn diese Empfindungen nicht als „Feinde“ betrachtet werden, sondern als neutraler Bestandteil der momentanen Erfahrung, verlieren sie einen Teil ihrer Bedrohlichkeit.

Anschließend sollten auch die Emotionen und Gedanken, die mit der Angst verbunden sind, als gleichwertige Erfahrungen akzeptiert werden. Gedanken und Gefühle müssen nicht verändert oder verdrängt werden. Sie sind lediglich vorübergehende Phänomene, die kommen und gehen. Die Akzeptanz dieser Elemente kann dazu beitragen, dass der Klient einen entspannteren und weniger ängstlichen Umgang mit seiner inneren Welt entwickelt.

Diese Denkweise hat weitreichende Implikationen für den gesamten therapeutischen Prozess. Es geht nicht darum, die Angst zu „heilen“ oder zu „lösen“, sondern darum, sie als einen Teil der menschlichen Erfahrung zu akzeptieren. Die wahre Herausforderung liegt darin, mit der Angst in einer neuen Weise zu leben. Wenn Menschen erkennen, dass sie Angst erleben können, ohne dass diese ihr Leben vollkommen beherrscht, entsteht eine neue Art von Freiheit. Sie müssen nicht mehr vor ihr fliehen oder sich ständig ablenken, sondern können ihr einfach begegnen, sie wahrnehmen und schließlich in ihrer Präsenz loslassen.

Es ist wichtig zu betonen, dass Akzeptanz nicht dasselbe ist wie Zustimmung. Es geht nicht darum, sich mit der Angst oder dem Schmerz zu identifizieren, sondern diese Erfahrungen anzunehmen, ohne sie zu bewerten oder zu verändern. Wer lernt, mit seinen Gefühlen und Gedanken in einer neugierigen, unvoreingenommenen Weise zu arbeiten, wird feststellen, dass die Angst weniger bedrohlich wird. So wie ein Monster aus Blechdosen, das bei näherer Betrachtung entzaubert wird, kann auch die Angst in ihrer Alltagsrealität als das erkannt werden, was sie ist: eine Ansammlung von Empfindungen, Gedanken und Erinnerungen, die wir Stück für Stück verstehen können.