Die Frage, wer das Recht hat, Grenzen zu überschreiten und in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, ist eine der zentralen moralischen und politischen Herausforderungen unserer Zeit. Dies wird oft unter dem Gesichtspunkt der internationalen Gerechtigkeit diskutiert, wobei der Ansatz von John Rawls und anderen Philosophen als Grundlage dient. Ein wichtiger Punkt, der hierbei zur Sprache kommt, ist die Frage, ob ein Land berechtigt ist, seine Einwanderungspolitik in Übereinstimmung mit seiner eigenen Vorstellung von Gerechtigkeit zu gestalten, auch wenn diese Vorstellung möglicherweise fehlerhaft oder unvollständig ist.
Rawls argumentiert, dass ein Rechtsystem nicht vollkommen gerecht sein muss, um von seinen Bürgern Gehorsam zu verlangen. Ein System, das in der Lage ist, Pflichten zu verhängen, muss seine Bürger nicht falsch behandeln, um ihre Rechte auf Respekt und Toleranz zu wahren. Demnach könnte man auch argumentieren, dass Menschen, die aus einem Land fliehen, das nach einer fehlerhaften Vorstellung von Gerechtigkeit regiert wird, nicht automatisch Anspruch auf „Rettung“ durch Asyl oder Intervention haben, solange das betreffende Land seine Bürger nicht aktiv missbraucht. In diesem Sinne könnte man die Menschen, die in einem solchen System leben, nicht als „ungerecht behandelt“ im vollen moralischen Sinn ansehen. Der Glaube, dass das Recht, Grenzen zu überschreiten, nur wenigen vorbehalten ist, könnte durch den Begriff der Toleranz noch weiter differenziert werden, doch dies wäre eine zusätzliche Diskussion, die hier nicht behandelt werden kann.
Im Kontext der internationalen Gerechtigkeit ist es daher sinnvoll, zu überlegen, ob das Prinzip der Toleranz nicht nur als bloße Duldung zu verstehen ist, sondern als ein moralischer Anspruch, der in bestimmten Fällen auch ein Recht auf Migration beinhalten könnte. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass das Verständnis von Gerechtigkeit in verschiedenen Ländern unterschiedlich sein kann und der Kreis der Menschen, die das Recht haben, internationale Grenzen zu überschreiten, nicht zwangsläufig so weit gefasst sein muss, wie es auf den ersten Blick scheint.
Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang oft übersehen wird, ist die Möglichkeit individueller Ansprüche auf Schutz, die nicht ausschließlich durch die politische Ordnung des Herkunftslandes bestimmt werden. Dies bedeutet, dass eine Person durchaus ein Anrecht auf Asyl oder Zuflucht haben könnte, selbst wenn ihr Heimatland als ein „tolerables“ Land angesehen wird. Eine solche Betrachtung verlangt, dass wir nicht nur die strukturellen Dimensionen von Gerechtigkeit und Toleranz berücksichtigen, sondern auch die individuellen Lebensumstände und die besonderen Verletzlichkeiten von Menschen, die durch das politische System ihres Landes besonders gefährdet sind.
Der Internationale Flüchtlingspakt von 1951 stellt in diesem Kontext einen wichtigen Bezugspunkt dar, da er die Verfolgung als ein spezifisches moralisches Übel anerkennt, dem besondere Beachtung geschenkt werden sollte. Es gibt jedoch zwei grundlegende Antworten auf die Frage, wie dieser Pakt heute moralisch zu bewerten ist. Die erste wäre, dass der Pakt ein Produkt seiner Zeit ist und in seiner ursprünglichen Form nicht mehr die moralischen Ideale widerspiegelt, die heute gelten. Die zweite Antwort würde darauf abzielen, dass Verfolgung durch den Staat ein besonders gravierendes Übel darstellt, das eine besondere Form des Schutzes verlangt. Letztere Ansicht wird von vielen unterstützt, da sie die Erkenntnis umfasst, dass Verfolgung durch den Staat eine fundamentale Umkehrung der moralischen Ordnung darstellt – der Staat, der eigentlich den Schutz der Bürger gewährleisten sollte, wird selbst zum Täter. Diese Umkehrung ist nicht nur eine Frage der Inkompetenz oder des Versagens, sondern eine aktive und systematische Missachtung der Menschenrechte.
Ein zentrales Merkmal der Verfolgung, das im Flüchtlingskontext von Bedeutung ist, ist die Tatsache, dass sie häufig zu schwerwiegenden Verbrechen wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit führt. Diese schrecklichen Folgen sind in vielen Fällen eine direkte Konsequenz der Verfolgung und machen sie zu einem einzigartigen moralischen Übel, das besonders in den Blick genommen werden muss. Wenn Verfolgung nicht gestoppt wird, kann sie sich in noch weit schlimmerer Weise manifestieren, wie es in der Geschichte oft der Fall war. Der internationale Schutz, der im Rahmen des Flüchtlingspakts gewährt wird, könnte daher als ein erster Schritt angesehen werden, um Staaten dazu zu drängen, Verantwortung für ihre Bürger zu übernehmen und auf ihre Bürgerrechte zu achten.
Doch Verfolgung ist nicht nur in ihrer direkten Bedrohung der betroffenen Individuen besonders; sie verändert auch die gesellschaftliche Struktur und das soziale Gefüge der betroffenen Gemeinschaften. Wenn der Staat die Quelle der Bedrohung ist, stellt sich die Frage, wie Gemeinschaften weiter existieren können, wenn das politische System, das sie schützen sollte, selbst zum Instrument der Unterdrückung wird. Dies führt zu einer weiteren moralischen Dimension des Flüchtlingsschutzes: der Frage, inwieweit die internationale Gemeinschaft verpflichtet ist, einzugreifen, wenn ein Staat seine Schutzpflichten versagt oder gar selbst zum Täter wird. Diese moralische Verpflichtung zur Intervention ist der Kern des Konzepts der „Verantwortung zu schützen“ (R2P), das auf die Notwendigkeit hinweist, eingreifen zu können, wenn ein Staat seine Bürger nicht mehr schützt oder selbst in die Rolle des Unterdrückers schlüpft.
Die Überlegungen zur moralischen Verantwortung im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik erfordern also eine differenzierte Betrachtung von Verfolgung, Gerechtigkeit und staatlicher Verantwortung. Es geht nicht nur um die Frage, wann und wie Asyl gewährt werden sollte, sondern auch darum, wann die internationale Gemeinschaft in den Inneren eines Staates eingreifen sollte, um die Rechte und das Wohlergehen seiner Bürger zu schützen. Die moralische Debatte um Migration und Verfolgung ist daher weit komplexer und tiefer als es auf den ersten Blick scheint.
Wie kann Gerechtigkeit bei der Migration und Familienzusammenführung gewahrt bleiben?
Die Rechte, die in Bezug auf den DAPA (Deferred Action for Parents of Americans) verteidigt werden, betreffen nicht direkt die der Eltern, sondern vor allem die der Kinder. Ein Kind, dessen Eltern deportiert werden, verliert nicht nur die elterliche Fürsorge und den Schutz, sondern wird in gewisser Weise ihrer lebensnotwendigen Bindungen beraubt, die für die Entwicklung ihrer Handlungsfähigkeit entscheidend sind. Es ist dies eine klare moralische Logik: Das Kind hat das Recht auf eine Person oder mehrere Personen, die es lieben und ihm Orientierung bieten. Der Staat sollte in seiner Politik die besondere Verletzlichkeit des Kindes erkennen und es vor dem Verlust seiner Eltern schützen.
Das DAPA-Programm, welches den Schutz von Kindern vor der Deportation ihrer Eltern vorsah, wurde unmittelbar nach seiner Einführung blockiert. Diese Maßnahme hatte eine tiefgründige moralische Intention: Kinder sind nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch ein besonders schützenswertes Individuum. Die Entscheidung, die Eltern eines Kindes zu deportieren, wirkt sich unmittelbar und verheerend auf das Kind aus, nicht nur in dem Moment, sondern auch langfristig auf die Entwicklung seiner kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Es ist eine Verletzung des Rechts des Kindes auf eine stabile und fürsorgliche Umgebung.
In einem weiteren Zusammenhang – demjenigen der Trennung von Migrantenfamilien unter der Trump-Administration – wird die moralische Vertretbarkeit solcher Entscheidungen noch deutlicher. Migrantenkinder wurden in Einrichtungen untergebracht, die eindeutig den Charakter von Strafanstalten trugen. Der Zweck solcher Einrichtungen scheint darin zu bestehen, ein Kind zu bestrafen, obwohl dieses in keinem Fall ein Fehlverhalten begangen hat. Der Umstand, dass ein Kind in ein solches System kommt, zeigt eine klare Missachtung seiner Rechte und seiner aktuellen sowie zukünftigen Handlungsfähigkeit. Das Fehlen von Empathie und der Respekt vor der besonderen Situation des Kindes macht diese Politik so zutiefst verwerflich.
Ein weiteres Beispiel verdeutlicht, wie die Bedingungen der Migration nicht nur durch die Entscheidung des Migranten selbst beeinflusst werden, sondern auch durch äußere, oft ungerechte Umstände. Wenn wir die Situation von Miguel Sanchez betrachten, einem Migranten aus Mexiko, wird seine Entscheidung zur Migration verständlicher, wenn wir sie im Kontext der Ungerechtigkeit seines Heimatlandes sehen. Miguels Geschichte könnte als ein Beispiel für den Fall dienen, dass ein Mensch aufgrund von Armut und der Unmöglichkeit, ein menschenwürdiges Leben zu führen, gezwungen ist, die Grenzen eines Landes zu überschreiten. Seine Migration könnte, ohne dass er dabei anderen schadet, als gerechtfertigt erscheinen, da er sich lediglich aus einer unerträglichen Situation befreit. Doch selbst wenn wir von der Annahme ausgehen, dass seine Entscheidung moralisch gerechtfertigt ist, wird dies durch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eines Landes – etwa der Vereinigten Staaten – infrage gestellt. Es stellt sich die Frage, inwiefern ein Staat das Recht hat, zu entscheiden, welche moralischen Pflichten er gegenüber der globalen Ungleichheit hat.
In der Theorie der globalen Gerechtigkeit gibt es ein klares Argument dafür, dass Menschen wie Miguel ein Recht haben, über Grenzen hinweg zu reisen, um ihr Leben zu retten oder zu verbessern. Dennoch stellt sich die Frage, ob er, nachdem er diese Grenze überschritten hat, auch das Recht auf Aufenthalt in einem anderen Land – beispielsweise in den Vereinigten Staaten – erlangt. Obwohl es moralisch problematisch sein könnte, ihn aus einem Land zu deportieren, in dem er eine neue Existenz aufgebaut hat, stellt sich die moralische Frage, ob das Gesetz, das seine Einreise verhindere, in dieser Hinsicht tatsächlich ungerecht ist.
Ein wichtiger Aspekt in diesem Diskurs ist, dass wir bei der Beurteilung solcher Handlungen die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen nicht einfach außer Acht lassen können. Ein Mensch wie Miguel kann die Welt nicht einfach „gerechter machen“ durch das Überschreiten von Grenzen, da dies auch immer eine Form der Gesetzesübertretung darstellt. Die Frage ist, ob er dabei gerecht handelt, auch wenn die Welt nach seiner Entscheidung „gerechter“ erscheint. Insofern sind die individuellen moralischen Handlungen, auch wenn sie mit guten Absichten begangen werden, nicht immer rechtfertigungsfähig im Kontext des Gesetzes. Auch wenn die Migration von Miguel unter den Umständen der globalen Ungerechtigkeit verständlich ist, bleibt die politische Frage bestehen, wie die Gemeinschaft der Einwanderungsstaaten auf diese moralischen Anforderungen reagieren sollte.
Schließlich stellt sich die Frage nach den langfristigen Auswirkungen solcher Entscheidungen. Ein Mensch, der seine Heimat verlässt, um in einem anderen Land ein neues Leben zu beginnen, tut dies oft nicht nur aus eigenem Interesse, sondern auch aufgrund von Umständen, die er nicht kontrollieren kann. Wird er nun nach Jahren der Integration und Anpassung aus einem Land verbannt, so wird nicht nur das von ihm Aufgebaute zerstört, sondern auch seine Fähigkeit, eine unabhängige Existenz zu führen. Es ist diese Zerstörung der Handlungsfähigkeit, die oft nicht genug in die Überlegungen mit einbezogen wird, wenn es um die Frage geht, ob jemand aus einem Land deportiert werden sollte.
Warum sollten wir die Prinzipien der Barmherzigkeit in der Migrationspolitik berücksichtigen?
Die Frage nach den Rechten von Migranten und der moralischen Grundlage ihrer Behandlung bleibt eine der drängendsten Fragen in der politischen Diskussion. Während in vielen hochentwickelten Ländern eine zunehmende Tendenz zur Verteufelung von Migranten und ihrer Unterstützer zu beobachten ist, stellt sich die Frage, wie sich die Migrationspolitik und die ethischen Prinzipien, die ihr zugrunde liegen, verändern sollten. Die Rechte von Migranten sind in vielen dieser Länder unter Beschuss, und die Ansichten von Politikern wie Donald Trump gewinnen zunehmend an Einfluss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Positionen von Politikern wie Jeb Bush automatisch die einzig richtigen sind. Diese Sichtweisen beruhen oft auf einem Recht auf Ausschluss, das bei genauerer Betrachtung hinterfragt werden muss. Es ist jedoch entscheidend, dass diejenigen, die das Recht auf Ausschluss verteidigen, äußerst vorsichtig sein sollten, was dieses Recht wirklich umfasst.
Unabhängig davon, ob die Entscheidung, ohne rechtmäßige Erlaubnis zu migrieren, als ein Akt der Liebe angesehen werden kann, ist es keineswegs ein Zeichen moralischer Verderbtheit. Die laufende Debatte über die Moral der Migration wird in der Regel von denjenigen verarmt, die darauf bestehen, dass Migranten moralisch verwerflich sind. In einer solchen Atmosphäre stellen sich viele Fragen, die weit über die moralische Bewertung von Migranten hinausgehen. Eine zentrale Frage lautet: Sollte nicht die Erkenntnis, dass die Migration ohne Recht nicht mit einer tiefen moralischen Verfehlung verbunden ist, nicht auch zu einer Veränderung der Politik führen? Sollte uns das nicht dazu veranlassen, nicht nur unsere Worte zu ändern, sondern auch unsere Taten im Umgang mit Migranten zu überdenken?
Dieser Gedanke führt uns zu einem Konzept, das bislang nur am Rande behandelt wurde: die Barmherzigkeit. Barmherzigkeit als politische Tugend ist ein Konzept, das in der Diskussion um Migration eine zentrale Rolle spielen sollte. Die bisherige politische Philosophie, die seit der Veröffentlichung von John Rawls' A Theory of Justice von einem starken Fokus auf Gerechtigkeit geprägt ist, scheint auf den ersten Blick wenig Platz für diese Tugend zu lassen. Doch Rawls selbst verstand, dass Gerechtigkeit nicht die einzige Tugend ist, die in politischen Institutionen von Bedeutung ist. Ein Staat mag ungerecht sein, wenn er den Bürgern die notwendigen Rechte und Ressourcen verweigert, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Aber ein Staat, der sich nur darauf beschränkt, Rechte zu wahren, ohne darüber hinaus aktiv das Wohlergehen seiner Bürger zu fördern, wird als moralisch unzulänglich angesehen.
Barmherzigkeit, in diesem Kontext, ist die Tugend, die es dem Einzelnen oder dem Staat erlaubt, aus moralischer Sorge vor den Auswirkungen von strengerer Behandlung auf den Empfänger von harter Strafe oder Ausschluss mildernde Maßnahmen zu ergreifen. Barmherzigkeit ist nicht einfach das Vermeiden von Unrecht, sondern das aktive Ergreifen einer Handlung, die über das, was moralisch als gerecht angesehen wird, hinausgeht. Adam Perry beschreibt diese Tugend als die Wahl zwischen zwei Optionen – einer harten und einer lenienten – bei denen der moralische Wert in der Entscheidung liegt, die weniger schädliche Option zu wählen.
Überträgt man diese Idee auf die Migrationspolitik, so stellt sich die Frage, ob ein Staat, der das Recht auf Ausschluss und Abschiebung von Migranten durchsetzt, nicht auch die Möglichkeit der Barmherzigkeit in Betracht ziehen sollte. Ein Migrant, der ohne rechtmäßige Erlaubnis in ein Land einreist, wird möglicherweise nicht durch die Anwendung von Gerechtigkeit benachteiligt, doch die Verweigerung seiner Integration oder das Schicksal einer Abschiebung könnte ihn dennoch einer unnötigen Härte aussetzen. Die Politik der Barmherzigkeit könnte somit eine ethische Antwort auf diese Dilemmata bieten und dazu beitragen, dass der Staat eine moralische Verantwortung übernimmt, die über bloße Gerechtigkeit hinausgeht.
Es gibt ein weiteres Argument, das für die Integration von Barmherzigkeit in die politische Praxis spricht: die Stabilität der Demokratie. Liberale Staaten sollten das Prinzip der Barmherzigkeit als eine moralische Notwendigkeit ansehen. Ein Staat, der das Prinzip der Gerechtigkeit allein verfolgt, könnte in seinen Handlungen und Entscheidungen moralisch labil werden, insbesondere wenn er die Bedürfnisse und das Wohl der Menschen, die keine expliziten Ansprüche auf Unterstützung haben, vernachlässigt. Der Staat könnte zwar in seiner Rechtsprechung gerecht sein, doch das Fehlen einer barmherzigen Haltung könnte ihn als moralisch schwach und als schlechten Beispielgeber für die Gesellschaft erscheinen lassen. Hier wird Barmherzigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil einer stabilen und funktionierenden Demokratie.
Es ist daher wichtig zu verstehen, dass es bei der Frage der Migration nicht nur um rechtliche Ansprüche oder nationale Sicherheit geht. Es geht auch darum, wie wir die moralische Verantwortung einer Gesellschaft gegenüber denjenigen, die keine rechtlichen Ansprüche auf Unterstützung haben, wahrnehmen. Barmherzigkeit in der Politik bedeutet, dass wir aktiv überlegen, wie wir das Leben von Migranten verbessern können, auch wenn sie keine direkten Rechte darauf haben. Diese Haltung, die über bloße Gerechtigkeit hinausgeht, ist nicht nur eine Frage der Ethik, sondern auch der praktischen politischen Philosophie, die eine funktionierende und gerechte Gesellschaft aufrechtzuerhalten hilft.
Wie kann das christliche Konzept der Barmherzigkeit in die politische Diskussion integriert werden?
In der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Migration stellt sich die Frage, wie die christliche Barmherzigkeit in politische Diskurse integriert werden kann. Im Zentrum steht die Notwendigkeit, eine Haltung der Solidarität und des Mitgefühls zu entwickeln, die sich auf die Bedürfnisse der Geflüchteten und Ausgegrenzten konzentriert. Es ist ein universelles ethisches Anliegen, das nicht nur die privaten oder persönlichen Sphären betrifft, sondern auch die öffentliche und politische Sphäre umfasst.
Die christliche Lehre über Barmherzigkeit, besonders in Zeiten der Migration, fordert die Gesellschaft heraus, nicht nur auf abstrakte Prinzipien von Gerechtigkeit zu pochen, sondern vielmehr zu fragen, wie konkret und praktisch den Bedürfnissen derjenigen begegnet werden kann, die in äußerster Not sind. Diese Perspektive betont, dass die Barmherzigkeit die Handlung einer konkreten Begegnung mit dem anderen ist, die über theoretische Normen hinausgeht. Sie ist eine Handlungsaufforderung, die das Mitgefühl und die Zuwendung zu den Bedürftigen betont, statt nur abstrakte Rechte oder juristische Kategorien zu verteidigen. Das christliche Verständnis von Barmherzigkeit geht davon aus, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, den gleichen moralischen Respekt verdient und, dass das Angesicht des Fremden uns mit einer moralischen Verantwortung konfrontiert, die über bloße Gerechtigkeit hinausgeht.
In ähnlicher Weise lässt sich auch die Ethik der Fürsorge, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde, in die Diskussion über Migration und Barmherzigkeit einfließen. Die Ethik der Fürsorge, die vor allem durch feministisches Denken geprägt wurde, betont, dass Moral und Ethik nicht nur auf universellen Gerechtigkeitsprinzipien basieren sollten, sondern auf den besonderen Bedürfnissen und der Verwundbarkeit einzelner Menschen. Im Kontext der Migration bedeutet dies, dass wir den spezifischen Bedürfnissen von Migrantinnen und Migranten Rechnung tragen müssen, anstatt diese lediglich als abstrakte Fälle von „Rechten“ oder „Gerechtigkeit“ zu behandeln.
Ein zentrales Anliegen der Ethik der Fürsorge ist die Anerkennung der besonderen Bedürfnisse und der Verwundbarkeit des Individuums. Sie fordert eine moralische Haltung, die nicht in abstrakten Gerechtigkeitsprinzipien erstarrt, sondern die Konkretheit und Verletzlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt. In diesem Zusammenhang wird die Idee entwickelt, dass die Verantwortung für den anderen nicht aus einer abstrakten Verpflichtung zur Gerechtigkeit resultiert, sondern aus einem tieferen ethischen Gebot, das durch die Anerkennung der Bedürftigkeit und der Verletzlichkeit des Anderen motiviert ist.
Die Ethik der Fürsorge hat eine fundamentale Herausforderung für die liberale Theorie, insbesondere für die Theorien der Gerechtigkeit, die auf abstrakten universellen Prinzipien basieren. Die Vorstellung, dass moralische Verantwortung aus einer bloßen Anwendung von Prinzipien resultiert, wird hier in Frage gestellt. Stattdessen wird der Fokus auf das konkrete menschliche Miteinander und auf die praktischen Auswirkungen von Entscheidungen auf verletzliche Menschen gelegt. Die Migration wird daher nicht nur als eine rechtliche oder politische Herausforderung betrachtet, sondern als eine ethische Frage, die den Umgang mit den Schwächeren und den Bedürftigen fordert.
Obwohl die Ethik der Fürsorge oft im Gegensatz zur kantianischen Ethik steht, gibt es auch innerhalb der kantianischen Tradition Ansätze, die eine Form der Barmherzigkeit als Teil des moralischen Handelns einbeziehen könnten. Kant selbst trennt zwischen der „Doktrin des Rechts“ und der „Doktrin der Tugend“, wobei das Recht auf den Schutz individueller Rechte abzielt und die Tugend auf das moralische Verhalten des Einzelnen. Barmherzigkeit könnte in diesem Rahmen als eine Handlung der Güte verstanden werden, die nicht in erster Linie auf der Durchsetzung von Rechten basiert, sondern auf dem moralischen Gebot, den Bedürftigen zu helfen. Kant selbst hätte sich möglicherweise mit einer Barmherzigkeit, die die Rechte des Einzelnen anerkennt und dennoch die konkrete Hilfe für die Verwundbaren nicht aus den Augen verliert, anfreunden können.
In der politischen Diskussion über Migration ist es von entscheidender Bedeutung, dass die moralische Verantwortung nicht nur auf abstrakte Prinzipien von Gerechtigkeit angewendet wird, sondern dass auch die ethischen Anforderungen der Barmherzigkeit und Fürsorge berücksichtigt werden. Diese ethischen Perspektiven laden uns ein, die menschliche Verwundbarkeit und die konkreten Bedürfnisse der Menschen, die sich in einer Situation der Migration befinden, anzuerkennen. Die Herausforderung für die Politik besteht darin, diese Perspektiven in einem Rahmen zu integrieren, der gleichzeitig die praktischen Herausforderungen einer gerechten und verantwortungsvollen Flüchtlingspolitik berücksichtigt.
Es ist unerlässlich zu verstehen, dass ethische Überlegungen zu Migration und Gerechtigkeit nicht nur theoretische Diskussionen über abstrakte Rechte sind. Vielmehr erfordert die Migration eine praxisorientierte Ethik, die konkrete Handlungen zur Unterstützung der Schwächeren und Marginalisierten hervorbringt. Dabei ist es wichtig, dass diese Handlungen nicht als paternalistisch oder rein wohltätig betrachtet werden, sondern als Ausdruck einer grundlegenden moralischen Verantwortung gegenüber denen, die am meisten auf unsere Hilfe angewiesen sind.
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