Fake News hat in den letzten Jahren die Medienlandschaft und das öffentliche Vertrauen in Nachrichten tiefgreifend verändert. Diese Form von Desinformation ist nicht neu, aber ihre Ausbreitung und ihr Einfluss auf die Gesellschaft sind durch die digitalen Medien und sozialen Netzwerke stärker geworden. In einer Ära, in der Informationen rund um die Uhr verfügbar sind und durch die Filterblasen der sozialen Medien verstärkt werden, ist es schwieriger geworden, zwischen verlässlichen und irreführenden Nachrichten zu unterscheiden.
Ein zentrales Problem bei Fake News ist, dass sie häufig geschickt auf emotionaler Ebene ansprechen. Sie nutzen die Tendenz der Menschen, Informationen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen, unkritisch zu akzeptieren. Diese kognitive Verzerrung, die als Bestätigungsfehler bekannt ist, trägt dazu bei, dass sich falsche Informationen schnell verbreiten. Die digitale Welt, in der jeder Benutzer zum Produzenten und Verbreiter von Informationen werden kann, verstärkt dieses Phänomen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Fake News ist die Verbreitung durch sogenannte "Echokammern". Hierbei handelt es sich um Umgebungen, in denen Menschen hauptsächlich mit Informationen konfrontiert werden, die ihre vorgefassten Meinungen bestärken. In diesen Räumen sind gegenteilige Perspektiven oft kaum vertreten, wodurch die Wahrnehmung der Realität verzerrt wird. Das verstärkt die Polarisierung in der Gesellschaft und führt zu einer fragmentierten Sichtweise auf wichtige gesellschaftliche Themen.
Interessanterweise gibt es bei der Bekämpfung von Fake News auch eine ethische Dimension. In einer Demokratie, die auf offenen Diskurs und informierten Entscheidungen angewiesen ist, ist es entscheidend, dass Bürger Zugang zu verlässlichen und überprüfbaren Informationen haben. Fake News untergraben dieses Fundament, da sie gezielt die öffentliche Meinung manipulieren und das Vertrauen in etablierte Medien und Faktenwissen schwächen. Dabei wird nicht nur die politische Meinungsbildung gefährdet, sondern auch die Fähigkeit der Gesellschaft, gemeinsam Lösungen für komplexe Probleme zu finden.
Das Problem der Fake News ist zudem eng mit der Frage nach der Glaubwürdigkeit von Informationen und Quellen verknüpft. In einer Welt, in der immer mehr Menschen ihre Informationen aus dem Internet beziehen, stellt sich die Frage, wie man zwischen vertrauenswürdigen und unzuverlässigen Quellen unterscheidet. Es geht nicht nur darum, was gesagt wird, sondern auch, wer es sagt und warum es gesagt wird. Die Autoren, die hinter einer Nachricht stehen, sowie ihre Absichten und ihre Glaubwürdigkeit spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Information.
Neben den klassischen journalistischen Standards der Überprüfung und Transparenz, die in der analogen Welt längst als selbstverständlich galten, müssen heute auch neue Formen der Quellenkritik entwickelt werden. Wer zum Beispiel eine Nachricht teilt, sollte sich bewusst machen, welche Auswirkungen dies auf die öffentliche Meinungsbildung haben kann. Ein informierter Umgang mit Nachrichten ist nicht nur eine individuelle Verantwortung, sondern auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit, um das Vertrauen in öffentliche Diskurse zu wahren.
Schließlich ist es wichtig zu betonen, dass Fake News nicht nur eine Frage der falschen Information, sondern auch der falschen Wahrnehmung sind. Oftmals basieren sie nicht auf klarer Lüge, sondern auf Verzerrung oder bewusster Manipulation von Kontexten und Fakten. Die Herausforderung besteht also nicht nur darin, die Verbreitung von Falschinformationen zu stoppen, sondern auch in der Entwicklung von Werkzeugen und Strategien, die es den Menschen ermöglichen, kritischer mit den Informationen umzugehen, die sie konsumieren. Ein solcher Umgang mit Nachrichten ist notwendig, um die Auswirkungen von Fake News zu verringern und die Integrität der öffentlichen Kommunikation zu bewahren.
Es ist entscheidend zu verstehen, dass Fake News nicht einfach zufällig oder isoliert entstehen. Sie sind oft das Produkt von komplexen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Faktoren, die auf die kognitiven Schwächen der Menschen abzielen. Die Verbreitung dieser falschen Informationen ist eine bewusste Strategie, die auf der manipulativen Nutzung von Emotionen und Bestätigungsfehlern basiert. Nur durch ein besseres Verständnis dieser Mechanismen und durch den kritischen Umgang mit Informationen können wir uns vor den schädlichen Auswirkungen von Fake News schützen und das Vertrauen in die Wahrheit und die Kommunikation wiederherstellen.
Wie Fake News und Desinformation das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben
Die Rolle von Fake News in der modernen Gesellschaft ist komplex und vielschichtig, vor allem wenn es darum geht, wie diese Informationen das Vertrauen in demokratische Institutionen und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wahrheit und Fakten beeinflussen. Im digitalen Zeitalter sind die Mechanismen der Nachrichtenproduktion und -verbreitung radikal verändert worden. Die Geschwindigkeit, mit der Informationen verbreitet werden können, sowie die zunehmende Nutzung von Social Media, haben dazu geführt, dass der Konsum von Nachrichten und die Formen der Meinungsbildung stark beeinflusst werden. Gleichzeitig haben Unternehmen und politische Akteure begonnen, gezielt falsche oder irreführende Informationen zu verbreiten, um ihre eigenen Interessen zu fördern.
Fake News, als ein Werkzeug zur Manipulation öffentlicher Meinungen, sind ein zentrales Problem der modernen Demokratie. Diese Art von Desinformation kann in verschiedenen Formen auftreten: als bewusste Täuschung, als verzerrte Darstellung von Fakten oder auch als bewusst platzierte Halbwahrheiten. In vielen Fällen ist es nicht nur die falsche Information selbst, die problematisch ist, sondern auch die Art und Weise, wie sie verbreitet wird – über Social-Media-Plattformen, bei denen Algorithmen gezielt Inhalte fördern, die Emotionen wecken und Engagement fördern, unabhängig davon, ob die Informationen wahr oder falsch sind. Dieses System hat die Entstehung von sogenannten "Echokammern" und "epistemischen Blasen" begünstigt, in denen Nutzer hauptsächlich mit gleichgesinnten Meinungen konfrontiert werden und alternative Perspektiven oft nicht mehr wahrgenommen werden.
Ein weiterer Aspekt von Fake News ist der Einfluss auf die Gesellschaft und den politischen Diskurs. In vielen Fällen sind die verbreiteten Falschinformationen so konzipiert, dass sie Misstrauen in demokratische Prozesse säen. Dies geschieht nicht nur durch die Verbreitung falscher Fakten, sondern auch durch die gezielte Diskreditierung von Institutionen, die als zuverlässig und objektiv gelten sollten. Dies betrifft vor allem den Journalismus, der sich zunehmend mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, entweder parteiisch oder sogar Teil einer Verschwörung zu sein, die darauf abzielt, die Wahrheit zu verzerren und das öffentliche Vertrauen zu untergraben. Nachrichtenorganisationen und soziale Plattformen haben diese Dynamik verstärkt, da sie auf Klicks und Interaktionen angewiesen sind, die oft eher durch Sensationslust als durch wahrheitsgemäße Berichterstattung angeheizt werden.
Zudem gibt es eine zunehmende Verwischung der Grenze zwischen Wahrheit und Lüge. Die Verbreitung von Fake News führt zu einem Phänomen, das als "epistemische Verunreinigung" bezeichnet werden kann. In einer Welt, in der Wahrheiten zunehmend relativiert werden, verlieren die Menschen das Vertrauen in die Fähigkeit der Institutionen, verlässliche Informationen zu liefern. Wissenschaftliche Fakten und Expertenmeinungen, die in der Vergangenheit als verlässliche Quellen galten, werden in Frage gestellt, was zu einer weiteren Zersplitterung der öffentlichen Meinung führt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung um den Klimawandel, bei der eine kleine, aber lautstarke Gruppe von Leugnern die wissenschaftlichen Konsense infrage stellt und den Diskurs verzerrt.
Die Auswirkungen von Fake News auf die Demokratie sind tiefgreifend. Wenn Desinformation in großem Stil verbreitet wird, schafft dies eine Atmosphäre des Misstrauens, in der Bürger nicht mehr sicher sind, welchem Informationsquellen sie vertrauen können. Dies führt nicht nur zu einer Fragmentierung des öffentlichen Diskurses, sondern auch zu einer Erosion des sozialen Zusammenhalts. Insbesondere in Wahlzeiten kann die Verbreitung von Fake News den Ausgang von Wahlen beeinflussen, da Wähler gezielt in die Irre geführt werden. So können politische Akteure, die sich der Verbreitung von Desinformation bedienen, das Vertrauen in demokratische Prozesse untergraben und die Legitimität von Wahlen gefährden.
Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die Gesellschaft als auch die Institutionen, die für die Wahrung der Demokratie verantwortlich sind, Wege finden, mit der Verbreitung von Fake News und Desinformation umzugehen. Ein erster Schritt ist die Förderung einer kritischen Medienkompetenz, die es den Bürgern ermöglicht, Informationen zu hinterfragen und zwischen glaubwürdigen Quellen und manipulierten Inhalten zu unterscheiden. Darüber hinaus muss die Rolle von Technologieunternehmen und sozialen Medien im Kampf gegen Desinformation intensiv hinterfragt und gegebenenfalls reguliert werden. Ein transparenter Umgang mit Algorithmen und eine verstärkte Verantwortung für die Inhalte, die verbreitet werden, sind unerlässlich, um die öffentliche Meinung vor gezielter Manipulation zu schützen.
Wichtig ist, dass der Kampf gegen Fake News nicht nur durch technologische Maßnahmen, sondern auch durch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Wahrheit und Vertrauen in unserer Demokratie geführt wird. Es geht nicht nur um das Stoppen von falschen Nachrichten, sondern auch darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Auswirkungen diese auf die Grundlagen unserer Gesellschaft haben. Dies beinhaltet, dass Menschen lernen, nicht nur Informationen zu konsumieren, sondern auch aktiv an der Schaffung einer informierten Öffentlichkeit mitzuwirken, die sich nicht von Desinformation manipulieren lässt.
Wie beeinflusst der Begriff „Fake News“ die Medienlandschaft? Eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen der „Fake News“-Hysterie
Im Jahr 2017 nahm Google eine signifikante Änderung seines hochgeheimen Suchalgorithmus vor. Die Begründung lautete, die Verbreitung von „Fake News“ zu stoppen, einem Phänomen, das von einem ranghohen Google-Manager auf einem Blog als „Inhalte im Web, die zur Verbreitung von eindeutig irreführenden, minderwertigen, anstößigen oder schlicht falschen Informationen beigetragen haben“ beschrieben wurden. Es ist schwer, die genaue Auswirkung dieses Algorithmus vollständig zu beurteilen, da er geheim ist. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass der Algorithmus dazu tendiert, Institutionen gegenüber Einzelpersonen zu bevorzugen und große Institutionen kleinere verdrängt. Insbesondere scheint er den Verkehr zu unabhängigen Nachrichtenportalen wie Alternet, Truthout, Consortium News und der World Socialist Web Site erheblich zu reduzieren. Diese Veränderung ist nicht nur eine technische Neuerung, sondern ein deutlicher Angriff auf die demokratischen und egalitären Ideale des World Wide Web sowie des Internets im Allgemeinen.
Manche Menschen zögern, diesen Vorgang als „Zensur“ zu bezeichnen, da sie der Meinung sind, dass nur Regierungen Zensur betreiben können. Diese Ansicht ist jedoch problematisch. Wenn wir den Begriff der Zensur auf Regierungen beschränken, verlieren wir die moralische Bedeutung dieses Begriffs. Tatsächlich ist Google, mit seiner enormen Macht im Bereich der Informationsverbreitung, eine der einflussreichsten Organisationen der Welt, die in vieler Hinsicht mehr Macht ausübt als viele Staaten. Zwar fehlt Google die direkte Kontrolle über Gewalt, die Regierungen durch das Gewaltmonopol ausüben, aber über die Beeinflussung von Regierungen hat Google dennoch erheblichen Einfluss darauf, welche Gruppen oder Nachrichten als Ziel von politischer Gewalt gelten. Es handelt sich hierbei um eine subtile Form der Kontrolle und Einflussnahme, die nicht unterschätzt werden sollte.
Ein weiteres alarmierendes Beispiel für die Auswirkungen des „Fake News“-Phänomens ist die Rolle der Washington Post. Obwohl die Washington Post nicht direkt zu den internationalen Technologieunternehmen gehört, ist sie im Besitz von Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon, und damit Teil eines globalen Konzerns, der maßgeblichen Einfluss auf die Medienlandschaft hat. Die Washington Post hat sich in den letzten Jahren immer wieder als Sprachrohr für die Bekämpfung von „Fake News“ positioniert und sich selbst als Vorreiter im Kampf gegen Falschinformationen dargestellt. Doch auch die Washington Post ist nicht frei von Fehlern. In den letzten Jahren hat sie mehrere sensationelle und falsche Geschichten über angebliche russische Angriffe auf den amerikanischen Lebensstil veröffentlicht. Diese falschen Berichterstattungen werfen die Frage auf, ob die Washington Post selbst als Quelle für „Fake News“ bezeichnet werden kann. Wenn wir „Fake News“ als absichtlich falsche Berichterstattung definieren, lässt sich diese Frage schwer beantworten. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass die Auswirkungen dieser falschen Berichte auf das öffentliche Bewusstsein weitreichend und unkontrolliert waren.
Ein besonders problematischer Aspekt dieser „Fake News“-Debatte ist die Art und Weise, wie die Medien mit Korrekturen umgehen. Die Washington Post hat zwar einige ihrer falschen Berichte später korrigiert, jedoch wurden diese Korrekturen weit weniger prominent behandelt und erreichten deutlich weniger Leser als die ursprünglichen Fehlinformationen. Dieser Umstand erinnert an die Vorgehensweise von Quellen, die häufig als „Fake News“ bezeichnet werden – auch sie korrigieren ihre Fehler, aber die Korrekturen erreichen nie die gleiche Reichweite. Selbst wenn man den Unterschied zwischen fahrlässigem Umgang mit der Wahrheit und absichtlichem Lügen anerkennt, stellt sich die Frage, ob dieser Unterschied überhaupt relevant ist. Aus einer konsequentialistischen Perspektive, die nur die Auswirkungen eines falschen Berichts betrachtet, sind die Unterschiede zwischen leichtfertigen und absichtlich falschen Geschichten möglicherweise kaum von Bedeutung. In beiden Fällen werden falsche Informationen weit verbreitet und die Verantwortlichen für diese Falschmeldungen tragen keine Konsequenzen.
Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Theorie von Harry Frankfurt über das „Bullshit“. Frankfurt argumentiert, dass Lügen und Bullshit zwei verschiedene Arten von Feindseligkeit gegenüber der Wahrheit darstellen. Ein Lügner erkennt die Wahrheit an, widersetzt sich ihr jedoch absichtlich. Ein „Bullshitter“ hingegen kümmert sich überhaupt nicht um die Wahrheit – er ignoriert sie schlichtweg. Dieser Mangel an Aufmerksamkeit für die Wahrheit ist laut Frankfurt eine noch größere Gefahr als das Lügen selbst. Die große Herausforderung in der heutigen Medienlandschaft liegt daher nicht nur in der bewussten Verbreitung falscher Informationen, sondern auch in der Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit, die oft in den etablierten Medien vorherrscht.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass kleinere, unabhängige Nachrichtenportale oft zu „Fake News“ abgestempelt werden, obwohl sie weniger Zugang zu Regierungs- oder Militärquellen haben als die großen, etablierten Medien. Ein Beispiel hierfür ist die Journalistin Judith Miller, die 2002 und 2003 in der New York Times zahlreiche falsche Geschichten über irakische Massenvernichtungswaffen veröffentlichte und damit die US-Invasion unterstützte. Miller verteidigte ihre Arbeit mit der Aussage, dass ihre Aufgabe nicht sei, die Informationen der Regierung zu hinterfragen, sondern den Lesern einfach mitzuteilen, was die Regierung über den Irak dachte. Diese Haltung – die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit – ist ein zentrales Problem in der heutigen Medienlandschaft.
In der akademischen Welt hat das Phänomen der „Fake News“ ebenfalls zu einem neuen Forschungszweig geführt, der sich mit der Analyse und Bekämpfung von Falschinformationen beschäftigt. Hierbei stellt sich die Frage, inwiefern Wissenschaftler und Journalisten in ihrer Verantwortung stehen, den Wahrheitsgehalt von Informationen zu prüfen und ihre Rolle in der Verbreitung von Falschmeldungen zu reflektieren.
Die Bedeutung der Debatte über „Fake News“ geht weit über die Frage hinaus, wer falsch informiert ist. Sie betrifft die grundlegenden Prinzipien von Wahrheit, Verantwortung und Macht in der modernen Gesellschaft. Es wird zunehmend offensichtlich, dass die Verbreitung von Fehlinformationen nicht nur eine Herausforderung für die Integrität der Medien darstellt, sondern auch eine Bedrohung für die demokratischen Prozesse und die freie Meinungsbildung. In einer Welt, in der Technologieunternehmen und große Medienhäuser eine immer größere Kontrolle über die Informationsflüsse haben, müssen wir uns fragen, wie viel Macht wir diesen Akteuren überlassen wollen.
Warum zeigen Google und Google Scholar zurückgezogene Artikel höher an als deren Widerrufe?
Die Sichtbarkeit wissenschaftlicher Widerrufe im digitalen Raum ist ein zentrales Problem der wissenschaftlichen Integrität, insbesondere im Kontext von Suchmaschinen wie Google und Google Scholar. Obwohl die Retraktion eines Artikels ein fundamentales Ereignis darstellt – meist ausgelöst durch wissenschaftliches Fehlverhalten wie Datenfälschung –, bleiben diese Retraktionen für die Mehrheit der Nutzer weitgehend unsichtbar. Die Analyse zeigt, dass selbst bei expliziten Titelsuchen revidierter Artikel die Suchalgorithmen beider Plattformen systematisch versagen, den Widerruf korrekt zu priorisieren.
Die Auswahl der untersuchten Artikel folgte klaren Kriterien: Nur wissenschaftlich betrügerische Artikel – konkret: wegen Datenfälschung zurückgezogene Arbeiten – wurden berücksichtigt. Diese Einschränkung erlaubt eine eindeutige Operationalisierung dessen, was unter einem „falschen“ Artikel verstanden wird. Zudem wurden nur Artikel verwendet, die zwischen Oktober und Dezember 2018 zurückgezogen wurden. Diese zeitliche Eingrenzung diente der methodischen Kontrolle: Ein zu kurzer Abstand zwischen Retraktion und Analysezeitpunkt könnte zu Verzerrungen führen, da Suchmaschinen möglicherweise noch nicht ausreichend Zeit hatten, ihre Algorithmen entsprechend anzupassen.
Alle untersuchten Artikel stammten aus angesehenen wissenschaftlichen Verlagen wie Elsevier, Springer oder Wiley. Damit wurde ausgeschlossen, dass mangelhafte Sichtbarkeit von Widerrufen auf die geringe Qualität oder Sichtbarkeit der Veröffentlichungsplattform selbst zurückzuführen ist.
Die Untersuchung basierte auf kontrollierten Titelsuchen, durchgeführt sowohl von Universitätsrechnern als auch von privaten Endgeräten, um Verzerrungen durch IP-Geolokalisierung auszuschließen. Die Suchanfragen wurden im anonymen Modus durchgeführt und jede erste Ergebnisseite gespeichert, da nachgewiesen ist, dass Nutzer nur selten über die erste Seite hinausgehen.
Ein zentrales methodisches Kriterium, genannt Criterion A*, verlangte, dass ein Widerrufshinweis in den Suchergebnissen höher erscheinen sollte als der Link zum ursprünglichen, zurückgezogenen Artikel. Diese Erwartung wurde jedoch nahezu systematisch enttäuscht. In Google Search rangierte in 22 von 24 Fällen der ursprüngliche Artikellink über dem Retraction-Link; bei Suchen vom Privatrechner aus war das Verhältnis 21 zu 24. Selbst wenn der Widerrufshinweis gelistet war, erschien er häufig erst nach mehreren Original-Links und erforderte manuelles Scrollen.
Noch überraschender war das Ergebnis für Google Scholar, eine Plattform, die speziell für wissenschaftliche Inhalte optimiert ist. Hier wurden Hypothesen, die auf eine bessere Leistung gegenüber Google Search abzielten, klar widerlegt. In der Mehrzahl der Fälle rangierte der Artikellink auch hier über dem Widerruf. Google Scholar zeigte in 21 von 24 Fällen eine Vorauswahl von „besten Treffern“, in denen in über der Hälfte der Fälle kein Hinweis auf den Widerruf erschien. Erst durch manuelles Öffnen der erweiterten Ergebnisse wurde in etwa der Hälfte dieser Fälle der Widerruf sichtbar – meist jedoch weit unten auf der Seite.
Besonders gravierend sind die Fälle, in denen auf der gesamten ersten Ergebnisseite keinerlei Hinweis auf eine Retraktion existierte: Zwei Mal bei Google Search, fünf Mal bei Google Scholar. Das bedeutet konkret, dass ein Nutzer, der sich auf die vordergründig plausiblen Resultate einer Titelsuche verlässt, keinerlei Anzeichen dafür erhält, dass die entsprechende Arbeit zurückgezogen wurde.
Diese Ergebnisse lassen sich nicht allein durch technische Limitierungen erklären, sondern deuten auf strukturelle Schwächen in der Gestaltung wissenschaftsrelevanter Algorithmen hin. Die Gewichtung von Popularität, Zitierhäufigkeit oder anderen Metriken scheint so dominant, dass selbst formelle Widerrufe nicht in der Lage sind, die Rankinglogik zu durchbrechen. Die Verantwortung, falsche Informationen zu erkennen und auszublenden, wird somit auf den einzelnen Nutzer abgewälzt – in einem Kontext, in dem der Eindruck wissenschaftlicher Korrektheit besonders sensibel ist.
Darüber hinaus zeigt sich, dass Suchmaschinen – entgegen ihrer eigenen Intention – zur weiteren Verbreitung wissenschaftlicher Falschinhalte beitragen können, indem sie zurückgezogene Arbeiten nicht nur nicht markieren, sondern aktiv höher gewichten als ihre Korrektur. Diese Praxis unterminiert die zentrale Funktion des wissenschaftlichen Widerrufsprozesses: Die Entfernung unzuverlässiger oder betrügerischer Inhalte aus dem aktiven Diskurs.
Wichtig ist zudem zu verstehen, dass eine Retraktion zwar ein formeller Akt ist, der aber in seiner Wirksamkeit von der Sichtbarkeit abhängt. Wird ein Widerruf nicht gesehen, bleibt der Schaden der ursprünglichen Veröffentlichung bestehen. Noch schwerer wiegt dabei, dass Suchmaschinen keine aktiven Mechanismen zur Priorisierung von Retraction Notices implementieren, obwohl dies technisch durchaus umsetzbar wäre. Die gegenwärtige Praxis birgt das Risiko, dass fehlerhafte oder gefälschte Studien weiterhin zitiert, verbreitet und als wissenschaftlich valide rezipiert werden – mit potenziell gravierenden Folgen für Forschung, Praxis und öffentliche Meinung.
Zudem wird mit der gängigen Darstellung von Retraction Notices – oft kryptisch benannt, unauffällig verlinkt oder versteckt in Fußnoten – die Transparenz des wissenschaftlichen Korrekturprozesses untergraben. Eine systematische, gut sichtbare Kennzeichnung solcher Artikel und deren Rückverfolgbarkeit in Suchmaschinen wäre nicht nur möglich, sondern dringend erforderlich, um die Integrität wissenschaftlicher Kommunikation zu sichern.
Die Rolle der Polar-Expeditionen: Von Amundsen bis Hall
Welche Rolle spielen zweidimensionale Materialien in der Photokatalyse und Photoelektrochemie?
Was ist bei einer Intervention entscheidend für den Erfolg und wie wählt man den richtigen Behandlungsansatz?

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