Die Beschreibung des thermo-mechanischen Verhaltens der Schale bei der Solidifikation im Stranggussverfahren erfordert ein detailliertes Verständnis der Wärmeübertragung und der mechanischen Randbedingungen, die während des Erstarrungsprozesses im Kokillensystem wirken. Die Wärmeübertragung wird durch die Kühlwasserparameter und deren Temperaturverteilung im Kühlkanal der Kokille bestimmt. Die thermophysikalischen Eigenschaften des Kühlwassers, wie Wärmeleitfähigkeit λw, Dichte ρw, Strömungsgeschwindigkeit uw, Viskosität μw und spezifische Wärme cw, spielen dabei eine zentrale Rolle. In der Modellierung wird angenommen, dass die Temperatur des Kühlwassers linear entlang der Höhe des Kühlkanals ansteigt, was die Berechnung der Temperaturverteilung innerhalb der Kokille vereinfacht.

Die Wärmeabfuhr an der Rückseite der Kupferplatte der Kokille wird als adiabatisch betrachtet, da aufgrund des Spalts zwischen Kupfer- und Edelstahlplatte der Wärmewiderstand groß und die Strahlungswärme gering ist. Dies führt zu einer Vernachlässigung des Wärmestroms an dieser Grenzfläche. Die mechanischen Randbedingungen an der Schale und der Kokille sind komplex. Die Symmetrie der Schale erlaubt es, bestimmte Verschiebungen auf der Symmetrieebene auf null zu setzen, während die Kupferplatte der Kokille nur an der breiten Seite als unbeweglich angenommen wird. Die schmale Seite erfährt eine allmähliche Verengung (Taper), welche durch eine proportionale Verschiebung entlang der Höhe simuliert wird.

Die wirkliche Herausforderung stellt die Definition der Erstarrungsfront der Schale dar, da hier das Ferrostatdruck auf die bereits erstarrte Schale wirkt. Die dynamische Elimination der noch flüssigen Phasen im Modell ermöglicht eine realistische Simulation dieses Prozesses. Entscheidend für die korrekte Anwendung des Ferrostatdrucks ist die Bestimmung des sogenannten Viskositätstemperaturpunkts (LIT), der die Grenze zwischen frei fließender flüssiger Phase und erstarrter Schale markiert. Liegt die Temperatur unter LIT, behindert ein dichtes dendritisches Gefüge die Bewegung der Schmelze, so dass der Druck nicht direkt auf die Korngrenzen wirkt. Erst bei Erreichen der LIT-Temperatur greift der Ferrostatdruck an der Erstarrungsfront direkt an.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die mechanische Kopplung zwischen der Schale und der heißen Kokillenoberfläche. Aufgrund der niedrigen Festigkeit der Schale bei hohen Temperaturen neigt diese unter Ferrostatdruck zum Ausbeulen in Richtung der Kokille. Ohne geeignete Berücksichtigung der Kontaktmechanik könnte dies zur numerischen Durchdringung der Schale in die Kokille führen. Daher wird eine Kontaktanalyse mit rigiden Kokillenelementen und „weichen“ Schalenmaterialien unter Berücksichtigung von Warmverformung und Kriechen durchgeführt.

Die Kombination der Wärmeübertragungsmodelle mit den mechanischen Randbedingungen und der dynamischen Definition der Erstarrungsfront ermöglicht eine realistische und physikalisch fundierte Simulation des komplexen Prozesses der Schalenbildung im Strangguss. Die fein abgestimmte finite-Elemente-Berechnung berücksichtigt die spezifischen Hochtemperatureigenschaften von mikrolegiertem Stahl und liefert wesentliche Erkenntnisse zur Entstehung von Rissen und anderen Fertigungsfehlern.

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Zusammenspiel von Wärmeleitung, Fluidströmung im Kühlwasser, thermischer Expansion, mechanischer Belastung durch Ferrostatdruck und die dynamische Schalenbildung alle wesentliche Einflussgrößen darstellen. Die Modellierung muss daher sowohl zeitlich als auch räumlich differenziert erfolgen, um die realen physikalischen Vorgänge abzubilden. Zudem ist die Auswahl geeigneter Materialparameter, insbesondere der temperaturabhängigen thermomechanischen Eigenschaften, entscheidend für die Genauigkeit der Simulation. Nur mit dieser ganzheitlichen Betrachtung kann die Optimierung von Stranggussprozessen und die Vermeidung von Fertigungsfehlern gezielt vorangetrieben werden.

Welche Ursachen liegen den Warmrissbildungen bei mikrolegierten Stahlbrammen während des Warmverladens zugrunde?

Die Verbindung von Stahlwerk und Walzwerk erfolgt heute bei vielen Stahlproduzenten nahtlos über Rollenbahnen, sodass heiß gewalzte Brammen direkt vom Strangguss zum Ofen transportiert werden. Die Wärme des Stranggussprodukts wird dadurch effizient genutzt. Im Prozess der Warmverladung ist die Strahlung der wesentliche Wärmetransfermechanismus, der die Abkühlung der Brammenoberfläche beeinflusst. Entscheidend sind hierbei die Länge und Geschwindigkeit der Rollenbahn sowie die Umgebungstemperatur. Untersuchungen an einer breiten, dicken Bramme aus einem Stahlwerk mit kurzem Stranggussautomaten zeigten Oberflächentemperaturen von ca. 940 °C (Breitseite) und 850 °C (Schmalseite) beim Austritt aus dem Strangguss. Nach dem sekundären Ablängen sinken die Oberflächentemperaturen um rund 22 °C bzw. 15 °C, bevor die Bramme in den Erwärmungsofen gelangt, wo sie auf etwa 642 °C (Breitseite) und 578 °C (Schmalseite) aufgeheizt wird. Aufgrund dieser Temperaturentwicklung befindet sich die Oberflächenstruktur der Breitseite im Ofen im Bereich der Zweiphasenstruktur aus Austenit und Ferrit. Gerade in diesem Temperaturbereich treten beim Warmverladen häufig Risse auf.

Ein charakteristisches Merkmal mikrolegierter Stähle, insbesondere Nb-haltiger Sorten, sind netzartige Risse, die erst nach der Erwärmung im Ofen auftreten. Vor dem Erwärmen zeigt die Oberfläche keine Risse, was auf das Fehlen äußerer Defekte im Transportprozess hinweist. Nach dem Erhitzen bilden sich diese Risse schlagartig und treten in dichter und tiefer Form gehäuft auf. Solche Risse führen nach der Walzung zu erheblichen Oberflächenfehlern wie Verwerfungen, Einstichen und Rissbildungen. Die Rissbreiten können mehr als 2 mm betragen, die Risstiefen übersteigen oft 4 mm. Besonders bei mitteldicken Blechen dehnen sich die Risse während der Walzung entlang der Walzrichtung aus, was eine nachträgliche Bearbeitung erschwert. Bei warmgewalzten Coils manifestieren sich die Risse häufig in Form von starken Verwerfungen an der Oberfläche.

Die Untersuchung der Mikrostruktur von Nb-V-legierten mikrolegierten Stahlbrammen nach dem Erhitzen und kontrolliertem Abschrecken bei verschiedenen Temperaturen verdeutlicht die Ursachen der Rissbildung. Bei Temperaturen um 650 bis 600 °C weist die Mikrostruktur eine Mischung aus Ferrit und lammellenförmigem Martensit auf. Dies ist auf eine unvollständige Umwandlung von Austenit zurückzuführen, der bei Abschreckung zum lammelligen Martensit transformiert. Sinkt die Temperatur auf 550 bis 500 °C, überwiegen Ferrit und Perlit mit feinen Martensitlamellen, was auf eine nahezu vollständige Austenitumwandlung hinweist. Unter 450 °C verschwindet der Martensit vollständig, und die Struktur besteht ausschließlich aus Ferrit und Perlit. Die Warmrisse entstehen demnach bevorzugt im Temperaturbereich von etwa 650 bis 550 °C, wo die Struktur sich im Übergangsbereich der γ → α-Phasenumwandlung befindet. In diesem Bereich sind Spannungen aufgrund der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten und Phasenumwandlungen besonders hoch, was zu Rissinitiierung führt.

Neben der Temperaturentwicklung spielt auch die Verweilzeit auf der Rollenbahn eine wesentliche Rolle. Eine zu lange Verweildauer bei Temperaturen im Zweiphasenbereich begünstigt die Bildung von Rissen. Die Oberflächenstruktur und ihr Zusammenspiel mit der Temperatur und mechanischer Beanspruchung während des Transportes beeinflussen maßgeblich die Rissanfälligkeit. Die Rissbildung kann zudem durch mikrolegierungsbedingte Ausscheidungen und lokale Spannungsfelder verstärkt werden.

Neben der Analyse der Temperaturprofile und Mikrostruktur ist es für das Verständnis der Warmrissproblematik wichtig, die Rolle der Materialzusammensetzung im Detail zu betrachten. Die geringe Menge an Nb, V und anderen Legierungselementen beeinflusst die Phasenumwandlungen und die Härte der entstehenden Mikrostruktur. Ebenso entscheidend ist die Kontrolle des Temperaturzyklus während des gesamten Produktionsprozesses, um das Auftreten kritischer Temperaturbereiche möglichst kurz zu halten. Die Kombination aus thermischer und mechanischer Belastung während des Warmverladens führt zu lokalen Spannungsspitzen, die das Risswachstum fördern. Eine genaue Steuerung der Rollenbahngeschwindigkeit, der Ofentemperatur und des Gesamtprozesses ist daher von großer Bedeutung, um die Warmrissbildung zu minimieren und die Qualität der Brammen und späteren Walzprodukte sicherzustellen.