Die Auswirkungen einer abrupten Laständerung auf die Rissausbreitung im Kriechprozess sind von besonderem Interesse in der Werkstoffmechanik. Es wurde gezeigt, dass ein plötzlicher Lastanstieg (Step-up loading) und ein Lastabfall (Step-down loading) beide eine spezifische transienten Rissausbreitung verursachen. Dieses Verhalten kann durch verschiedene mechanische und materialtechnische Faktoren erklärt werden, die das Verständnis des Kriechverhaltens in realen Anwendungen entscheidend beeinflussen.

Beim Step-up loading, wie in Abbildung 4.5(a) dargestellt, zeigt die Rissausbreitungsrate (da/dt) nach der Laständerung zunächst einen Überschuss, um dann allmählich auf die konstante Rissausbreitungsrate bei höherem Belastungsniveau zu konvergieren. Diese Übergangsphase ist durch eine ausgeprägte transienten Rissausbreitung gekennzeichnet, die auf eine Änderung der mikrostrukturellen Eigenschaften des Materials zurückzuführen ist. Diese Änderung resultiert aus der Wechselwirkung zwischen der Verfestigung des Materials und der mikroskopischen Erholung, die bei unterschiedlichen Belastungsniveaus unterschiedlich ausfällt. Der Übergang von einem Zustand des niedrigeren zu einem Zustand des höheren Belastungsniveaus führt zu einer Phase der instabilen Rissausbreitung, die sich jedoch schließlich zu einem neuen Gleichgewichtszustand verschiebt.

Im Fall des Step-down loadings, wie in Abbildung 4.5(b) dargestellt, zeigt die Rissausbreitung ein ähnliches Verhalten, allerdings mit einem anfänglichen Rückgang der Rissausbreitungsrate, der sich ebenfalls allmählich auf die konstante Rissausbreitungsrate bei niedrigerem Belastungsniveau stabilisiert. Auch hier wird der Übergang von einem hohen zu einem niedrigen Belastungszustand durch eine transienten Phase charakterisiert, in der die Materialerholung und die Spannungsumverteilung eine entscheidende Rolle spielen. Diese Übergangsphase führt zu einer Reaktion des Materials, die sich in einer veränderten Rissausbreitungsdynamik widerspiegelt.

Es wurde weiter gezeigt, dass die Beziehung zwischen der Rissausbreitungsrate (da/dt) und dem Kriech-J-Integral (J*) sowohl für Step-up als auch Step-down Laständerungen unabhängig von der Übergangsphase der Kriechverformung bleibt. Dies bedeutet, dass die klassische Gesetzmäßigkeit der Bruchmechanik auch unter transienten Kriechbedingungen, die durch eine plötzliche Laständerung verursacht werden, weiterhin gültig ist. Diese Erkenntnis ist besonders relevant für die Modellierung und Vorhersage von Rissausbreitung in industriellen Anwendungen, in denen Laständerungen häufig auftreten.

Ein weiteres wichtiges Element in der Diskussion über die transienten Kriechphasen ist der Einfluss von zwei Faktoren, die die Rissausbreitung beeinflussen: der Materialfaktor und der mechanische Faktor. Der Materialfaktor resultiert aus der Übergangsphase des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens des Materials aufgrund von mikroskopischen Strukturänderungen. Diese Übergänge treten nicht nur in einem bereits rissbehafteten Körper auf, sondern auch in einem kriechenden Körper ohne Risse oder Kerben. Die Übergangsdynamik wird durch die Wechselwirkungen zwischen Mikrowiederherstellung und plastischer Verfestigung bestimmt, die die Kriechverformung im Zeitverlauf beeinflussen.

Der mechanische Faktor spielt eine ebenso bedeutende Rolle. Während elastoplastische Verformungen direkt von der aktuellen Spannung abhängen, ist die Kriechverformung nicht nur spannungsabhängig, sondern auch zeitabhängig. Zu Beginn der Belastung dominiert das elastoplastische Verhalten des Materials, das mit einer plötzlichen Veränderung der Last auftritt. Im Laufe der Zeit jedoch übernehmen die Kriechprozesse die Kontrolle und bestimmen langfristig das Verformungsverhalten, was zu einem Überwiegen des Kriechverhaltens im gesamten Bauteil führt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der bei der Analyse von transienten Kriechphasen berücksichtigt werden muss, ist das Kriech-J-Integral (J*), das die Kriechbelastung und die damit verbundene Rissausbreitung charakterisiert. Da das Kriechverhalten zeitabhängig ist, variiert auch das Kriech-J-Integral im Verlauf der Zeit. In der Anfangsphase nach einer Laständerung wird das Kriech-J-Integral durch das Übergangsverhalten dominiert, aber mit fortschreitender Zeit stabilisiert es sich und folgt den typischen Mustern des stationären Kriechens. Diese Dynamik wurde detailliert durch das Modell der Zeitverhärtung und durch experimentelle Daten bestätigt, die die Gültigkeit dieser theoretischen Modelle unter realen Belastungsbedingungen zeigen.

Des Weiteren wurde ein erweiterter Parameter, der Ct-Parameter, eingeführt, um die Komplexität der transienten Kriechphasen zu erfassen. Der Ct-Parameter basiert auf dem Energiefreisetzungsratenansatz und ermöglicht die Evaluierung der Rissausbreitung auch unter komplizierten, nichtstationären Belastungsbedingungen. Dieser Parameter bietet eine präzisere Methode zur Analyse von Kriechphänomenen und hat sich als nützlich bei der Modellierung von Materialverhalten unter schrittweisen Laständerungen erwiesen.

Die experimentelle Bestätigung dieser Modelle und die Beziehung zwischen der Rissausbreitungsrate (da/dt) und dem Kriech-J-Integral unter verschiedenen Laständerungen zeigen eine hohe Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen. Diese Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die Entwicklung von robusteren Materialien und die Vorhersage des Lebenszyklus von Bauteilen, die unter wechselnden Lastbedingungen arbeiten.

Insgesamt ist die Untersuchung der transienten Rissausbreitung unter plötzlichen Laständerungen entscheidend, um das Verhalten von Werkstoffen unter realen Betriebsbedingungen besser zu verstehen. Die Interaktion zwischen mechanischen und materialbedingten Faktoren und die Anwendung des Kriech-J-Integrals bieten wertvolle Einsichten in die dynamischen Prozesse der Rissausbreitung, die sowohl für die Konstruktion als auch für die Wartung von Bauteilen von entscheidender Bedeutung sind.

Einfluss von Spannung und Kriechdehnung auf die Rissausbreitung bei hohen Temperaturen

Im Bereich der hohen Temperaturen sind die Mechanismen der Rissausbreitung weitgehend von der Wechselwirkung zwischen plastischen und kriechenden Verformungen abhängig. Dieser Einfluss tritt besonders stark auf, wenn Materialien einer konstanten Last ausgesetzt sind und sich nahe der Rissspitze signifikante Spannungsänderungen ergeben. In diesem Zusammenhang wird eine elastische und stationäre Kriechkörperstruktur betrachtet, die einem Schrittbelastungssignal ausgesetzt ist. Der gesamte Dehnungszustand eines Körpers, der eine Rissspitze aufweist, setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen: einer elastischen Dehnung und einer Kriechdehnung. Die elastische Dehnung ist durch die sofortige Reaktion des Körpers auf die Belastung bestimmt, während die Kriechdehnung eine zeitabhängige Verformung beschreibt, die unter dem Einfluss von Temperatur und Belastung stetig zunimmt.

Die Dehnung ee setzt sich demnach zusammen aus der elastischen Dehnung eele_{\text{el}} und der Kriechdehnung ekrieche_{\text{kriech}}, wobei der letztere Term durch die sogenannte Power-Law Beziehung beschrieben wird, die die Abhängigkeit der Kriechdehnung von der Zeit und der Temperatur widerspiegelt. Diese Kriechdehnung kann mathematisch als Integral über den Spannungsverlauf innerhalb eines Zeitintervalls formuliert werden. Der Beitrag zur Kriechdehnung wird durch eine Funktion Fs(t)F_s(t) bestimmt, die von der Belastungszeit und der Temperatur abhängt.

Wenn man davon ausgeht, dass die Last proportional ist, kann Fs(t)F_s(t) als eine Funktion beschrieben werden, die nicht von der spezifischen Position im Körper abhängt. Die Reaktion des Körpers auf diese Belastung, insbesondere in der Nähe der Rissspitze, zeigt ein Verhalten, das der HRR-Singularität (Hutchinson-Rice-Rosengren) ähnelt. Hierbei ist die Spannung an der Rissspitze direkt proportional zu einer Funktion der Belastungszeit und der Materialeigenschaften. Es wird eine Spannungsfeldformel aufgestellt, die zeigt, dass die Spannung σij\sigma_{ij} proportional zu einer Potenz der Belastungszeit ist.

Die Kriechdehnung wird ebenfalls in ähnlicher Weise beschrieben und ist durch die gleiche Zeitabhängigkeit charakterisiert. Im Allgemeinen dominiert die lineare Elastizität im gesamten Körper, außer in dem Bereich um die Rissspitze, der vom Kriechen beeinflusst wird. Dieser Bereich, der als Kriechzone bezeichnet wird, stellt die Region dar, in der die Kriechdehnung viel größer ist als die elastische Dehnung, was zu einer dominanten Wirkung der Kriechverformung führt.

Für die praktische Berechnung wird der sogenannte JJ-Integral verwendet, der die mechanische Energie beschreibt, die im Bereich um die Rissspitze gespeichert wird. In einer Kriechzone wird dieser Integralwert als konstante Größe angesehen, wobei er innerhalb der Kriechdomäne nicht von der Wahl des Integrationspfades abhängt. Diese Annahme ist jedoch nur innerhalb der Kriechzone gültig, da der Wert des JJ-Integrals außerhalb dieser Zone von den elastischen Dehnungen dominiert wird.

Das Übergangszeit ttrt_{\text{tr}} von kleinen Kriechdeformationen zu großen Kriechdeformationen wird durch die Bedingung bestimmt, dass der Wert des JJ^*-Integrals im stationären Zustand gleich dem im Übergangszustand ist. Diese Übergangszeit stellt einen wichtigen Punkt in der Analyse der Rissausbreitung dar, da sie anzeigt, wann der gesamte Körper beginnt, von Kriechverformungen beeinflusst zu werden, statt nur der Bereich nahe der Rissspitze.

In der Praxis ist die genaue Messung des Risswachstums unter solchen Bedingungen entscheidend, um das Verhalten von Materialien bei hohen Temperaturen korrekt zu bewerten. Besonders wichtig ist, dass der Übergang von kleinen zu großen Kriechdeformationen die kritische Grenze darstellt, ab der die klassischen linearen Elastizitätsannahmen nicht mehr gültig sind und komplexere Kriechmodelle zur Anwendung kommen müssen.

Die Beziehung zwischen den mechanischen Eigenschaften und der Rissausbreitung bei hohen Temperaturen hängt nicht nur von den thermischen Eigenschaften des Materials, sondern auch von der Art der Belastung und den spezifischen Umgebungsbedingungen ab. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Kriechdehnung und die damit verbundene Rissausbreitung stark vom zeitlichen Verlauf der Belastung beeinflusst werden. Dies führt zu einer zunehmend komplexeren Materialverhalten, das in der Modellierung berücksichtigt werden muss.

Wie können mikroskopisch kleine Risse in Materialien entstehen und sich ausbreiten?

Das Verständnis von mikroskopisch kleinen Rissen, insbesondere in Materialien, die verschiedenen physikalischen Belastungen ausgesetzt sind, ist entscheidend für die Verbesserung der Materialwissenschaften und die Entwicklung widerstandsfähigerer Werkstoffe. Die Modellierung und Simulation des Rissinitiations- und Rissfortpflanzungsverhaltens bieten tiefgehende Einblicke in die zugrunde liegenden physikalischen Mechanismen, die dieses komplexe Phänomen steuern.

Ein vereinfachtes Modell zur Rissinitiierung und -ausbreitung, das auf den Widerstandswerten an Korngrenzen basiert, kann das Verhalten von mikroskopisch kleinen Rissen erstaunlich gut nachbilden. Bei der Simulation von Rissinitiationen wird der Widerstand jedes Kornborders in Relation zu den Zyklen, die das Material durchläuft, gesetzt. Hierbei zeigt sich, dass die Rissinitiation durch eine bestimmte Kraft (F) an den Korngrenzen angestoßen wird, die sich mit der Anzahl der Zyklen kumuliert und schließlich zu einem kritischen Punkt führt, an dem der Riss einsetzt.

In der Modellierung des Rissfortpflanzungsprozesses kommt zusätzlich die sogenannte „Koa“-Konstante ins Spiel, die für die weitere Ausbreitung des Risses innerhalb des Materials verantwortlich ist. Während der erste Schritt (Rissbildung) stark von der Normalspannung an den Korngrenzen abhängt, folgt die Ausbreitung des Risses eher den Gesetzmäßigkeiten der Bruchmechanik, die sich durch den Koa-Wert ausdrücken lässt. Es ist hierbei wichtig zu betonen, dass die Kräfte, die die Initiierung und die Ausbreitung des Risses beeinflussen, signifikant unterschiedlich sind.

Ein experimenteller Vergleich zwischen simulierten und realen Rissverläufen zeigt die Zufälligkeit der Rissbildung und -ausbreitung in mikroskopisch kleinen Rissen und unterstreicht die Bedeutung statistischer Methoden bei der Analyse. In der Simulation werden die unterschiedlichen Risslängen und -dichten in einer Verteilung abgebildet, die das zufällige Auftreten und die unterschiedliche Geschwindigkeit der Rissausbreitung zeigt. Diese Experiment-Simulation-Vergleiche belegen, dass ein einfaches Modell in der Lage ist, die komplexen Verhaltensweisen mikroskopisch kleiner Risse zu replizieren.

Ein besonders interessantes Phänomen tritt bei der Betrachtung von Zeit-abhängiger (kriechbeherrschender) Ermüdung auf, bei der mikroskopisch kleine Risse nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Inneren des Materials initiieren können. Unter extrem niedrigen Spannungen, wie sie bei sogenannter „cp-type fatigue“ oder statischer Kriechbelastung auftreten, kommt es zu einer signifikanten Anzahl kleiner Risse, die im Inneren des Materials entstehen, wie in Studien an 304er Edelstahl bei hohen Temperaturen (1073 K) gezeigt wurde. Diese inneren Risse bieten einen weiteren Hinweis auf die Komplexität der Rissbildungsmechanismen, da hier ein heilsamer Effekt durch die druckbelasteten Bereiche des Materials im Vergleich zu rein zugbelasteten Bereichen beobachtet werden kann. Der Unterschied zwischen Oberflächen- und inneren Rissen unter verschiedenen Belastungsbedingungen ist von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung präziserer Prognosemodelle.

Die kumulative Wahrscheinlichkeitsverteilung der Risslängen in Verbindung mit der Anzahl der Ermüdungszyklen zeigt eine Veränderung der Verteilung über die Zeit, wobei die Größe der Risse mit fortschreitender Ermüdung zunimmt. Eine direkte Analyse der Ausbreitung dieser inneren Risse ist jedoch komplex, und eine dreidimensionale Simulation, die die Verteilung und Dichte der Risse exakt abbildet, bietet die Möglichkeit, die genauen Parameter wie F und Ko zu bestimmen. Hierbei hat sich gezeigt, dass auch das einfache Modell von Korngrenzenwiderständen und Bruchmechanikgesetzen für interne Risse noch immer zutreffend ist, obwohl experimentelle Verifikationen weiterhin ausstehen.

Die Bedeutung dieser Modellierungen und Simulationen wird in der Praxis noch durch den Fortschritt in der nicht zerstörenden Materialprüfung verstärkt, da zukünftige Technologien es ermöglichen könnten, solche Rissbildungsprozesse kontinuierlich und ohne Materialbeeinträchtigung zu beobachten.

Die Ergebnisse dieser Simulationen und die experimentellen Beobachtungen legen nahe, dass das Risswachstum nicht nur durch die mechanischen Eigenschaften des Materials, sondern auch durch die spezifische Mikrostruktur beeinflusst wird. Die Simulationen bestätigen, dass der mikroskopische Rissbildungsprozess ein zufälliges, aber dennoch regelhaftes Verhalten zeigt, das durch die unterschiedlichen Widerstandswerte an den Korngrenzen gesteuert wird.

Für eine präzise Materialanalyse und -optimierung ist es daher unabdingbar, neben der Bruchmechanik auch die mikroskopische Struktur des Materials und dessen Verhalten bei unterschiedlichen Belastungsszenarien zu berücksichtigen. Die Fähigkeit, die mikroskopisch kleinen Risse genau zu modellieren und deren Entwicklung über die Zeit zu simulieren, bietet wertvolle Erkenntnisse für die Materialwissenschaft und trägt dazu bei, die Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Werkstoffen in verschiedenen industriellen Anwendungen zu erhöhen.

Wie das Creep-Verhalten die Rissausbreitung beeinflusst: Eine Untersuchung der J-Integral-Methode in der Kriechbruchmechanik

Die Rissausbreitung unter Kriechen stellt eine der komplexesten Herausforderungen in der Bruchmechanik dar. Es wird allgemein anerkannt, dass die Kriechrate in der Nähe des Rissspitzens in einem plastischen (nichtlinearen) Körper durch spezifische Singularitätsfelder beschrieben werden kann, die durch das J-Integral charakterisiert werden. Diese Singularitätsfelder sind ähnlich den bekannten HRR-Feldern (Hutchinson, 1968; Rice und Rosengren, 1968), die in der Frakturmechanik eine zentrale Rolle spielen. Das J-Integral beschreibt die Intensität der Singularität im plastischen Bereich und gilt als starkes Werkzeug zur Bestimmung der Rissausbreitung in einem Kriechmaterial.

Das Kriech-J-Integral, J*, wird als dominierender Parameter für die Rissausbreitung unter Kriechen angenommen. In der Theorie wird das J-Integral durch die Gleichung

J=c(n)σε˙aJ^* = c(n) \sigma \dot{\varepsilon} a

ausgedrückt, wobei σ\sigma die Fernspannung, ε˙\dot{\varepsilon} die Fern-Dehnrate und aa die Risslänge darstellen. Diese Beziehung zeigt, dass das J-Integral in Kombination mit den mechanischen Spannungszuständen die Geschwindigkeit der Rissausbreitung gut vorhersagen kann. Verschiedene experimentelle Untersuchungen haben diese theoretische Annahme bestätigt, insbesondere bei einer Platte mit zentralem Riss (CCP-Specimen), die bei konstanter Temperatur und konstanter Belastung untersucht wurde.

Die durch Kriechen verursachte Rissausbreitung ist nicht nur ein theoretisches Problem, sondern hat praktische Auswirkungen auf die Lebensdauer von Materialien und Bauteilen, die über längere Zeiträume unter thermischen und mechanischen Belastungen stehen. Die experimentellen Ergebnisse zeigen, dass in den frühen Stadien der Kriechdeformation Risse häufig schnell aus dem Wurzeln des Einschnitts entstehen. Diese Entstehung ist ein entscheidender Moment, da die Rissausbreitung einen erheblichen Teil des Bruchslebens ausmacht. Eine detaillierte Analyse auf Basis der Bruchmechanik ist unerlässlich, um das Verhalten von Materialien unter Kriechbedingungen korrekt zu bewerten und vorherzusagen.

Die Kriechdeformation bei fortschreitender Rissausbreitung führt zu einer signifikanten Beschleunigung der Verformung, da die Querschnittsfläche durch den wachsenden Riss stark reduziert wird. Diese Tatsache verdeutlicht, dass nicht nur die Kriechrate selbst, sondern auch die Rissgeometrie, insbesondere die Größe und Form des Risses, von großer Bedeutung für das Verformungsverhalten und die Lebensdauer von Bauteilen ist.

In praktischen Experimenten zeigt sich, dass die Rissausbreitung in Kriechmaterialien mit der Dehnung im Bereich des Rissspitzenbereichs direkt korreliert. Untersuchungen zu diesem Verhalten bestätigen, dass der J*-Wert eine dominante Rolle spielt. Eine experimentelle Untersuchung, die die Rissausbreitung und die Dehnrate in der Nähe des Rissspitzens zugleich misst, zeigt eine klare Korrelation zwischen diesen beiden Größen. Eine solche Korrelation legt nahe, dass die Dehnrate nahe der Rissspitze ein kritischer Faktor für die Rissausbreitung unter Kriechen ist.

Es ist wichtig zu beachten, dass das J-Integral nicht nur in größeren Strukturen von Bedeutung ist, sondern auch in kleineren Komponenten wie digitalen Chips Anwendung findet. Die Bruchmechanikgesetze, die hier beschrieben werden, sind somit nicht auf großindustrielle Anwendungen beschränkt, sondern haben auch in der Mikroelektronik und anderen feintechnischen Bereichen Bedeutung. Um jedoch eine präzise Vorhersage der Rissausbreitung zu treffen, ist es notwendig, die Experimente auf verschiedenen Skalen durchzuführen und die Parameter wie Spannungsintensitätsfaktor, Netzspannung und J-Integral zu untersuchen. Besonders wichtig ist, dass Experimente mit verschiedenen Proben Größen durchgeführt werden, um eine korrekte Bestimmung der zugrunde liegenden Bruchmechanikgesetze zu ermöglichen.

Neben der Größe der Probe gibt es weitere Faktoren, die die Kriech-Rissausbreitung beeinflussen. Einer dieser Faktoren ist die Temperatur, die einen signifikanten Einfluss auf die Kriechdehnrate hat. Experimentelle Studien zeigen jedoch, dass die Beziehung zwischen der Rissausbreitungsrate da/dt und dem J*-Integral unabhängig von der Temperatur bleibt. Dieser Umstand unterstreicht die Robustheit des J-Integals als universellen Parameter zur Beschreibung des Kriechverhaltens von Materialien, unabhängig von externen Variablen wie Temperatur oder spezifischen Materialeigenschaften.

Die Untersuchung des Kriechverhaltens und der damit verbundenen Rissausbreitung in Materialien muss unter Berücksichtigung zahlreicher Parameter und Faktoren erfolgen. Eine isolierte Betrachtung einzelner mechanischer Größen reicht nicht aus, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Rissgeometrie, Kriechverformung und Temperatur zu verstehen. Eine interdisziplinäre Herangehensweise, die Materialwissenschaft, Thermodynamik und Bruchmechanik integriert, ist unerlässlich, um präzise Vorhersagen über die Lebensdauer von Bauteilen unter Kriechbelastung zu treffen.