Verträge, die auf Marktmechanismen und Transaktionen basieren, sind in Situationen hoher Risiken und starker Abhängigkeiten oft wenig geeignet. Die Anwendung eines solchen Modells, das das Verhalten der Vertragspartner eher als isolierte, selbstinteressierte Akteure behandelt, kann die Risiken, die der Vertrag eigentlich verhindern sollte, nur verstärken. Wenn die Vertragspartner als „Econs“ agieren – also als rein rationale Akteure, die keine Verpflichtung haben, auf die Interessen des anderen zu achten –, entstehen häufig Spannungen und die Versuchung, opportunistische Verhaltensweisen zu zeigen. Die Ironie dabei ist, dass ein rein transaktionaler Vertrag, der darauf abzielt, solche Verhaltensweisen zu vermeiden, diese ungewollt sogar begünstigen kann.

In hochkomplexen und risikobehafteten Situationen, in denen die Abhängigkeiten zwischen den Parteien klar erkennbar sind, erweist sich der relationale Vertrag als das geeignetere Modell. Im Gegensatz zu einem transaktionalen Vertrag, der davon ausgeht, dass die Beziehungen zwischen den Parteien klar umrissen und die Erwartungen voneinander strikt geregelt sind, fördert der relationale Vertrag eine flexiblere, auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichtete Beziehung. Diese Art von Vertrag berücksichtigt die Unvorhersehbarkeit von zukünftigen Ereignissen und ist nicht darauf angewiesen, alle möglichen Szenarien in detaillierter Form zu regeln.

Ein „vollständiger“ Vertrag, der sämtliche Rechte und Pflichten der Parteien für alle denkbaren zukünftigen Ereignisse festlegt, ist eine ideale Vorstellung, aber in der Realität fast unmöglich zu erreichen. Komplexe Verträge sind per se unvollständig – es gibt immer Lücken, Fehler und Unklarheiten. Selbst wenn es theoretisch möglich wäre, einen vollständigen Vertrag zu erstellen, würde die Komplexität einen solchen Vertrag nahezu unlesbar machen und die ursprüngliche Absicht der Vertragspartner eher gefährden, als sie zu schützen. Das Problem wird durch das sogenannte „Planungsparadoxon“ verstärkt, das besagt, dass es ineffizient und unrealistisch ist, einen vollständigen Vertrag in einem komplexen Umfeld zu erstellen. Auch wenn ein Vertrag theoretisch alle Eventualitäten abdecken könnte, wird er letztlich durch die Unvorhersehbarkeit der Entwicklungen in der realen Welt unbrauchbar.

In einem transaktionalen Vertrag, der in der Praxis oft durch eine Kombination von sogenannten „Trinitätsklauseln“ wie einem „Scope Sweeper“, Änderungssteuerungsverfahren und dem Recht auf Vertragsbeendigung aus Bequemlichkeit ergänzt wird, versuchen die Parteien, die Unvollständigkeit zu managen. Diese Mechanismen zielen darauf ab, die Lücken im Vertrag zu schließen, indem sie dem Kunden eine gewisse Flexibilität gewähren, etwa durch das Hinzufügen von Leistungen, die bei Vertragsabschluss nicht spezifiziert wurden, oder das Recht, den Vertrag bei Bedarf zu ändern. Doch auch diese Mechanismen sind oft unzureichend. Sie können die Spannung, die bei späteren Vertragsänderungen entsteht, nicht vollständig verhindern, und die Friktionen, die durch unterschiedliche Erwartungen und Interessen der Parteien entstehen, tragen zur Entstehung von opportunistischem Verhalten bei.

Der Grund für diese Friktionen liegt im Wesen des transaktionalen Modells: Beide Parteien verhalten sich wie rationale Akteure, die ihre eigenen Interessen maximieren wollen, ohne Rücksicht auf die langfristige Zusammenarbeit. Sie agieren im Rahmen der durch den Vertrag definierten „Referenzpunkte“ und versuchen, diese durchzusetzen. Wenn die Umstände sich ändern, was in komplexen und dynamischen Umfeldern häufig der Fall ist, entstehen Unstimmigkeiten, die in „Schattierungsverhalten“ (Shading Behavior) münden können. Dies bedeutet, dass eine der Parteien, ohne gegen den Vertrag zu verstoßen, Strategien anwendet, die dem ursprünglichen Geist des Vertrags widersprechen, aber nicht gerichtlich überprüfbar sind. Ein Anbieter könnte beispielsweise seine Produktivität verringern oder Innovationen reduzieren, ohne gegen vertragliche Verpflichtungen zu verstoßen, oder der Kunde könnte Strafen oder Schadensersatzansprüche nachträglich ausnutzen, um von der anderen Seite einen Vorteil zu erlangen.

Dieses Schattierungsverhalten ist ein typisches Merkmal von transaktionalen Verträgen in hochkomplexen Szenarien. Wenn die Marktverhältnisse oder die Umstände unerwartet von den ursprünglichen Annahmen abweichen, reagieren die Parteien mit Taktiken, die versuchen, ihre Position zu verbessern, was wiederum bei der anderen Partei dieselbe Reaktion hervorrufen kann. Dies führt zu einem „Tit-for-Tat“-Verhalten, bei dem beide Seiten versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. In solchen Fällen ist es oft der Fall, dass der transaktionale Vertrag die Risiken nicht effektiv mindert, sondern im Gegenteil sogar verstärkt.

Im Gegensatz dazu ermöglicht der relationale Vertrag eine dynamischere, weniger starr definierte Beziehung, die besser auf Veränderungen und Unsicherheiten reagieren kann. Er ist weniger auf explizite Vorgaben angewiesen und fördert eine langfristige Zusammenarbeit, bei der Vertrauen und gegenseitige Rücksichtnahme im Mittelpunkt stehen. In einem solchen Vertrag sind die Parteien bereit, sich in einem gewissen Maße flexibel und kooperativ zu verhalten, um ihre gemeinsamen Ziele zu erreichen, anstatt sich starr an festgelegte Klauseln zu klammern.

Die Entscheidung, einen relationalen Vertrag anstelle eines transaktionalen Modells zu wählen, ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Abhängigkeiten der Parteien hoch sind und die Unsicherheit groß ist. In solchen Fällen sind die starren, auf Marktmechanismen basierenden Regelungen eines transaktionalen Vertrags nicht nur unzureichend, sondern können die Entwicklung der Geschäftsbeziehung behindern. Ein relationaler Vertrag, der die Möglichkeit zur Anpassung und Zusammenarbeit bietet, ist hier die bessere Wahl.

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Wie Geld unsere egoistischen Tendenzen verstärken kann und warum ein formeller Prozess für Verträge wichtig ist

Kathleen Vohs’ Forschung zeigt, wie Geld unser Verhalten beeinflusst, insbesondere indem es egoistische Tendenzen verstärkt. In einem ihrer Experimente wurden Individuen vor einer Entscheidung, anderen zu helfen, mit Gedanken oder Worten über Geld konfrontiert, während eine andere Gruppe nicht mit solchen Assoziationen in Kontakt kam. Das Ergebnis war eindeutig: Diejenigen, die mit dem Thema Geld in Berührung kamen, zeigten eine geringere Bereitschaft zu helfen als die anderen. Diese Erkenntnis stützt sich auf die Theorie, dass Geld nicht nur als Mittel zum Zweck dient, sondern unsere sozialen Bindungen und altruistischen Neigungen beeinflusst. Es verstärkt eine Haltung, bei der das eigene Interesse über das Wohl anderer gestellt wird. Vohs’ Arbeit legt nahe, dass es von entscheidender Bedeutung ist, nicht mit der Verhandlung des finanziellen Aspekts zu beginnen, wenn es um die Gestaltung langfristiger Beziehungen geht. Vielmehr sollten die Grundlagen für eine nicht opportunistische Beziehung zuerst gelegt werden, bevor finanzielle Aspekte ins Spiel kommen.

Ein solcher Ansatz beugt den egoistischen Tendenzen vor, die durch die Fokussierung auf Geld entstehen können. Daher ist es wichtig, in Verhandlungen zunächst die gemeinsamen Werte und Prinzipien zu etablieren, bevor man sich den detaillierten Vertragsbedingungen zuwendet. Die Festlegung eines fairen Verhandlungsprozesses, bei dem die gegenseitigen Erwartungen und Interessen kontinuierlich ausgerichtet werden, ist wesentlich, um spätere Enttäuschungen und Konflikte zu vermeiden.

Ein weiterer Grund, warum der Einsatz eines formellen Prozesses in Vertragsverhandlungen von Bedeutung ist, liegt darin, dass er sicherstellt, dass alle Beteiligten das Gefühl haben, dass der Prozess der Vertragserstellung gerecht und transparent war. Der Vergleich zu einer demokratischen Gesetzgebung ist hier treffend: Auch wenn ein Gesetz aus prozessualer Sicht legitim ist, etwa weil es durch Wahlen beschlossen wurde, kann es dennoch ungerecht sein, wenn es grundlegende Rechte einer bestimmten Gruppe missachtet. Umgekehrt kann ein Gesetz, das von einem Diktator erlassen wurde und auf den ersten Blick gerecht erscheint, durch den unfairen Prozess an Legitimität verlieren. In ähnlicher Weise kann ein Vertrag, der ohne den richtigen Prozess zustande kommt, als unfair wahrgenommen werden, selbst wenn er aus inhaltlicher Sicht gerecht erscheint. Ein formaler Prozess zur Aushandlung von Beziehungen in Verträgen trägt dazu bei, dass die Partnerschaft nicht nur vertraglich, sondern auch in ihrer Wahrnehmung durch die Beteiligten als gerecht und legitim angesehen wird.

Der Prozess der Erstellung eines relationalen Vertrags ist jedoch nicht nur ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einem schriftlich fixierten Vertrag. Er spielt eine zentrale Rolle bei der Etablierung der eigentlichen Partnerschaft. Ein relationaler Vertrag soll vor allem eines erreichen: die Ausrichtung der Interessen der beteiligten Parteien aufeinander. Dieser Prozess trägt dazu bei, Risiken zu minimieren und die langfristige Zusammenarbeit auf eine stabile Grundlage zu stellen. Dies lässt sich mit der Forschung von Professor Oliver Hart belegen, der als einen der Hauptzwecke eines Vertrags die Abstimmung der Erwartungen der Vertragsparteien identifiziert hat. Diese Ausrichtung ist notwendig, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. In relationalen Verträgen geht es jedoch nicht nur darum, die spezifischen Erwartungen zu Beginn der Zusammenarbeit festzulegen, sondern auch um die kontinuierliche Ausrichtung dieser Erwartungen im Laufe der Zeit. Während sich der Fokus zu Beginn eines Vertrags auf konkrete Einzelheiten wie Umfang, Qualität und Preis richten mag, wird er sich im Laufe der Beziehung ändern und an neue Gegebenheiten angepasst werden müssen.

Ein relationaler Vertrag ist also nicht starr, sondern flexibel, wobei die generellen Prinzipien und Ziele eine feste Grundlage bilden. Die genaue Ausgestaltung des Deals kann sich im Laufe der Zeit ändern, aber die zugrunde liegende Partnerschaft sollte immer eine kontinuierliche Ausrichtung der gemeinsamen Interessen anstreben. Dies gilt insbesondere für komplexe Geschäfte mit hohem Risiko und langfristiger Zusammenarbeit, bei denen ein formeller, aber flexibler Prozess notwendig ist.

Es gibt jedoch auch Stimmen, die argumentieren, dass der Prozess der Erstellung eines relationalen Vertrags nicht notwendig sei, da die Grundlage einer erfolgreichen Partnerschaft oft „natürlich“ entstehe und sich nicht künstlich „zwingen“ lassen sollte. Es gibt sicherlich Organisationen, die ohne formellen Prozess sehr erfolgreiche Beziehungen aufgebaut haben, indem sie intuitiv Prinzipien eines relationalen Vertrags umgesetzt haben. Doch Studien und Erfahrungen zeigen, dass der formelle Prozess, der in diesem Buch beschrieben wird, die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg erheblich steigern kann. Dies ist vergleichbar mit der Weisheit des Sprichworts, dass auch ein blindes Eichhörnchen manchmal eine Eichel findet – der Erfolg mag auch ohne festgelegten Prozess möglich sein, jedoch mit einem klaren Vorgehen ist er weitaus wahrscheinlicher.

Der relationalen Vertragserstellung kommt eine bedeutende Rolle zu, insbesondere wenn es darum geht, die langfristige Ausrichtung von Interessen und Zielen zu gewährleisten. Der Prozess trägt nicht nur zur Erstellung eines Dokuments bei, sondern schafft vor allem die Grundlage für eine stabilere und erfolgreichere Partnerschaft. Die Schritte, die in diesem Buch vorgestellt werden, bieten eine klare Struktur, um eine solche Partnerschaft systematisch und mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit zu etablieren. Gerade bei komplexen und langfristigen Geschäften, bei denen die Parteien sich stark voneinander abhängig machen, kann ein solcher strukturierten Ansatz verhindern, dass kleinere Unstimmigkeiten zu größeren Problemen eskalieren.

Die Verwendung eines klar definierten Prozesses ist eine Investition in die Zukunft der Zusammenarbeit. Nur durch eine konsequente und faire Aushandlung und kontinuierliche Ausrichtung der Interessen können langfristig stabile und erfolgreiche Geschäftsbeziehungen entstehen, die auf Vertrauen und gemeinsamen Zielen basieren.