In der politischen Theorie ist die Frage, wie eine Gesellschaft ihre Mitglieder auswählt und ausschließt, von entscheidender Bedeutung. Der Begriff der Solidarität ist dabei ein zentrales Element, das sowohl in nationalistischen als auch in nicht-nationalistischen Argumentationen zur Rechtfertigung von Ausschlüssen verwendet wird. Im Kontext der Demokratie und der politischen Gleichheit nimmt Solidarität eine Schlüsselrolle ein, wie Sarah Song in ihrer Analyse zur demokratischen Selbstbestimmung betont. Sie argumentiert, dass Solidarität ein Instrument der Demokratie darstellt, das notwendig ist, um die Legitimität eines demokratischen Systems zu gewährleisten. Die Bedeutung von Solidarität, so Song, liegt darin, dass sie gemeinsame Identifikation und das gegenseitige Vertrauen innerhalb einer politischen Gemeinschaft ermöglicht, was wiederum eine Voraussetzung für Selbstregierung ist.
Doch dieser Gedanke ist nicht unproblematisch. Die Verwendung von Solidarität zur Rechtfertigung von Ausgrenzung hat eine Reihe von Herausforderungen. Zum einen kann eine solche Sichtweise dazu führen, dass diejenigen, die nicht in das national definierte Bild einer Gemeinschaft passen, ausgeschlossen werden. Kritiker bemängeln, dass das Konzept der Solidarität in der nationalistischen Theorie oft zu einer Form der politischen Exklusion führt, die bestimmte Gruppen innerhalb der Gesellschaft entwertet und marginalisiert. Diese Kritik beruht auf der Annahme, dass Solidarität nicht nur als ein Instrument zur Förderung des Zusammenhalts innerhalb einer Gesellschaft dient, sondern auch als eine Form der Macht, die dazu verwendet wird, Differenzen zu unterdrücken.
Die Frage der Ausgrenzung wird komplexer, wenn man die Beziehung zwischen den Rechten der Mitglieder einer Gesellschaft und den Rechten derjenigen betrachtet, die außerhalb dieser Gesellschaft stehen. Diejenigen, die das Recht auf Ausschluss verteidigen, stützen sich oft auf die Annahme, dass Solidarität innerhalb einer Gesellschaft das Fundament für politische Entscheidungsprozesse bildet. Doch das Problem, das hier entsteht, ist die Herausforderung, die moralische Basis der Solidarität als ausschließendes Kriterium zu legitimieren. Das Argument, dass Solidarität ein moralisches Gut für eine Gesellschaft darstellt, ist ein starkes, aber nicht notwendigerweise ein ausreichendes Argument für die Rechtfertigung von Ausgrenzung. Es stellt sich die Frage, ob der Ausschluss von Nicht-Mitgliedern gerechtfertigt ist, nur weil eine Gesellschaft ein starkes Gefühl der Solidarität pflegt.
Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass viele Gesellschaften ohne eine ausgeprägte Solidarität oder eine einheitliche nationale Identität existieren können. Dies trifft insbesondere auf postkoloniale Staaten zu, die ohne ein starkes gemeinsames Solidaritätsgefühl gegründet wurden. Diese Gesellschaften, obwohl sie möglicherweise weniger gemeinsam teilen als andere, die eine klar definierte nationale Identität besitzen, haben dennoch das Potenzial, effizient und gerecht zu sein und ihre demokratischen Prozesse ebenso erfolgreich wie andere Gesellschaften zu gestalten. Der moralische Imperativ, der die Gesellschaften dazu bringt, Ausgrenzung zu rechtfertigen, darf daher nicht nur auf das Vorhandensein von Solidarität reduziert werden.
Die Herausforderung besteht darin, zu verstehen, warum eine Gesellschaft, die auf Vielfalt und nicht auf gemeinsamen kulturellen oder historischen Merkmalen basiert, ebenso das Recht auf Ausgrenzung beanspruchen können sollte wie eine Gesellschaft, die auf einem gemeinsamen Identitätsgefühl beruht. Es ist problematisch, eine Gesellschaft auf die gleiche moralische Grundlage zu stellen, die ausschließlich auf gemeinsamen Symbolen oder kulturellen Merkmalen wie Flaggen und Nationalhymnen basiert. Eine Gesellschaft, die diese Symbole verliert, würde dennoch nicht automatisch das Recht verlieren, über ihre Grenzen zu entscheiden.
In diesem Zusammenhang hat Sarah Song eine differenzierte Sicht auf Solidarität entwickelt. Sie sieht Solidarität nicht als etwas, das nur auf der Anerkennung gemeinsamer Werte basiert, sondern auch auf der Anerkennung und dem Respekt gegenüber der Vielfalt innerhalb einer Gesellschaft. Dennoch bleibt das Problem bestehen, dass diese Solidarität immer noch an die politische Struktur und die Haltung zur Exklusion gebunden ist. Wenn Solidarität dazu verwendet wird, den Ausschluss von Nicht-Mitgliedern zu rechtfertigen, müssen wir uns die Frage stellen, warum dieser Ausschluss notwendig ist. Ein gesellschaftliches Verständnis von Solidarität allein reicht nicht aus, um den Ausschluss moralisch zu legitimieren.
Diese Überlegungen werfen grundlegende Fragen auf, die in der politischen Theorie und Ethik immer wieder auftauchen: Wann ist es gerechtfertigt, die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft oder Nation zu beschränken? Welches moralische Fundament sollte die Ausgrenzung stützen, wenn es nicht auf Solidarität beruht? Der Schlüssel liegt möglicherweise nicht in der Betonung von Solidarität, sondern in der Anerkennung der politischen Verantwortung und der Rechte, die eine Gesellschaft als selbstbestimmte politische Gemeinschaft innehat.
Das Verständnis von Solidarität als Grundlage für Ausschluss muss differenziert betrachtet werden. Der moralische Wert einer Gemeinschaft kann nicht ausschließlich durch den Grad der Solidarität bestimmt werden, den ihre Mitglieder miteinander teilen. Stattdessen sollte der Fokus auf den politischen Mechanismen liegen, die bestimmen, wer in eine Gesellschaft aufgenommen oder ausgeschlossen wird. Die politische Legitimität des Ausschlusses muss auf der Fähigkeit der Gesellschaft beruhen, ihre politischen und moralischen Prinzipien zu wahren, ohne sich auf ein vereinfachtes Konzept von Solidarität zu stützen.
Wie beeinflusst die Moral in der Migrationstheorie die globale Gerechtigkeit?
Die Diskussion über Migration und ihre ethischen Implikationen ist nicht neu, und sie zieht sich wie ein roter Faden durch die politische und philosophische Theorie. Die Frage, wie die Staaten ihre Grenzen ziehen sollten und welches moralische Recht sie haben, Migration zu kontrollieren, ist eng mit der Frage verbunden, wie Gerechtigkeit auf globaler Ebene verstanden und angewendet werden kann. Die Migrationstheorie befasst sich mit der Frage, ob es einen universellen moralischen Anspruch auf Freiheit der Bewegung gibt oder ob die Zuständigkeiten von Staaten ausreichen, um Migration zu regulieren.
In der politischen Theorie sind sich viele einig, dass Freiheit von Bewegung ein fundamentales Recht des Individuums ist. Diese Freiheit ist jedoch nicht absolut und kann durch den Anspruch eines Staates auf Souveränität über sein Territorium eingeschränkt werden. Doch das Konzept der Souveränität wird zunehmend hinterfragt, vor allem in einer Zeit, in der internationale Ungleichheit und die Flucht vor Verfolgung immer globalere Ausmaße annehmen. Kritiker dieses Modells betonen, dass Staaten, die Migration regulieren oder abschotten, die moralische Verantwortung für die globalen Missstände und die daraus resultierenden Flüchtlingsströme übernehmen müssen.
Ein entscheidender Punkt in dieser Diskussion ist die Anerkennung der politischen und sozialen Verantwortung von Staaten gegenüber den Flüchtlingen und Migranten. Der Philosoph Michael Walzer spricht in seiner Theorie der Gerechtigkeit von den "Sphären der Gerechtigkeit", in denen er die Rolle von Staaten als Hüter von Rechten und Pflichten gegenüber ihren Bürgern und der Weltgemeinschaft beschreibt. Migranten sind dabei nicht einfach als "Andere" zu sehen, sondern als vollwertige Mitglieder einer globalen Gemeinschaft, deren Bedürfnisse und Rechte ebenso respektiert werden müssen wie die der Staatsbürger.
Es wird argumentiert, dass Staaten, die sich weigern, Migranten aufzunehmen oder ihnen Asyl zu gewähren, nicht nur gegen die Rechte dieser Migranten verstoßen, sondern auch gegen grundlegende Prinzipien der Gerechtigkeit und der menschlichen Solidarität. Dieser moralische Imperativ rührt von der Vorstellung her, dass niemand freiwillig aus seiner Heimat flieht, ohne schwerwiegende Gründe. Oft geht es um Leben und Tod, um die Möglichkeit, in einer sicheren Umgebung zu überleben, und um die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Doch die Migration wird auch als ein Problem der politischen Theorie und der Gerechtigkeit in nicht idealen Umständen betrachtet. Wie kann eine gerechte Lösung für Migration in einer Welt aussehen, in der die Staaten unterschiedliche soziale, wirtschaftliche und politische Bedingungen haben? Die Herausforderung besteht darin, Gerechtigkeit nicht nur als abstraktes Prinzip zu betrachten, sondern auch als etwas, das in realen, oft konfliktreichen politischen und sozialen Kontexten angewendet werden muss.
Die Frage der Gerechtigkeit wird auch im Zusammenhang mit dem Recht auf Asyl und den Bedingungen, unter denen es gewährt wird, gestellt. Asyl ist in vielen Fällen eine Antwort auf existenzielle Bedrohungen, die durch Krieg, Verfolgung oder Naturkatastrophen verursacht werden. Es stellt sich die Frage, ob Staaten ein Recht haben, Asylbewerber aus Gründen der nationalen Sicherheit oder aufgrund begrenzter Ressourcen abzulehnen. Während die Sicherheit eines Staates wichtig ist, wird diese oft als weniger gewichtig erachtet als die Menschenrechte der Individuen, die vor Verfolgung fliehen.
Im Zusammenhang mit Migration wird auch häufig die Diskussion über den Begriff der Zugehörigkeit geführt. Wer gehört zu einer politischen Gemeinschaft? Wie kann diese Zugehörigkeit in einer offenen und gerechten Gesellschaft definiert werden? Es gibt zahlreiche Theorien, die das Konzept der Zugehörigkeit aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen, von nationalistischen bis hin zu kosmopolitischen Perspektiven. Dabei wird häufig die Frage gestellt, ob das Konzept der Staatsbürgerschaft als exklusives Kriterium für Zugehörigkeit überhaupt noch zeitgemäß ist. Sollte es nicht vielmehr die Grundlage für eine inklusive, weltbürgerliche Perspektive geben, die auch die Bedürfnisse und Rechte von Migranten anerkennt?
In der Migrationstheorie gibt es auch eine wichtige Debatte über die Verantwortung von wohlhabenden Ländern gegenüber denjenigen, die in Armut leben oder vor politischer Verfolgung fliehen. Einige Philosophien, wie die von Thomas Pogge, vertreten die Ansicht, dass wohlhabende Staaten, die von globaler Ungleichheit profitieren, eine besondere Verantwortung haben, denjenigen zu helfen, die aus diesen Ungerechtigkeiten fliehen. Dies könnte durch die Schaffung gerechterer Einwanderungspolitiken und durch die Erhöhung der Unterstützung für Flüchtlinge und Migranten auf globaler Ebene geschehen.
Letztlich ist Migration nicht nur ein politisches oder wirtschaftliches Thema, sondern auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit. Sie stellt eine Herausforderung für die politischen und moralischen Theorien dar, die unseren Umgang mit den Schwächeren und Benachteiligten in der Welt bestimmen. Es ist wichtig, dass diese Theorien nicht nur die Rechte der Staatsbürger schützen, sondern auch die Rechte derjenigen, die durch keine Schuld ihr Heimatland verlassen müssen, und die Möglichkeit erhalten, in Sicherheit und Würde zu leben.

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