Gertrude Bell, eine der bedeutendsten Archäologinnen und Reisenden des frühen 20. Jahrhunderts, hinterließ ein bleibendes Erbe im Nahen Osten. Ihr Leben war von einer unerschütterlichen Leidenschaft für die Geschichte der Region und einem unaufhörlichen Streben nach Wissen geprägt. Bell, die sich zunächst als Archäologin einen Namen machen wollte, fand sich inmitten politischer und militärischer Umwälzungen wieder, die die Grundlagen für das moderne Irak legten. Sie war nicht nur eine Entdeckerin, sondern auch eine politische Beraterin, die maßgeblich bei der Neugestaltung der Region nach dem Ersten Weltkrieg mitwirkte.

Im Jahr 1911 unternahm Bell eine Reise nach Carchemisch, im heutigen Türkei, einer antiken Hethiter-Stätte, die von strategischer Bedeutung für die britische Militärführung war. Ihr Ziel war es, diese Ruinen zu untersuchen, die für die britischen Interessen im Ersten Weltkrieg von enormer Bedeutung waren. Hier traf sie auch auf T. E. Lawrence, der später als „Lawrence von Arabien“ berühmt wurde. Ihre Arbeit in der Region trug dazu bei, das militärische Verständnis der Briten zu vertiefen und zugleich wertvolle archäologische Daten zu sammeln.

Gertrude Bell war eine der wenigen westlichen Frauen ihrer Zeit, die sich traute, das unbekannte und gefährliche Terrain des Nahen Ostens zu betreten. Ihre Reisen führten sie 1913 nach Ha'il, einer Oase in Nordwest-Saudi-Arabien, wo sie unter Hausarrest gestellt wurde, da man sie für eine Spionin hielt. Dieser Vorfall konnte ihre Entschlossenheit, den Nahen Osten zu erkunden, jedoch nicht erschüttern. Nach ihrer Freilassung setzte sie ihre Reise nach Bagdad fort, wo sie in den nächsten Jahren zu einer Schlüsselfigur bei der Bildung des modernen Iraks wurde. Ihre Arbeit half nicht nur bei der archäologischen Erkundung, sondern auch bei der geopolitischen Neugestaltung der Region.

Ein Jahr später, im November 1915, trat Bell dem Arabischen Büro in Kairo bei, wo sie während des Ersten Weltkriegs strategische und politische Ratschläge für die britische Regierung gab. Sie spielte eine zentrale Rolle bei den diplomatischen Verhandlungen mit den arabischen Führern und half, den Grundstein für das zukünftige Irak zu legen. Ihre Kenntnisse der arabischen Kultur und ihre enge Verbindung zu den lokalen Stämmen machten sie zu einer wertvollen Beraterin für die Briten.

Bell war jedoch nicht die einzige Entdeckerin, die ihre Spuren im Nahen Osten hinterließ. Freya Stark, eine britische Reiseschriftstellerin, war eine der ersten westlichen Frauen, die die entlegenen Wüsten Arabiens erkundeten. Sie sprach fließend Arabisch und Farsi und war eine ausgezeichnete Kartografin. Ihr erstes großes Abenteuer führte sie 1929 nach Bagdad, und sie widmete sich in den folgenden Jahren der Erkundung weniger bekannter Gebiete im Nahen Osten, insbesondere in Persien und Südarabien.

In den frühen 1930er Jahren reiste Stark in die abgelegene Region Luristan im westlichen Persien und kartierte das Gebiet sorgfältig. Ihre Reisen führten sie auch ins Alamut-Tal, bekannt als das „Tal der Assassinen“, wo sie die Ruinen und die Kultur der Ismailiten dokumentierte. Diese Region, die einst von den Assassinen als Zufluchtsort genutzt wurde, war für Stark von besonderem Interesse, da sie der Entschlossenheit und dem Mythos dieses geheimen Ordens nachspürte.

Im Jahr 1934 begab sich Freya Stark auf eine Reise in den Hadhramaut, eine abgelegene Wüstenregion im Süden Arabiens, die damals Teil des britischen Aden-Protektorats war. Sie suchte nach der verlorenen Stadt Shabwa, die in den antiken Schriften von Plinius dem Älteren erwähnt wird. Obwohl sie krank wurde und schließlich nach Aden evakuiert werden musste, gelang es Stark, eine detaillierte ethnografische Studie über die Region zu erstellen und die Veränderungen zu dokumentieren, die die einheimische Bevölkerung durch die modernisierende Einflüsse der westlichen Welt erfuhren.

Für beide Frauen war die Entdeckung der alten Kulturen und die Begegnung mit den Menschen vor Ort von entscheidender Bedeutung. Ihre Erkundungen trugen dazu bei, ein besseres Verständnis für die Geschichte und die Gesellschaften des Nahen Ostens zu entwickeln. Ihre Arbeiten, sowohl archäologisch als auch ethnografisch, sind noch heute eine wertvolle Quelle für Historiker und Anthropologen. Es war ihre Fähigkeit, in eine fremde Welt einzutauchen und die Nuancen der verschiedenen Kulturen zu erfassen, die sie zu Pionierinnen auf ihrem Gebiet machten.

Neben den archäologischen Entdeckungen und geostrategischen Beratungen, die Bell und Stark leisteten, ist es auch wichtig zu verstehen, wie ihre Reisen das Bild des Nahen Ostens in der westlichen Welt prägten. Beide Frauen spielten eine wichtige Rolle dabei, die Komplexität und Vielfalt der arabischen Welt zu vermitteln. Ihre Werke trugen dazu bei, Stereotype zu hinterfragen und das Verständnis für eine Region zu vertiefen, die im Westen oft nur durch die Linse des Konflikts und der politischen Instabilität betrachtet wurde.

Die Reiseberichte und Entdeckungen von Gertrude Bell und Freya Stark zeigen uns, dass der Nahen Osten weit mehr ist als nur ein Ort des Krieges und der politischen Spannungen. Ihre Erkundungen verdeutlichen die historische Bedeutung der Region, ihre kulturelle Vielfalt und die tiefen Wurzeln der Zivilisationen, die dort entstanden sind. Die von ihnen gesammelten Daten und Erzählungen tragen nicht nur zur archäologischen Forschung bei, sondern bieten auch einen einzigartigen Blick auf eine Welt, die sich ständig im Wandel befindet.

Wie wurde die Nordostpassage erobert – und warum scheiterte Barentsz, wo Nordenskiöld erfolgreich war?

Im späten 16. Jahrhundert brach der niederländische Navigator Willem Barentsz dreimal auf, um einen nordöstlichen Seeweg nach China zu finden – eine Route, die europäischen Kaufleuten Zugang zu den Reichtümern des Ostens eröffnen sollte, ohne dabei durch die gefährlichen Gewässer um Südafrika oder Südamerika segeln zu müssen. Barentsz, unterstützt von den Amsterdamer Kaufleuten, war getrieben von der Hoffnung auf ein neues Handelsimperium, doch die Realität des arktischen Meereises machte jeden dieser Versuche zunichte.

Seine erste Expedition 1594 führte vier Schiffe in Richtung Nowaja Semlja. Trotz der hohen Erwartungen stießen die Männer bald auf Treibeis, das die Navigation massiv erschwerte. Die Sichtung von Walrossen und Robben schien zunächst erfolgversprechend, doch der Versuch, diese Tiere zu erlegen, scheiterte kläglich. Ihre Werkzeuge zerbrachen an der robusten Haut der Tiere, und Barentsz musste umkehren, ohne sein Ziel auch nur annähernd erreicht zu haben.

Die zweite Reise 1595 – diesmal mit sieben Schiffen und voller Handelsware – endete ebenfalls im Eis. Die Hoffnung, im Spätsommer eine eisfreie Passage zu finden, erwies sich als Illusion. Die Expedition scheiterte nicht nur geographisch, sondern auch finanziell – ein Misserfolg, der jedoch den Ehrgeiz der Kaufleute nicht dämpfte. Im Gegenteil: Noch im folgenden Jahr wurde eine dritte Expedition vorbereitet.

Diese letzte Reise 1596 begann vielversprechend. Die Entdeckung von Bäreninsel und wenig später Spitsbergen zeigte, dass Barentsz neues Territorium erschloss. Doch erneut zwang das Eis die Schiffe zur Umkehr. Nur Barentsz und seine Mannschaft wagten den Kurs nach Osten in Richtung Nowaja Semlja. Dort wurden sie am 7. August von Packeis eingeschlossen. Für neun Monate mussten sie auf dem Eis ausharren, ohne ausreichende Vorräte, in bitterer Kälte, mit Hunger und Krankheit als ständige Begleiter. Barentsz selbst überlebte diese Tortur nicht und starb auf dem Rückweg – ein Schicksal, das viele frühe Arktisfahrer teilten.

Erst beinahe drei Jahrhunderte später gelang dem finnisch-schwedischen Forscher Adolf Erik Nordenskiöld, was Barentsz nicht vergönnt war. Im Jahr 1878 durchquerte er mit dem dampfbetriebenen Schiff Vega erstmals vollständig die Nordostpassage. Sein Erfolg beruhte nicht auf Glück oder übermenschlichem Durchhaltevermögen, sondern auf präziser wissenschaftlicher Vorbereitung, technologischer Überlegenheit und einem tiefgreifenden Verständnis der arktischen Bedingungen. Die von ihm geäußerte Hypothese, dass die sibirischen Küstengewässer im Spätsommer durch Meeresströmungen eisfrei sein könnten, wurde zur Grundlage seines Triumphs.

Nordenskiöld hatte in den 1860er- und 70er-Jahren bereits mehrfach die arktischen Regionen bereist. Seine Erkenntnisse über die Eisdrift, Strömungen und geologischen Verhältnisse im hohen Norden waren nicht nur für die Navigation entscheidend, sondern auch für das grundsätzliche Verständnis des Arktischen Ozeans. Seine wissenschaftliche Akribie und strategische Planung kontrastieren scharf mit dem heroisch geprägten Entdeckergeist früherer Jahrhunderte, bei dem Wagemut häufig wichtiger erschien als Einsicht.

Während Barentsz’ Expeditionen noch vom Glauben an einen offenen Seeweg Richtung Cathay getragen waren – eine Illusion, gespeist aus Wunschdenken und unvollständigen Karten –, stellte Nordenskiölds Reise den Übergang von spekulativer Entdeckungsfahrt zur systematischen, wissenschaftlich fundierten Erforschung der Arktis dar.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass der Erfolg der Vega-Expedition nicht allein auf Technologie beruhte. Die Bereitschaft, aus früheren Fehlschlägen zu lernen, die Fähigkeit, das Eis nicht als Feind, sondern als dynamisches Element zu analysieren, sowie der nüchterne Blick auf die geophysikalischen Realitäten des Nordens machten den Unterschied. Dass Barentsz scheiterte, war nicht Ausdruck persönlicher Schwäche, sondern Zeichen einer Zeit, in der das Wissen über den Planeten noch von Mythen, kartografischen Fehlern und imperialen Projektionen durchdrungen war.

Entscheidend für das Verständnis der Geschichte der Nordostpassage ist daher nicht nur, wer sie durchquert hat, sondern auch, warum so viele zuvor daran gescheitert sind. Es ist eine Geschichte über den Wandel im Verhältnis des Menschen zur Natur – vom Versuch, sie zu bezwingen, hin zur Bereitschaft, sie zu begreifen.