In modernen Demokratien, wie beispielsweise den Vereinigten Staaten, ist die Funktionsweise des politischen Systems im Wandel begriffen. Ein wesentlicher Aspekt dieses Wandels ist, dass die Fähigkeit der Kandidaten, private Gelder zu sammeln, zunehmend die Voraussetzung dafür wird, in den politischen Wettkampf einzutreten – auch schon bei den Vorwahlen. Dieser Wandel hat weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis von Repräsentation und dem Verhältnis zwischen Wählern und ihren gewählten Vertretern. Bernard Manin beschreibt diese Entwicklung als das Ende der „Parteiendemokratie“ und interpretiert sie als eine Übergangsphase zwischen dem Parlamentarismus des 19. Jahrhunderts und dem heutigen Zustand, den er als „Publikumsdemokratie“ bezeichnet. In dieser neuen Form der Demokratie rückt der „persönliche Charakter“ der Beziehung zwischen dem Abgeordneten und seinen Wählern in den Vordergrund. Das Bild des politischen Vertreters wird immer mehr von einer Art „öffentlichem Auftritt“ geprägt, bei dem es nicht mehr nur um politische Programme, sondern auch um das persönliche Image und die mediale Präsenz des Politikers geht.

Dieser Wandel wird von einigen Theoretikern als Teil eines umfassenderen Trends hin zu einer neuen Art von Demokratie verstanden. Der französische Historiker und Politikwissenschaftler Pierre Rosanvallon spricht in diesem Zusammenhang von einer „Demokratie der Aneignung“ (démocratie d’exercice). Er fordert einen Übergang von der traditionellen „Demokratie der Autorisierung“, die stark von politischen Parteien geprägt ist, hin zu einer Form, bei der die Bürger aktiver in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden werden. Eine der Lösungen, die Rosanvallon vorschlägt, ist die Schaffung neuer Institutionen, die in der Lage sind, die Regierung zu überwachen und ihre Handlungen zu bewerten. Dies könnte beispielsweise durch die Einrichtung von Gremien geschehen, die von den Bürgern selbst gewählt oder durch Losverfahren bestimmt werden, um sicherzustellen, dass die politische Entscheidungsfindung nicht mehr ausschließlich in den Händen von Parteien und Berufspolitikern liegt.

Ein weiterer wichtiger Ansatz zur Verbesserung der demokratischen Praxis wird von Dominique Rousseau in seinem Werk zur Radikalisierung der Demokratie formuliert. Rousseau schlägt vor, dass Bürgerkonventionen mit einer festen Mitgliederzahl, die zufällig ausgewählt werden, zur Norm werden sollten. Diese Gremien hätten die Aufgabe, normative Vorschläge zu öffentlichen Themen zu erarbeiten und so die demokratische Beteiligung der Bürger zu intensivieren. Das Konzept der „Zufallsauswahl“ ist dabei entscheidend, um die Gefahr der politischen Vereinseitigung und der Kontrolle durch einflussreiche Eliten zu vermeiden.

Die Entwicklung in verschiedenen Ländern zeigt unterschiedliche Wege zur Förderung der Bürgerbeteiligung. In der Schweiz, zum Beispiel, haben Bürger das Recht, durch die Unterzeichnung von Petitionen und Referenden direkt in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen. Ein Volksreferendum kann in der Schweiz mit der Unterstützung von 50.000 Bürgern auf den Weg gebracht werden, was etwa 0,75 Prozent der erwachsenen Bevölkerung entspricht. Diese Form der direkten Demokratie bietet den Bürgern eine echte Möglichkeit, die politischen Entscheidungsträger herauszufordern und den politischen Prozess aktiv mitzugestalten. Die Schweiz fungiert daher als eine Art „Labor“ für die demokratische Praxis, das für andere Länder als Modell dienen könnte.

In Frankreich wurde die direkte Demokratie schon früh institutionalisiert. Bereits die Verfassung von 1793 sah vor, dass ein Zehntel der Wähler aus mindestens der Hälfte der Departements ein Gesetz, das vom Parlament verabschiedet wurde, zur Volksabstimmung bringen kann. Diese Tradition der direkten Demokratie lebt in der heutigen Praxis fort. Ein aktuelles Beispiel für die Anwendung dieses Mechanismus war der erfolgreiche Versuch, durch ein Referendum den Verkauf des französischen Flughafenkonzerns Aéroports de Paris zu verhindern. Auch in anderen Ländern, wie Italien, ist die direkte Demokratie von zunehmender Bedeutung, auch wenn die Hürden für Bürgerinitiativen oft sehr hoch sind.

Es gibt jedoch auch Schattenseiten dieser Entwicklungen. Der Zugang zu politischen Prozessen ist häufig durch erhebliche finanzielle und organisatorische Hürden beschränkt. In Ländern wie Italien ist das Sammeln von Hunderttausenden von Unterschriften für eine Volksabstimmung eine logistische und finanzielle Herausforderung, die weit über die Möglichkeiten gewöhnlicher Bürger hinausgeht. Plattformen wie Change.org, die das Sammeln von Unterschriften online ermöglichen, haben dieses Verfahren zwar erleichtert, doch bleibt die Frage, wie weit diese Form der Beteiligung tatsächlich zu einer breiten und inklusiven Demokratie führt.

Nicht zuletzt zeigen sich auch in den USA, einem Land, das für seine demokratische Tradition bekannt ist, Herausforderungen in der praktischen Umsetzung von Volksinitiativen und Recall-Verfahren. Während es in einigen Bundesstaaten wie Kalifornien möglich ist, ein politisches Amt durch ein Recall-Verfahren abzuberufen, stellt sich die Frage, inwieweit diese Verfahren tatsächlich zu einer stärkeren Bürgerbeteiligung führen oder eher in den Händen politischer Eliten verbleiben. Das Beispiel des kalifornischen Recall-Verfahrens von 2003, bei dem Arnold Schwarzenegger mit mehr als 3,7 Millionen Stimmen zum Gouverneur gewählt wurde, verdeutlicht, wie leicht der Zugang zur politischen Macht durch finanzielle Mittel beeinflusst werden kann.

Die Entwicklung hin zu einer „Publikumsdemokratie“, in der die politischen Vertreter zunehmend wie öffentliche Persönlichkeiten behandelt werden, stellt die Frage nach der Authentizität und dem tatsächlichen Einfluss der Wähler. In einer Zeit, in der die Fähigkeit, Kampagnenmittel zu mobilisieren, die politische Realität bestimmt, müssen neue Formen der demokratischen Beteiligung und der Bürgerkontrolle entwickelt werden, um sicherzustellen, dass die Stimme des Volkes nicht nur zu symbolischen Zwecken gehört wird, sondern tatsächlich Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung hat.

Wie das Ende öffentlicher Finanzierung die Demokratie gefährdet: Italien und die USA im Vergleich

Die öffentliche Finanzierung der Demokratie wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder in Frage gestellt. In Italien, wo das System ursprünglich 1974 eingeführt wurde, um die Parteien von der Beeinflussung durch private Geldgeber zu befreien, ist die öffentliche Finanzierung mittlerweile beinahe verschwunden. Dies ist besonders in den letzten Jahren nach der Einführung des „2 per thousand“-Systems im Jahr 2014 sichtbar geworden, bei dem das Steuersystem verwendet wird, um Parteien in Übereinstimmung mit den Präferenzen der Steuerzahler zu finanzieren. Doch diese vermeintlich demokratische Lösung hat sich als unzureichend und sogar kontraproduktiv erwiesen. Die Gelder, die durch dieses System generiert werden, sind so gering, dass die politische Landschaft zunehmend von den Interessen der Reichen dominiert wird. Während die Mittel, die für Parteien zur Verfügung gestellt werden, in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Spanien noch deutlich höher sind, ist Italien auf ein unzureichendes Maß gesunken, das kaum ausreicht, um das politische Leben zu finanzieren.

Bereits 2007, als das Buch „La Casta“ von den Journalisten des Corriere della Sera veröffentlicht wurde, begannen massive Proteste gegen das System der Parteienfinanzierung. Das politische Klima, das durch die Korruption während des Tangentopoli-Skandals und die populistische Welle rund um Beppe Grillo und die Fünf-Sterne-Bewegung erschüttert wurde, führte zu einer weitreichenden Ablehnung öffentlicher Finanzierung. Grillos Bewegung – die sich als unpolitisch und auf Anti-Korruptionsplattformen stützte – widersetzte sich der öffentlichen Finanzierung von Parteien, obwohl sie selbst Anspruch auf diese Mittel gehabt hätte. Dieser Widerstand fand schließlich in der Abschaffung der öffentlichen Finanzierung 2014 seinen Höhepunkt. Doch das neue private Finanzierungssystem, das an ihre Stelle trat, brachte keineswegs die erhoffte Veränderung. Im Gegenteil, es stärkte das bestehende politische Establishment und begünstigte jene, die ohnehin über die finanziellen Mittel verfügten, um die politische Agenda zu bestimmen.

In diesem neuen System wurde die politische Finanzierung durch private Spenden ersetzt, wobei der Staat lediglich eine marginale Rolle spielte. Das „2 per thousand“-System, bei dem Steuerzahler einen kleinen Teil ihrer Steuererklärung an politische Parteien spenden können, ist eine veraltete und unzureichende Lösung, die den Zugang zu politischen Mitteln vor allem den Wohlhabenden garantiert. Dies führt zu einer gefährlichen Ungleichheit, bei der die politischen Interessen der Reichen überproportional berücksichtigt werden, während die der ärmeren Bevölkerung faktisch nicht gehört werden. Das Resultat ist eine zunehmende Entkopplung der Demokratie von den realen Bedürfnissen der breiten Bevölkerung.

Der dramatische Rückgang öffentlicher Mittel hat direkte Folgen für die Funktionsweise der Parteien und deren Fähigkeit, ihre politische Arbeit unabhängig zu gestalten. Ohne ausreichende öffentliche Mittel müssen Parteien auf private Geldgeber angewiesen sein, die nicht nur in ihrer politischen Ausrichtung beeinflussen, sondern deren Interessen letztlich auch in den politischen Entscheidungsprozess einfließen. Das Vertrauen in die Demokratie und die Parteien schwindet, und der Eindruck, dass politische Entscheidungen zunehmend durch die Geldmittel bestimmter Interessengruppen diktiert werden, wächst.

Vergleicht man diese Entwicklung mit der Situation in den Vereinigten Staaten, so zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Auch hier begann die Abschaffung öffentlicher Finanzierung, nachdem 2008 der damalige Präsidentschaftskandidat Barack Obama auf die staatliche Finanzierung seiner Wahlkampagne verzichtete, um unbegrenzt Geld aus privaten Quellen zu sammeln. Obama, der es sich leisten konnte, diese Entscheidung zu treffen, setzte einen Prozess in Gang, der zu einer weitgehenden Aufgabe des Systems der öffentlichen Finanzierung in den USA führte. Diese Entscheidung, die es ihm ermöglichte, mehr Geld für den Wahlkampf zu sammeln als sein Gegner John McCain, war der Beginn des Endes eines Systems, das bis dahin als eine Möglichkeit galt, die Unabhängigkeit der Politik von privaten Geldgebern zu gewährleisten.

Seitdem haben alle Präsidentschaftskandidaten die öffentliche Finanzierung abgelehnt und sich auf private Spenden verlassen. Dies hat zu einer noch stärkeren Kommerzialisierung der Politik geführt und die Gefahr verstärkt, dass politische Entscheidungen nicht mehr im Interesse der breiten Bevölkerung, sondern in dem der Wohlhabenden getroffen werden. Auch hier wird die Politik zunehmend von den Geldmitteln dominiert, und es entsteht der Eindruck, dass nur diejenigen, die über die finanziellen Mittel verfügen, Zugang zur politischen Macht haben.

Die wachsende Dominanz von privaten Interessen in der Politik stellt nicht nur die Grundlage der Demokratie infrage, sondern auch die Fairness der politischen Prozesse selbst. In beiden Ländern – Italien und den USA – ist die öffentliche Finanzierung der Demokratie weitgehend verschwunden, und die politische Landschaft wird zunehmend von denen bestimmt, die in der Lage sind, private Mittel zu mobilisieren. Dies führt zu einer Verzerrung der politischen Repräsentation, bei der die Stimmen der wohlhabenden Elite lauter sind als die der breiten Bevölkerung.

Neben den offensichtlichen finanziellen Ungleichgewichten, die dieses System erzeugt, ist es auch wichtig zu verstehen, dass die Schaffung eines fairen und gerechten politischen Systems weit mehr erfordert als nur die Umverteilung von Geldern. Es erfordert eine tiefgreifende Veränderung der politischen Kultur und der Art und Weise, wie Demokratie verstanden und praktiziert wird. Es reicht nicht aus, lediglich öffentliche Gelder bereitzustellen; es muss auch sichergestellt werden, dass diese Gelder gerecht verteilt und für die Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung genutzt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass politische Parteien nicht nur auf private Spenden angewiesen sein sollten, sondern auch die öffentliche Finanzierung so gestaltet werden muss, dass sie die Interessen der breiten Bevölkerung widerspiegelt.

Es ist entscheidend, sich bewusst zu machen, dass Demokratie nicht nur durch das Vorhandensein von Wahlen oder die Möglichkeit, Politiker zu wählen, definiert wird. Eine echte Demokratie erfordert auch die Möglichkeit, dass jeder Bürger Zugang zu politischen Entscheidungen hat, ohne durch finanzielle Barrieren oder private Interessen benachteiligt zu werden. In diesem Kontext wird die öffentliche Finanzierung zu einem grundlegenden Element, das sicherstellt, dass die politische Repräsentation nicht durch die Fähigkeit, Spenden zu sammeln, verzerrt wird.

Warum wirtschaftliche Ungleichheit die politische Spaltung in den USA verschärft

In den letzten Jahrzehnten hat die wirtschaftliche Lage der am wenigsten privilegierten sozialen Gruppen in den USA dramatisch verschlechtert. Trotz eines gesamtwirtschaftlichen Wachstums von 59 Prozent über vierzig Jahre hinweg, profitieren die unteren 50 Prozent der Bevölkerung kaum davon. Im Gegenteil, ihre ökonomische Situation ist sogar gesunken. Während die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung ein Wachstum von 115 Prozent verzeichneten, schrumpfte das Einkommen der ärmsten Hälfte um 1 Prozent. Diese wirtschaftliche Spaltung hat nicht nur materiellen, sondern auch politischen Einfluss. Die politische Kluft in den USA, insbesondere zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten, zeigt deutlich die tiefen Ressentiments der sozial benachteiligten Wähler.

Es ist daher wenig überraschend, dass gerade die am stärksten benachteiligten Wählergruppen, die von einer besseren Umverteilung profitieren würden, regelmäßig gegen höhere Steuern und soziale Wohlfahrtsmaßnahmen stimmen. In vielen dieser ländlichen Gebiete wird die politische Einstellung durch ein stark ausgeprägtes „rural consciousness“ geprägt, das von der Wahrnehmung einer Entfremdung der ländlichen Bevölkerung von den städtischen Eliten durchzogen ist. Diese Diskrepanz wird von politisch aktiven Wissenschaftlern wie Katherine Cramer thematisiert, die in Wisconsin, einem besonders armen und von wirtschaftlicher Ungleichheit geprägten Bundesstaat, die soziale Mentalität untersuchte. In ihren Analysen wird deutlich, dass die wirtschaftliche Benachteiligung mit einer tiefen kulturellen und moralischen Haltung gekoppelt ist.

Der Kern dieses Konflikts lässt sich durch das Konzept des „Verdienstes“ erklären. Viele der ländlichen Wähler, die vor allem weiße Arbeiter sind, sehen jede Form der Umverteilung als eine ungerechte Unterstützung für arme, oft als „unverdient“ empfundene Menschen. Dabei fühlen sie sich selbst als die wahren Träger des „amerikanischen Traums“ und sind davon überzeugt, dass ihre harte Arbeit, ihre Werte und ihre Bemühungen zu wenig anerkannt werden. Diese Sichtweise hat tief verwurzelte kulturelle und ideologische Komponenten. Die Vorstellung, dass „die Verdienten“ (die hart arbeitenden Amerikaner) gegen die „Faulen“ (die von Sozialhilfe abhängigen, „unwürdigen“ Menschen) kämpfen, hat sich im politischen Diskurs tief eingegraben.

Diese politischen Überzeugungen widersprechen jedoch den realen wirtschaftlichen Bedingungen. Trotz ihrer Missstände und der Tatsache, dass sie systematisch von den Früchten des Wachstums ausgeschlossen wurden, sehen diese Wähler nicht die Reichen als die Hauptverursacher ihrer Probleme. Sie glauben vielmehr, dass es die Armen sind, die von Umverteilungsmaßnahmen profitieren – und dass sie selbst, die sie als die wahren „Verdienten“ betrachten, bei der Verteilung des Wohlstands systematisch übersehen werden. Dies führt zu einer paradoxerweise oft pro-konservativen Haltung, bei der die betroffenen Wähler gegen eine Umverteilung von Wohlstand und Macht stimmen, obwohl dies zu ihren eigenen Gunsten gereichen würde.

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel für diese widersprüchliche Haltung findet sich in der politischen Landschaft von Louisiana. Die Bevölkerung dieses Bundesstaates, die besonders unter den Folgen von Umweltverschmutzung leidet, unterstützt dennoch eine Partei, die sich gegen staatliche Regulierungen und zugunsten der großen Unternehmen ausspricht, die die Umwelt verschmutzen. Dies mag auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, doch die Wähler in Louisiana empfinden diese Regulierungen als eine Belastung für die schwächeren Teile der Gesellschaft, während die Stärkeren, also die großen Unternehmen, von den Vorschriften kaum betroffen sind. Diese Wahrnehmung der Ungerechtigkeit und die Konfrontation von Werten hat die politische Meinung tief geprägt und führt zu einer zunehmenden Entfremdung der Arbeiterklasse von den politischen Eliten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die zunehmende Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Ordnung und der wirtschaftlichen Realität. Während die oberen Schichten weiterhin von einer wachsenden Wirtschaft profitieren, fühlen sich die unteren Schichten durch diese Entwicklung benachteiligt. Das Gefühl, übergangen und vergessen zu werden, ist in den ländlichen Gebieten besonders ausgeprägt, was den Rückhalt für rechte populistische Bewegungen wie die Tea Party erklärt. Diese Bewegungen, die im Namen des „Meritokratismus“ auf eine Rückkehr zu den ursprünglichen Werten der amerikanischen Gesellschaft pochen, nehmen eine zentrale Rolle in der politischen Rhetorik ein. In ihren Augen ist der „amerikanische Traum“ zu einem Mythos verkommen, und der Glaube an das individuelle Verdienst scheint den sozialen Zusammenhalt zu ersetzen.

Doch die tiefer liegende Frage bleibt: Warum ignorieren diese Wähler die wirtschaftlichen Argumente, die für eine gerechtere Umverteilung von Wohlstand sprechen? Warum wählen sie oft Parteien, die gerade jene Maßnahmen ablehnen, die ihren Lebensstandard verbessern könnten? Ein Grund liegt sicherlich in der tief verankerten Vorstellung von Verdienst und Moral. Diese Überzeugungen sind jedoch von den realen wirtschaftlichen Bedingungen weit entfernt. So entsteht ein weiteres Paradox: Die ländlichen Wähler, die am meisten von sozialer Unterstützung und Umverteilung profitieren würden, wenden sich von diesen Konzepten ab und setzen stattdessen auf eine politische Rhetorik, die den gesellschaftlichen Wandel eher verzögert als vorantreibt.

Neben der Wahrnehmung von sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Ungleichheit ist es entscheidend, dass die politischen Bewegungen in den USA die Frage der Repräsentation aufgreifen. Die Arbeiterklasse fühlt sich nicht nur von den wirtschaftlichen Prozessen ausgeschlossen, sondern auch von der politischen Debatte selbst. Die Medien und die politische Klasse sind zu oft von einer „elitistischen“ Perspektive geprägt, die die Bedürfnisse und Sorgen der weniger privilegierten Wähler nicht ernst nimmt. Eine erfolgreiche politische Strategie muss daher neben wirtschaftlichen Aspekten auch das Problem der Repräsentation und der symbolischen Anerkennung der unteren sozialen Schichten adressieren.