Die Analyse des Einzugsgebiets einer archäologischen Stätte ermöglicht es, die Ressourcennutzung und das Überleben der Menschen zu verstehen, indem sie die geographischen, ökologischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Umgebung untersucht. Diese Methode, die als „Site Catchment Analysis“ bekannt ist, wird in der Archäologie angewendet, um die Grenzen eines Gebiets zu bestimmen, innerhalb derer eine Siedlung ihre grundlegenden Ressourcen beschaffte. Die Untersuchung erfolgt, indem konzentrische Kreise um den Mittelpunkt einer Stätte gezogen werden, und zwar in Entfernungen, die einem bis zu vier Stunden langen Fußmarsch entsprechen. Der Fokus liegt auf der Analyse der geologischen, topographischen und klimatischen Bedingungen sowie der Verfügbarkeit von Flora, Fauna, Wasser und Rohstoffen. Dabei werden auch historische Daten der archäologischen Funde integriert, um die Ressourcennutzung in verschiedenen Epochen nachvollziehen zu können.

Ein herausragendes Beispiel für die Anwendung dieser Methode ist die Site Catchment Analysis von Semthan, einer bedeutenden Siedlung im südlichen Kaschmir, die erstmals durch den Archäologen Abdul Rashid Lone untersucht wurde. Diese Analyse liefert wertvolle Erkenntnisse über die Ressourcennutzung im frühen historischen Semthan, einer Siedlung, die am Ufer des Jhelum-Flusses lag. Besonders interessant ist, dass diese Analyse als erste ihrer Art in Kaschmir gilt und den Beitrag eines einzelnen Forschers zur Erweiterung des Wissens über die Region und deren historische Bedeutung zeigt.

Lone teilte das Einzugsgebiet von Semthan in drei konzentrische Zonen ein, die jeweils in einem Umkreis von 1 km, 2,5 km und 5 km vom Zentrum der Siedlung lagen. Die Gesamtfläche, die untersucht wurde, umfasst etwa 7880 Hektar, verteilt auf 31,04 km Umkreis. Durch diese Einteilung und eine genaue Dokumentation der Landschaftsmerkmale in jedem Abschnitt konnte Lone die Ressourcennutzung und den Grad der Bewirtschaftung der Umgebung bestimmen. Der 1-km-Kreis um die Siedlung, der etwa 65% Ackerland umfasst, zeigt eine intensive landwirtschaftliche Nutzung, insbesondere für Apfelplantagen und den Anbau von Reis und Wintergetreide wie Raps und Gerste. Die Region liefert zudem reichlich Ton, der für die Produktion der zahlreichen Tongefäße, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden, genutzt worden sein könnte.

Im 2,5 km-Bereich sind rund 47% der Fläche mit Reisfeldern bedeckt, wobei auch Mais und natürliche Vegetation vorhanden sind. Der Jhelum-Fluss, der durch diese Zone verläuft, stellt eine wichtige Wasserquelle für die Bewässerung dar. In dieser Zone wurden archäologische Funde aus verschiedenen Epochen entdeckt, darunter Relikte aus der Kushana- und frühen mittelalterlichen Zeit. Darüber hinaus zeigte die Analyse, dass das Gebiet zwischen 2,5 und 5 km von Semthan einst dichter bewaldet war und als Weideflächen sowie als Quelle für wild wachsende Pflanzen und Jagdwild genutzt wurde.

Die Ergebnisse der Site Catchment Analysis von Semthan verdeutlichen, wie eng die Menschen dieser Region mit ihrer Umwelt verbunden waren und wie geschickt sie die Ressourcen ihrer Umgebung für ihr Überleben und ihre Entwicklung nutzten. Die frühgeschichtlichen Bewohner von Semthan mussten nicht weit reisen, um ihre täglichen Bedürfnisse zu decken: Ton, Wasser und Produkte aus dem Küchengarten waren im Umkreis von nur 1 km leicht verfügbar, während für die Versorgung mit Getreide und Weideflächen Entfernungen von bis zu 2,5 km in Kauf genommen wurden. Innerhalb eines Radius von 5 km wurde die Ressourcennutzung auf zwei Zonen verteilt: Eine Zone im Norden und Nordosten des Gebiets, die vorwiegend für Forstprodukte, Jagd und Weideflächen genutzt wurde, und eine andere Zone im Süden und Südwesten, die sich mehr auf Landwirtschaft und Tonabbau konzentrierte.

Ein bedeutendes Ergebnis der Analyse war die Feststellung, dass die Region um Semthan im Hinblick auf Mineralien und Metalle arm war, mit Ausnahme von Kalkstein. Materialien wie Metalle, die auf der Ausgrabungsstätte gefunden wurden, mussten also aus entfernteren Regionen bezogen worden sein. In der zweiten Phase der Analyse wurde das Einzugsgebiet auf einen Umkreis von 10 km erweitert, um die Herkunft der Materialien weiter zu verfolgen.

Die archäologische Auswertung der Region Semthan hat somit nicht nur zur Entschlüsselung der Alltagskultur der Menschen beigetragen, sondern auch ein tieferes Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in einer archäologischen Stätte vermittelt. Solche Analysen zeigen auf, wie sich der Mensch in seiner Umgebung zurechtfand und wie sich diese Anpassung im Laufe der Jahrhunderte veränderte, insbesondere im Hinblick auf den Übergang von einer stärker landwirtschaftlich orientierten Gesellschaft zu einer Gesellschaft, die auch von Handel und vielfältiger Ressourcennutzung profitierte.

Es ist auch entscheidend zu verstehen, dass die Untersuchung des Einzugsgebiets nicht nur eine direkte geographische Dimension hat, sondern auch die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen einer Siedlung widerspiegelt. In diesem Fall zeigt die Site Catchment Analysis, wie die Ressourcenverteilung im Umland von Semthan zur Entstehung einer vielfältigen und komplexen Gesellschaft beitrug, die sowohl lokale Produkte als auch überregionale Handelsbeziehungen in ihren Alltag integrierte. Dies verdeutlicht die Bedeutung der Region als Handelszentrum und als Knotenpunkt für den Austausch von Rohstoffen und Wissen.

Wie die Landwirtschaft und Tierdomestikation in Mehrgarh den Übergang zur Bronzezeit prägten

Die Ausgrabungen in Mehrgarh, einem der frühesten bekannten Siedlungszentren im heutigen Pakistan, liefern faszinierende Einblicke in die Entwicklung von Landwirtschaft und Tierdomestikation während der frühen Phasen der Menschheitsgeschichte. Die Bedeutung dieses Gebietes für die Entstehung der Landwirtschaft und der ersten sesshaften Gesellschaften ist kaum zu überschätzen. In den frühen Phasen der Besiedlung, insbesondere während der Perioden I und II, waren die Bewohner von Mehrgarh stark auf die Domestikation von Pflanzen und Tieren angewiesen, was eine entscheidende Rolle in der Entwicklung ihrer Gesellschaft spielte.

Die Bewirtschaftung von Gerste, die eine der ersten kultivierten Pflanzen war, zeigt die Anpassung der frühen Menschen an ihre Umwelt. Die Region von Mehrgarh lag in einer Zone, die als natürlicher Lebensraum für wilde Gerste bekannt ist, und es gibt Hinweise darauf, dass Mehrgarh Teil eines größeren Zentrums der Gersten-Domestikation war. In der ersten Periode wurden auch andere wichtige Getreidearten wie Einkornweizen (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum dicoccum) domestiziert, wobei die Mengen von Triticum sphaerococcum in späteren Perioden anstiegen. Die Frage, ob diese Region im natürlichen Lebensraum von Wildweizen lag, bleibt weiterhin umstritten, da bisher keine eindeutigen Beweise für wild wachsendes Weizen in der Gegend gefunden wurden. Dennoch ist unzweifelhaft, dass die Menschen von Mehrgarh begannen, dieses Getreide zu domestizieren.

Zusätzlich zu den Getreidesorten fanden sich in den frühen Perioden auch Samen von Ber (Zizyphus jujube) und Datteln (Phoenix dactylifera), was auf den Anbau von Obstpflanzen hinweist. In Periode II zeugen zahlreiche Funde von Baumwoll-Samen von der beginnenden Bedeutung der Baumwollproduktion. Ein weiteres wichtiges Zeichen der landwirtschaftlichen Diversifizierung war die Entdeckung neuer Getreidearten wie Hafer (Avena sp.) und die Einführung von zwei neuen Weizensorten in Periode III, was auf eine zunehmende Komplexität der landwirtschaftlichen Praktiken hinweist.

In Bezug auf die Tierhaltung zeigte sich ein klarer Übergang von der Jagd zur Domestikation von Tieren. In den frühen Schichten der ersten Periode dominierten die Knochen von Wildtieren wie Gazellen und anderen Großwildarten. Doch gegen Ende der ersten Periode nahm die Anzahl domestizierter Tiere, vor allem von Ziegen, Schafen und Rindern, stark zu. Die Domestizierung der Rinder, die als wichtigste Quelle für Nahrung und Arbeit dienten, nahm im Verlauf der Zeit zu, und auch die Zahl der Schafe und Ziegen stieg. Spannenderweise gab es in Periode III eine Zunahme der Knochen von Wildtieren, was auf eine Wiederbelebung der Jagdaktivitäten hindeutet.

Die technologische Entwicklung in Mehrgarh spiegelt sich auch in den Werkzeugen und Haushaltsgegenständen wider, die in den verschiedenen Perioden gefunden wurden. Besonders bemerkenswert sind die mikrolithischen Steinsicheln, die zur Getreideernte verwendet wurden, sowie die Nutzung von Steinflöten und Mahlsteinen. Die frühen Bewohner von Mehrgarh nutzten vermutlich Winterregen zur Bewässerung ihrer Felder und bauten möglicherweise künstliche Bewässerungssysteme, ähnlich den heutigen "Gabarbands", die in der Region noch verwendet werden. Diese Bewässerungsmethoden zeigen den fortschreitenden Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Anpassung an die klimatischen Bedingungen der Region.

Eine wichtige Entdeckung in den Grabstätten von Mehrgarh ist die Verwendung von Steinblättern, Kernen und Äxten als Grabbeigaben, was auf ein komplexes Verständnis von Bestattungsritualen und möglicherweise religiösen Vorstellungen hinweist. Das Fehlen von Zahnschäden in den frühen Perioden könnte auf die hohe Fluoridkonzentration im Trinkwasser hinweisen, was die Zahnstruktur der Bewohner möglicherweise positiv beeinflusste. In späteren Perioden jedoch, als sich die Ernährung durch verfeinerte Lebensmittel veränderte, verschlechterte sich die Zahngesundheit deutlich.

Die Entwicklung von Mehrgarh setzte sich über mehrere Perioden fort, wobei sich die Architektur, die Landwirtschaft und die Kunst stetig weiterentwickelten. In Periode IV zum Beispiel wurden größere Gebäude mit mehreren Räumen entdeckt, die durch dicke Wände und Holzbalken in den Türen getrennt waren. Diese baulichen Fortschritte reflektieren die wachsende Komplexität der sozialen und wirtschaftlichen Strukturen. Zudem fanden sich in dieser Periode gut verzierte Keramiken und Terrakotta-Figuren, die eine kulturelle und religiöse Bedeutung gehabt haben könnten.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Entstehung der Landwirtschaft in Mehrgarh nicht nur eine lokale Entwicklung darstellt, sondern Teil eines größeren Prozesses war, der auch andere frühe Zivilisationen beeinflusste. Der Übergang von der Jagd- und Sammlergesellschaft zur landwirtschaftlichen und tierhaltenden Lebensweise hat nicht nur das tägliche Leben verändert, sondern auch langfristige Auswirkungen auf die sozialen Strukturen und die Entwicklung von Technologie, Religion und Kultur.

Diese frühe Form der Landwirtschaft in Mehrgarh ist eine der Schlüsselnarrativen, die den Beginn der Sesshaftigkeit und den Übergang zur Bronzezeit markieren. Es ist daher von großer Bedeutung, die spezifischen landwirtschaftlichen Praktiken, die Domestikation von Tieren und die beginnende Nutzung von Metallen nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines umfassenderen kulturellen Wandels, der sich im gesamten südasiatischen Raum vollzog und schließlich auch die benachbarten Regionen beeinflusste.