Das Leben mit anhaltender Angst kann wie ein Kampf gegen den eigenen Körper wirken. Jeder Atemzug, jeder Schritt fühlt sich schwer an, als wäre der eigene Körper ein unüberwindbares Hindernis. Doch es gibt einen Weg, der es möglich macht, trotz der Schmerzen ein erfülltes Leben zu führen. Der Schlüssel liegt darin, die Prozesse zu verstehen, die uns in einem Zustand der Inflexibilität gefangen halten. Diese Inflexibilität hindert uns daran, mit unseren Ängsten und anderen psychischen Problemen gesund umzugehen.

Psychopathologie, oder die Frage, warum etwas schief läuft, erfordert eine Theorie. Eine gute Theorie der Therapie muss genau diese Frage beantworten: Was sind die zugrundeliegenden Prozesse, die zu den psychischen Problemen führen? Die Antwort liegt oft in der Wiederholung von unproduktiven Handlungen und Gedanken, die uns gefangen halten. Wir erwarten ein anderes Ergebnis, obwohl wir immer wieder das gleiche tun, und das erzeugt eine Sackgasse, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt.

In der psychologischen Forschung wurden sechs zentrale Prozesse identifiziert, die Menschen in ihrer Angst und in ihrem Festhalten an ungesunden Verhaltensmustern "festfahren". Diese Prozesse sind untrennbar miteinander verbunden und bilden einen Zyklus, der immer wieder von Neuem beginnt, wenn er nicht erkannt und durchbrochen wird. Diese sechs Prozesse sind:

  1. Anhaftung an das konzipierte Selbst – Die Vorstellung, wer wir sind, wird zu einer starren Identität. Wir definieren uns durch unsere Ängste und die damit verbundenen Gedanken. Diese Definition lässt uns glauben, dass wir nur durch diese Angst existieren, und es wird nahezu unmöglich, einen Weg aus diesem Zustand zu finden.

  2. Kognitive Fusion – Wir verschmelzen mit unseren Gedanken und erleben sie als die absolute Wahrheit. Ängstliche Gedanken erscheinen als unbestreitbare Fakten, die uns festhalten. Es ist, als ob wir uns in einem Film verlieren, der uns nicht loslässt, weil wir ihn für die Realität halten. Doch Gedanken sind lediglich Gedanken, und diese Trennung wieder zu lernen, ist der erste Schritt zur Befreiung.

  3. Erfahrungsvermeidung – Angst zu vermeiden, scheint ein natürlicher Instinkt zu sein. Doch die Gefühle, die uns Angst machen, sind Teil von uns. Wir können uns nicht von unserem eigenen Körper entfernen. Das Vermeiden von angstauslösenden Situationen scheint zunächst eine Lösung, doch langfristig verstärken wir damit die Angst, und das Leben wird immer kleiner. Sich dieser Tatsache zu stellen, bedeutet, sich mit dem Unangenehmen auseinanderzusetzen und es zu akzeptieren, ohne es zu verdrängen.

  4. Dominanz der konzipierten Vergangenheit und Zukunft – Wenn wir ständig in der Vergangenheit oder Zukunft leben, verpassen wir das Hier und Jetzt. Diese Flucht aus der Gegenwart verstärkt das Gefühl der Stagnation. Angst entsteht häufig, wenn wir uns auf vergangene Fehler oder zukünftige, unsichere Ereignisse konzentrieren. Doch das Leben kann nur im gegenwärtigen Moment gestaltet werden. Es erfordert ein Bewusstsein für die eigene Realität im Hier und Jetzt.

  5. Verlust des Kontakts mit den eigenen Werten – Wenn das Leben keinen tieferen Sinn zu haben scheint, verstärkt sich das Gefühl des Feststeckens. Häufig lebt man dann nicht das eigene Leben, sondern folgt den Erwartungen anderer – sei es der Familie, Freunden oder der Gesellschaft. Ein Leben, das nicht mit den eigenen Werten übereinstimmt, erscheint leer und unerfüllt. Es ist wichtig, sich wieder mit dem zu verbinden, was einem wirklich am Herzen liegt, um aus der Spirale der Entfremdung und Angst auszubrechen.

  6. Unwirksame Handlungen – Viele Menschen unternehmen immer wieder verzweifelte Versuche, ihre Ängste zu bekämpfen. Doch diese Anstrengungen bleiben meist fruchtlos. Statt neue Wege zu gehen, wiederholt man nur das, was nicht funktioniert hat. Dieser Teufelskreis führt zu Frustration und einer immer stärkeren Fixierung auf das Problem. Es ist entscheidend, neue Perspektiven und Handlungsansätze zu entwickeln, um aus diesem stagnierenden Zustand herauszukommen.

Diese sechs Prozesse wirken als Blockaden, die es uns schwer machen, Veränderungen vorzunehmen und das Leben aktiv zu gestalten. Sie sind nicht isoliert, sondern miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig. Ein zentraler Bestandteil der Therapie besteht darin, diese Prozesse zu erkennen und ihre Auswirkungen zu verstehen.

Der Weg zur Flexibilität und zur Überwindung dieser Blockaden führt über die Akzeptanz und das bewusste Handeln im Moment. Es geht darum, die Gedanken nicht als absolute Wahrheit zu betrachten, sich von der fixierten Vorstellung des eigenen Selbst zu lösen und sich mit den eigenen Werten und Zielen neu zu verbinden. Nur durch diese Schritte können wir aus dem Teufelskreis der Angst ausbrechen und ein erfülltes Leben führen.

Es ist von großer Bedeutung, sich klar zu machen, dass diese sechs Prozesse nicht als Schwächen oder Mängel betrachtet werden sollten. Sie sind vielmehr häufige und völlig normale menschliche Reaktionen auf Angst und Stress. Das Ziel ist nicht, sich selbst zu verurteilen, sondern zu erkennen, wie diese Prozesse das Leben beeinflussen und wie man sich selbst die Chance gibt, aus ihnen herauszutreten. Jeder Mensch hat das Potenzial, die Muster, die ihn festhalten, zu durchbrechen und ein Leben zu führen, das ihn erfüllt – auch wenn die Angst nie ganz verschwinden sollte. Es geht darum, einen anderen Umgang mit der Angst zu finden und sich nicht mehr von ihr definieren zu lassen.

Wie man sich von ängstlichen Gedanken befreit: Der Weg der Defusion

Viele Menschen glauben, dass ihre Gedanken die Realität bestimmen, dass sie von diesen Gedanken beherrscht werden und dass es unmöglich ist, gegen sie anzukämpfen. In vielen therapeutischen Ansätzen geht es darum, die Gedanken zu verändern oder zu bekämpfen. Doch was, wenn wir uns einfach von ihnen distanzieren könnten, anstatt mit ihnen zu ringen? Ein solcher Ansatz, bekannt als „Defusion“, ist eine der zentralen Techniken in der Acceptance and Commitment Therapy (ACT).

Defusion basiert auf der Idee, dass Gedanken keine festen Wahrheiten sind, sondern flüchtige mentale Ereignisse. Wir können uns von diesen Gedanken lösen, ohne sie zu bekämpfen oder zu verändern. Ein Beispiel: Ein Klient, der sich vor dem Gehen in den Park fürchtet, wurde von mir gebeten, sich auf das Sofa zu setzen und laut zu sagen: „Ich kann nicht zum Park gehen.“ Ich forderte sie auf, immer wieder diese Worte zu wiederholen und sich dabei zu bewegen, um zu zeigen, dass die Angst zwar real ist, die Gedanken jedoch nur Worte sind, die nichts anderes als Töne im Kopf darstellen. Der wahre Akt des Gehens zum Park wird durch diese Gedanken nicht aufgehalten.

In einer weiteren Übung können Klienten lernen, sich von ihren Gedanken zu distanzieren. Ein Gedanke wie „Ich bin ein schlechter Elternteil“ kann überwältigend wirken, wenn er direkt vor einem steht, wie ein Stück Papier, das man sich vor das Gesicht hält. Wenn man jedoch das Papier ein wenig beiseite legt, erkennt man, dass der Gedanke zwar noch da ist, aber nicht mehr so viel Raum einnimmt. Die Herausforderung besteht darin, sich nicht in den Gedanken zu verlieren, sondern den Raum zu vergrößern, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben.

Oft versuchen wir, uns von unangenehmen Gedanken zu befreien, indem wir sie bekämpfen: „Geh weg! Ich mag dich nicht!“ Doch diese Abwehrhaltung macht die Gedanken nur stärker und verankert sie noch tiefer. Viel effektiver ist es, die Gedanken zu erkennen und zu akzeptieren, dass sie da sind, ohne ihnen eine Macht über das eigene Handeln zuzugestehen. Der Gedanke „Ich bin ein schlechter Elternteil“ kann immer noch da sein, aber er muss nicht die Wahl bestimmen, ob man mit den Kindern spielt oder an einem Familienfest teilnimmt.

Der Schritt zur Defusion ist ein einfacher, aber tiefgehender Prozess: Anstatt sich in einen Gedanken zu verbeißen, kann man einfach beobachten, wie er vorbeizieht, ohne sich von ihm steuern zu lassen. Eine einfache Möglichkeit, dies zu üben, ist, einen störenden Gedanken zu notieren und sich dann bewusst zu fragen, was man ohne diesen Gedanken tun würde. Was wäre das nächste, was man tun könnte, wenn dieser Gedanke nicht die Kontrolle übernehmen würde? Vielleicht würde man mehr Zeit mit den Kindern verbringen oder ein bedeutungsvolles Projekt vorantreiben.

Ein weiterer Aspekt, der beim Umgang mit Gedanken wichtig ist, ist die Idee, dass Gedanken nicht die Realität abbilden, sondern nur mentale Repräsentationen sind. Wenn man dies anerkennt, verliert der Gedanke seine Fähigkeit, die Realität zu dominieren. In der ACT geht es nicht darum, den Gedanken zu ändern, sondern die Beziehung zu ihm zu verändern. Anstatt in eine endlose Diskussion mit dem Gedanken zu geraten, kann man einfach anerkennen: „Das ist nur ein Gedanke“ und sich dann dem widmen, was wirklich wichtig ist.

Im Vergleich zur traditionellen kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), die oft das Ziel verfolgt, Gedanken zu hinterfragen und zu widerlegen, sieht die ACT den Prozess der Defusion als effektiver an. In CBT geht es oft darum, falsche oder verzerrte Gedanken zu entlarven. Doch bei der Defusion wird der Gedanke nicht als etwas zu Bekämpfendes wahrgenommen, sondern als etwas, das einfach da ist. Das Ziel ist nicht, den Gedanken zu widerlegen, sondern sich von ihm zu lösen und den eigenen Handlungsraum wieder zu erweitern.

Ein häufiger Fehler, den Therapeuten machen, ist, in den Dialog mit den Gedanken des Klienten einzutreten, was oft zu einer stärkeren Verfestigung der Gedanken führt. Wenn ein Klient sagt: „Ich habe das schon versucht, es funktioniert nicht“, kann dies den Gedanken noch verstärken, da der Klient beginnt, gegen den Gedanken zu kämpfen, anstatt ihn einfach zu erkennen und sich von ihm zu distanzieren.

Wichtig ist, dass der Klient lernt, den Gedanken nicht zu bekämpfen, sondern zu beobachten, wie er einfach vorbeizieht. Indem man sich von den Gedanken löst, wird die Kontrolle über das eigene Handeln zurückgewonnen. Das Ziel ist, den Gedanken mit einem gewissen Abstand zu betrachten und sich wieder der wichtigen Aufgabe zu widmen, anstatt die ganze Energie in einen endlosen inneren Kampf zu stecken.

Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass Gedanken nicht die Kontrolle über das Leben übernehmen müssen. Sie sind einfach flüchtige mentale Ereignisse, die keine Macht über uns haben, außer der, die wir ihnen verleihen. Indem man lernt, sich von seinen Gedanken zu distanzieren, entsteht Raum für Handlungen, die im Einklang mit den eigenen Werten und Zielen stehen. Es geht nicht darum, den Gedanken zu verurteilen oder zu eliminieren, sondern ihm seinen Einfluss auf das Leben zu nehmen und die eigenen Entscheidungen und Handlungen wieder in die eigenen Hände zu legen.