In der zyklischen Kriechfestigkeit ist der Übergang von Kleinskalen- zu Grobskalen-Kriechen ein entscheidender Faktor für das Verhalten von Rissen unter zyklischer Belastung. Wenn bei der Entlastung lineare elastische Dehnungen vorherrschen, tritt dieser Übergang in jedem Zyklus der zeitabhängigen Ermüdung auf. Bisher gibt es jedoch nur wenige erfolgreiche experimentelle Ergebnisse zur Rissausbreitung unter dem Einfluss dieses Übergangs, insbesondere in Bezug auf mechanische Faktoren. Einige der veröffentlichten Ergebnisse zeigen eine von diesem Übergang beeinflusste Kriechdomäne der Rissausbreitung.

Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert die Untersuchung der Rissausbreitung im zyklischen Kriechen von Inconel 718 bei 923 K (Kuwabara et al., 1988). Die Ergebnisse dieser Experimente belegen, dass in den Übergangsbereichen zwischen Kleinskalen- und Grobskalen-Kriechen die Rissausbreitung beschleunigt wird. Dies wird durch eine zunehmende Belastungsdauer im Zugversuch verstärkt, was zu einem klaren Zusammenhang zwischen der Rissausbreitungsrate und dem Kriech-J-Integral führt, welches für die Bestimmung des Kriechverhaltens relevant ist.

In den Diagrammen (Abbildung 6.4) wird die Beziehung zwischen der durchschnittlichen Rissausbreitungsrate (da/dt) und dem Kriech-J-Integral gezeigt. Wenn die Zugbelastungszeiten verlängert werden, wie es in den experimentellen Bedingungen der Fall ist, zeigt sich ein starkes Wachstum der Rissausbreitung, das auf das Grobskalen-Kriechen zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei kürzeren Zughaltezeiten eine deutlich schnellere Beschleunigung der Rissausbreitung, die mit den klassischen Modellen der linearen elastischen Spannung und dem Kriech-J-Integral nur bedingt übereinstimmt.

Ein weiteres Experiment mit Karbonfaser-verstärktem Kunststoff (CFRP) verdeutlicht, dass das Kriechverhalten hier stärker durch den Energiefreisetzungsratenmechanismus (oder den linearen elastischen Spannungsintensitätsfaktor, K) gesteuert wird, was in den experimentellen Daten des Materials bei 473 K (Abbildung 6.5) zum Ausdruck kommt. In der Regel sind die Rissausbreitungsraten in zeitabhängiger Ermüdung von CFRP-Materialien in diesem Zustand stark von der spezifischen Energieabsorption durch das Kriechen beeinflusst, was sich als dominierende Kraft im Vergleich zu anderen möglichen Einflussfaktoren herausstellt.

In einer weiteren Untersuchung zu kohlenstoffreichem Stahl bei 673 K (Ohtani et al., 1988) unter Zyklusrelaxation wird das Verhalten der Rissausbreitung unter Stressentlastung detailliert analysiert. Hier zeigt sich ein gutes Verhältnis zwischen der Rissausbreitungsrate da/dN und dem Kriech-J-Integralbereich DJc. Diese Art von experimentellen Ergebnissen hat zur Entwicklung eines umfassenden Verständnisses beigetragen, wie sich Rissausbreitung im Bereich der zeitabhängigen Ermüdung und der damit verbundenen Kriechprozesse abspielt.

Ein wesentlicher Aspekt, der aus diesen experimentellen Daten hervorgeht, ist die Tatsache, dass die Temperatur einen signifikanten Einfluss auf das Kriechverhalten und die Rissausbreitung hat. Die exponentielle Abhängigkeit des Kriech-J-Integrals von der Temperatur, wie sie in den Experimenten mit rostfreiem Stahl 304 bei 923 K dargestellt ist (Abbildung 6.7), verdeutlicht, dass thermische Aktivierungsprozesse eine zentrale Rolle spielen. Diese Ergebnisse belegen, dass sowohl die Rissausbreitungsrate als auch das Kriechverhalten durch Temperaturänderungen erheblich beeinflusst werden, was wiederum wichtige Konsequenzen für das Design von Materialien unter zyklischen Kriechbelastungen hat.

Es wurde auch festgestellt, dass der Einfluss der Kompressionskriechzone in zeitabhängiger Ermüdung von Edelstahl 304 bei hohen Temperaturen (923 K) nicht besonders ausgeprägt ist, wie aus den Ergebnissen der experimentellen Tests mit und ohne Kompressionskriechprozesse hervorgeht (Abbildung 6.8). Dies deutet darauf hin, dass in bestimmten Materialarten die Auswirkungen von Kompression auf das Kriechverhalten und die Rissausbreitung nur begrenzt sind, was für die Beurteilung der Lebensdauer und Stabilität von Bauteilen unter zyklischer Belastung von Bedeutung ist.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Rissausbreitung in zeitabhängiger Ermüdung stark durch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Faktoren wie Temperatur, Kriechmechanismen und Spannungszuständen bestimmt wird. Die Experimente und Modelle zeigen, dass die Übergangszone von Kleinskalen- zu Grobskalen-Kriechen eine Schlüsselrolle spielt, die jedoch noch weiter erforscht werden muss, um ein vollständiges Verständnis des Phänomens zu erlangen.

Wie beeinflusst die Wechselwirkung zwischen Kriechen und Ermüdung die Werkstoffmechanik bei hohen Temperaturen?

Die Untersuchung des Werkstoffverhaltens bei hohen Temperaturen stellt sowohl für Forscher als auch für Ingenieure eine erhebliche Herausforderung dar. Das Verständnis der Festigkeit von Materialien unter diesen Bedingungen ist äußerst komplex, da eine Vielzahl von Phänomenen zum Tragen kommt, die durch eine Vielzahl von Begriffen beschrieben werden, die auf Spannung, Dehnung und Temperatur basieren. Neben den Phänomenen, die für die Festigkeit bei Raumtemperatur wie Zugfestigkeit und Ermüdung relevant sind, existieren zahlreiche spezifische Begriffe, die auf die Bedingungen hoher Temperaturen zutreffen. Beispielsweise umfassen die mit Kriechen verbundenen Begriffe statisches Kriechen, dynamisches Kriechen, zyklisches Kriechen, zyklisches Temperaturkriechen und viele andere. Ebenso beinhalten die ermüdungsbezogenen Begriffe Kriechermüdung, thermische Ermüdung, thermomechanische Ermüdung und dergleichen. Hinzu kommen Phänomene wie Relaxation und elastische Nachverfolgung, die die Komplexität weiter verdeutlichen. Diese Vielfalt an Begriffen und Phänomenen ist ein wesentlicher Grund dafür, dass umfassende Lehrbücher, die die Bruchmechanik bei hohen Temperaturen systematisch erklären, noch selten sind. Ein Ziel dieses Buches ist es, ein vollständiges Verständnis dieser verschiedenen Phänomene aus der Sicht der Bruchmechanik zu vermitteln, wobei der Fokus auf der Mechanik des Bruchs an der Rissspitze liegt.

Die Erforschung der Festigkeit von Materialien bei hohen Temperaturen blickt auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurück, und die Bruchmechanik bei hohen Temperaturen hat ihren Ursprung in den letzten fünfzig Jahren. Die Inhalte dieses Buches beruhen auf den bahnbrechenden Arbeiten früherer Forscher, doch das Hauptziel ist es nicht, diese umfangreiche Geschichte zu überblicken, sondern die Essenz der Konzepte und Mechanismen zu vermitteln.

Ein zentraler Faktor für die Komplexität der Festigkeit bei hohen Temperaturen ist das Kriechen, das eine „zeitabhängige“ Deformation und einen Bruch hervorruft und die Festigkeit bei hohen Temperaturen stark von der bei Raumtemperatur unterscheidet. Beispielsweise trägt die Aktivierung von Kristallfehlern (wie Vakanzen und Versetzungen) zu einer Vielzahl von Kriechmechanismen bei, die durch Phänomene wie Atomaustausch, Versetzungsaufstieg und Kornbindungsverschiebung über die Zeit fortschreiten. Darüber hinaus variieren diese Mechanismen je nach Temperatur- und Lastbedingungen erheblich und werden stark durch zyklische Belastungen beeinflusst. Das resultierende, zeitabhängige Verhalten der Dehnung tritt auf komplexe Weise in Erscheinung. Auch bei der einfachsten Form des Kriechens weisen Deformation und Bruch eine starke Nichtlinearität in Bezug auf die Beziehung zwischen Spannung und Dehnung (Dehnungsrate) auf. Wenn man den Risswachstumsprozess betrachtet, liegt der Schwerpunkt auf den singulären Feldern nahe der Rissspitze. Daher bildet die Erforschung der „zeitabhängigen“ und „nichtlinearen“ singulären Felder einen fundamentalen Bestandteil der Bruchmechanik bei hohen Temperaturen.

Neben der grundlegenden Zeitabhängigkeit hat auch die Umwelt einen erheblichen Einfluss auf die Festigkeit von Materialien bei hohen Temperaturen. So kann beispielsweise die Oxidation die Materialfestigkeit beeinflussen. Da auch dieser Einfluss zeitabhängig ist, ist es manchmal schwierig, ihn vom Kriechen zu unterscheiden. Der Hauptunterschied besteht darin, dass der Umwelteinfluss die zeitabhängige Wirkung auf den Bruch an der Rissspitze zeigt, während das Kriechen sowohl den Bruch als auch die Deformationsmerkmale beeinflusst. In diesem Buch wird daher die Bruchmechanik verfolgt, die die zeitabhängige Wirkung des Kriechens detailliert behandelt. Wenn jedoch die Zeitabhängigkeit, die durch die in diesem Buch erklärte Bruchmechanik nicht berücksichtigt werden kann, stärker in den Vordergrund tritt, müssen Umweltfaktoren berücksichtigt werden.

Ein weiterer entscheidender Faktor für die Komplexität der Festigkeit bei hohen Temperaturen ist die Wechselwirkung zwischen Kriechen und Ermüdung. Diese Wechselwirkung, bei der sich Kriechen und Ermüdung gegenseitig beeinflussen, führt zu einer bemerkenswerten Beschleunigung des Versagensprozesses. Kriechen ist durch die Zeitabhängigkeit und Ermüdung durch die zyklische Beanspruchung gekennzeichnet. Es ist bekannt, dass die Versagensrate durch die Mischung von zyklischen Schäden und Kriechschäden erheblich beschleunigt wird, was mehr ist als nur die einfache Summe der einzelnen Schäden. Das Buch bietet eine detaillierte Erklärung der Mechanik und der Mechanismen des Risswachstums unter der Wechselwirkung zwischen Kriechen und Ermüdung.

Die Bruchmechanik bei hohen Temperaturen zeichnet sich durch drei wesentliche Faktoren aus:

  1. Zeitabhängigkeit

  2. Nichtlinearität

  3. Zyklische Belastung

Die Bruchmechanik besteht aus zwei Hauptphasen. In der ersten Phase geht es darum, eine mechanische Größe zu identifizieren, die das Spannungsfeld nahe der Rissspitze erfasst. Dies bedeutet eine Analyse der „Deformationsfelder“ hinsichtlich der oben genannten drei Faktoren. Da das stabile Risswachstum durch lokalen Bruch an der Rissspitze entsteht, stellt die betrachtete Größe des singulären Feldes die „Bruchantriebskraft“ dar. Das bloße Bestimmen des Spannungs- und Dehnungszustands (Dehnungsrate) in der Nähe der Rissspitze reicht jedoch nicht aus, um das Risswachstum zu verstehen. Die zweite Phase umfasst die Mechanik des „Bruchs“ an der Rissspitze unter der gegebenen Bruchantriebskraft. Materialien besitzen eine spezifische Widerstandskraft gegenüber dem Bruch, die je nach Temperatur- und Lastbedingungen unterschiedlich ist, d.h. „Bruchwiderstand“. Es ist schwierig, den Bruchwiderstand zu erfassen, da die Bruchmechanismen durch Zeitabhängigkeit, Nichtlinearität und zyklische Belastung beeinflusst werden.

Die Vielzahl der Wechselwirkungen zwischen Kriechen und Ermüdung erklärt, warum es bisher keine umfassenden Lehrbücher zur Bruchmechanik bei hohen Temperaturen gibt. Durch die Identifikation der „Bruchantriebskraft“ und des „Bruchwiderstands“ kann jedoch ein universelles Gesetz der Bruchmechanik abgeleitet werden, das die Komplexität dieser Faktoren berücksichtigt.

Ein bedeutendes ungelöstes Problem in der Bruchmechanik bei hohen Temperaturen stellt der Einfluss von Mikrostrukturen dar. Besonders bei kleinen Rissen, die durch die Mikrostruktur eines Materials stark beeinflusst werden, muss das Verhalten detaillierter untersucht werden.

Einfluss der Wechselwirkung zwischen Kriechen und Ermüdung auf die Rissausbreitung in Hochtemperaturmaterialien

In Hochtemperaturmaterialien, insbesondere bei einer Wechselwirkung zwischen Kriechen und Ermüdung, ergeben sich komplexe Effekte, die für die Materialermüdung und die Ausbreitung von Rissen von entscheidender Bedeutung sind. Die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Mechanismen führt zu einer Veränderung der Rissausbreitungsraten im Vergleich zu reinen Ermüdungs- oder Kriechprozessen. In der Praxis zeigt sich, dass diese Wechselwirkung oft zu einer beschleunigten Rissausbreitung führt, da der Kreislauf von Spannungslöschungen und Neubelastungen den Kriechspannungsbereich deutlich beeinflusst.

Im speziellen Fall von Kriecherschöpfung, die mit periodischen Entlastungen oder Kompressionshalbschwingungen verbunden ist, wurde festgestellt, dass die Neubelastung nicht nur die Kriechverzerrungsrate in der Nähe der Rissspitze beschleunigt, sondern auch die Rate der Rissausbreitung im Kriechzustand erhöht. Diese Entwicklung zeigt eine starke Korrelation zwischen der Geschwindigkeit der Rissausbreitung und dem J*-Wert oder dem Jc-Bereich in Zyklen der Ermüdung und Kriechversuche. Eine wichtige Beobachtung, die sich aus experimentellen Ergebnissen ergibt, ist, dass der Rissausbreitungsmechanismus in Zyklen der Kriechermüdung langsamer ist als in einem statischen Kriechversuch, obwohl beide die gleiche treibende Kraft für den Risswachstumsprozess aufweisen.

Erklärungen für diese Diskrepanz finden sich möglicherweise in der Erholung von Mikrorissen und Hohlräumen an der Rissspitze, die sich bei einer Kompression während eines Zyklus „heilten“. Diese Schäden, die sich durch die Dehnung im vorherigen Spannungszyklus gebildet haben, verschwinden durch die Kompression, was zu einer verringerten Rissausbreitung führt. In dieser Hinsicht ist noch unklar, wie genau diese mechanische Erholung funktioniert, jedoch zeigen experimentelle Daten, dass der Einfluss der Spannungsrückkehr und Kompression eine erhebliche Rolle spielt.

Die Einflüsse verschiedener Parameter wie die Spannungshaltenzeit und das Spannungsverhältnis (insbesondere die kompressive Spannung) sind bei der Untersuchung des Verhaltens von hochtemperaturbeständigen Materialien von zentraler Bedeutung. Es wurde empirisch versucht, diese Effekte mit einer speziellen Formel zur Schätzung der Erholungswirkung zu erfassen, jedoch bleibt diese Formel eine Annäherung, die weiter untersucht werden muss.

Wesentlich ist auch der Einfluss von vorbestehenden Schäden, die durch Kriech- und Ermüdungsprozesse verursacht wurden. Materialien, die keine anfänglichen Mängel aufweisen, können nach wiederholten Belastungen durch Kriechen oder Ermüdung eine Hauptspaltbildung erfahren, wobei präexistente Schäden die Rissausbreitung beeinflussen. Die sogenannte „Vorbeschädigung“ kann selbst in Zyklischer Ermüdung die Risswachstumsrate beeinflussen. Der Unterschied zwischen Materialien, die aufgrund von Kriechern und denen, die durch zyklische Ermüdung vorbeschädigt wurden, zeigt keine signifikante Änderung in der Beziehung zwischen der Risswachstumsrate und dem J-integralen Bereich. In beiden Fällen bleibt die mechanische Rissausbreitung weitgehend unverändert, obwohl das Vorhandensein von Mikrorissen die plastische oder kriechende Verformung des Materials beeinflussen kann.

Bei Materialien, die unter Bedingungen von Niedrigspannungsbelastung und ohne den Einfluss von Kompressionskriechen arbeiten, zeigen sich signifikante Veränderungen in der Rissausbreitung. Insbesondere in solchen Szenarien können zahlreiche kleine Risse und Hohlräume im Inneren des Materials entstehen, die zu einer volumetrischen Schädigung führen, die weit über die Oberflächenbeschädigung hinausgeht. Diese Art von Schäden ist besonders wichtig bei der Betrachtung von hochtemperaturbeständigen Legierungen, die in Umgebungen mit niedrigen Spannungen und extrem hohen Temperaturen eingesetzt werden.

Die Untersuchung des Verhaltens vorbeschädigter Materialien zeigt, dass kleine Risse, die an der Oberfläche eingeleitet wurden, zwar die Deformationseigenschaften beeinflussen, jedoch die grundlegenden Gesetze der Bruchmechanik in Bezug auf die Rissausbreitung nicht signifikant verändern. Dies unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung von Materialvorbelastungen und der Risshistorie, wenn man eine realistische Modellierung der Risswachstumsdynamik anstrebt.

Die Rolle von prä-existierenden Schäden in Materialien, die vor der eigentlichen Rissbildung bereits durch Kriechen und Ermüdung vorbelastet wurden, erfordert eine differenzierte Betrachtung. In realen Anwendungsszenarien sind die meisten Bauteile nach wiederholter Belastung bereits von Mikrorissen betroffen, die die fortschreitende Rissbildung und Ausbreitung beschleunigen können. Daher ist es von größter Bedeutung, dass für die Analyse von Rissausbreitung unter realen Betriebsbedingungen eine umfassende Betrachtung der Materialgeschichte und der Belastungshistorie einbezogen wird.

Die aktuelle Forschung stellt fest, dass der Einfluss von Vorbeschädigungen und die Unterschiede zwischen Kriech- und Ermüdungsmechanismen entscheidend für das Verständnis der Materialermüdung sind. Diese Wechselwirkungen erfordern die Entwicklung neuer Modelle und Ansätze zur Bewertung der Lebensdauer von Materialien, die hohen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt sind.

Wie der J-Integral als Parameter für Bruchpropagation in plastischen Körpern genutzt wird

Der J-Integral ist ein zentraler Parameter in der Bruchmechanik, insbesondere bei der Analyse von Rissen in plastischen Körpern. Dieser Integral repräsentiert die Intensität der Spannung und Dehnung in der Nähe des Rissspitzenbereichs. Es wird allgemein als eine Erweiterung der linearen elastischen Bruchmechanik verstanden und ermöglicht eine präzisere Untersuchung von Rissen in Materialien, die plastisches Verhalten zeigen.

Ein grundlegender Aspekt des J-Integrals ist seine Anwendung auf die Singularitäten in der Nähe der Rissspitze, die als HRR-Singularitäten (Hutchinson-Rice-Rosengren) bezeichnet werden. Diese Singularitäten entstehen aufgrund der unendlichen Spannung und Dehnung an der Spitze eines Risses, was zu einem exponentiellen Anstieg der Spannung und Dehnung führt. Das bedeutet, dass die Spannung an der Rissspitze ein Verhalten zeigt, das durch einen Exponenten bestimmt wird, der mit der Materialkonstanten nP zusammenhängt. Diese Singularität ist sowohl eine Herausforderung als auch eine wichtige Erkenntnis, um die Bruchpropagation besser zu verstehen.

Es wurde gezeigt, dass der J-Integral die Intensität dieser Singularitäten auf eine einzigartige Weise beschreibt und somit als eine Schlüsselgröße für die Stabilität der Risspropagation fungiert. In der Praxis bedeutet dies, dass die stabile Bruchpropagation in einem plastischen Körper von der Größe des J-Integrals abhängt. Diese Erkenntnis ist insbesondere für die Entwicklung von Materialien und für die Analyse von Rissen in praktischen Ingenieuranwendungen von großer Bedeutung.

Die Berechnung des J-Integrals in einem plastischen Körper kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Eine der gebräuchlichsten Methoden ist die finite-Elemente-Analyse, bei der die Spannung-Dehnungsbeziehung eines Materials in einem computergestützten Modell simuliert wird. Dies ist jedoch nur dann präzise, wenn eine genaue konstitutive Gleichung für das Material vorliegt. In Fällen, in denen eine präzise Modellierung schwierig ist, wurden experimentelle Methoden entwickelt, die auf Ladekennlinien basieren. Diese Methoden erlauben es, das J-Integral direkt aus den experimentellen Daten zu bestimmen.

Eine typische Methode zur Bestimmung des J-Integrals ist die Verwendung von Prüfstücken mit einem einzelnen Randriss, der unter Biegung belastet wird. Hierbei wird das J-Integral als Summe von linearen und nicht-linearen Komponenten dargestellt, wobei die nicht-lineare Komponente dominiert, wenn der J-Wert den größten Einfluss hat. Für Prüfstücke mit einem Zentrum-Riss unter Zugbelastung kann das J-Integral über die Ladekennlinie ermittelt werden, die eine direkte Beziehung zwischen der Rissöffnung und der aufgebrachten Last darstellt.

Ein weiteres nützliches Verfahren zur Bestimmung des J-Integrals ist die Anwendung des sogenannten Power-Law-Ansatzes. Dabei wird das J-Integral anhand der Last-Displacement-Kurve und der Rissöffnung bestimmt, wobei der exponentielle Zusammenhang zwischen den Materialparametern und der Rissgröße berücksichtigt wird. Dieses Verfahren ist besonders nützlich bei der Analyse von Rissen in dünnen Materialien oder bei Rissen mit großer Tiefe.

Ein besonders wichtiger Aspekt des J-Integrals ist seine universelle Anwendbarkeit. Während in der linearen Bruchmechanik die Bruchpropagation durch den Spannungsintensitätsfaktor K beschrieben wird, ist der J-Integral auch unter großen plastischen Verformungen von Bedeutung, bei denen der Spannungsintensitätsfaktor seine Gültigkeit verliert. Der J-Integral ist daher nicht nur auf kleine Risse beschränkt, sondern kann auch bei großen plastischen Zonen vor der Rissspitze verwendet werden.

Die Bruchzähigkeit eines Materials, gemessen durch die Größe des J-Integrals (JIC), ist ein wichtiger Parameter, um den Beginn der Risspropagation und die Stabilität des Materials unter erhöhten Lasten zu bestimmen. In einer linearen elastischen Körperanalyse wird die Bruchpropagation initiiert, wenn der Spannungsintensitätsfaktor einen kritischen Wert erreicht. Für Materialien, die großen plastischen Verformungen ausgesetzt sind, geht dieser kritische Wert in den J-Integral über, was die Notwendigkeit einer erweiterten Betrachtung bei der Materialanalyse unter großen Belastungen unterstreicht.

Neben der Untersuchung der Bruchpropagation in statischen Belastungszuständen ist der J-Integral auch von zentraler Bedeutung bei der Untersuchung von Ermüdungsrisswachstum. In diesem Zusammenhang wurde ein Zusammenhang zwischen der Risswachstumsrate und der Spannungsintensitätsfaktor-Spanne (ΔK) festgestellt. Dieser Zusammenhang beschreibt die Ermüdungsrissausbreitung unter zyklischer Belastung und wird häufig in der Ingenieurpraxis verwendet, um die Lebensdauer von Bauteilen zu bewerten. Besonders relevant in diesem Kontext ist die Unterscheidung zwischen der Effektivspannung ΔKeff, die die Schließung des Risses während der Entlastung berücksichtigt, und dem klassischen ΔK.

In der Ermüdungsanalyse zeigt sich, dass die Risswachstumsrate eine Potenzgesetz-Beziehung zur Spannungsintensitätsfaktor-Spanne aufweist. Diese Beziehung wird im zweiten Stadium des Risswachstums besonders wichtig, da die Rissausbreitung in diesem Stadium kontinuierlich und stabil verläuft. Im ersten Stadium, wenn die ΔK-Spanne unter einem bestimmten Schwellenwert liegt, wächst der Riss jedoch nicht weiter, was als Ermüdungsgrenze bezeichnet wird.

Mit zunehmendem Anstieg der Belastungen und der plastischen Zone vor der Rissspitze verliert die Spannungsintensitätsfaktor-Spanne ihre Wirksamkeit, und der J-Integral tritt als dominierender Parameter auf. Der zyklische J-Integral, der die Spanne zwischen dem maximalen und dem minimalen J-Wert berücksichtigt, beschreibt dann die Ermüdungsrissausbreitung in dieser Phase.

Die Kenntnis und präzise Anwendung des J-Integrals sind somit entscheidend für das Verständnis der Risspropagation in Materialien unter verschiedenen Belastungsbedingungen. Besonders in der Praxis der Materialwissenschaften und der Strukturmechanik ist die Fähigkeit, das Verhalten von Rissen unter verschiedenen Bedingungen zu modellieren, von wesentlicher Bedeutung für die Optimierung der Materialwahl und die Lebensdauerprognosen von Bauteilen.