Es ist eine gängige Erfahrung: Man wird von den eigenen Gedanken mitgerissen, ohne dass man es wirklich merkt. Oft geschieht dies schleichend, sodass wir, bevor wir es überhaupt bemerken, bereits mehrere "Meilen" auf der Strecke des Gedankens zurückgelegt haben. Der Trick besteht darin, dieses automatische Mitgerissenwerden zu bemerken, selbst wenn wir bereits tief in einem Gedankenstrudel verstrickt sind. Die Kunst der "Defusion" aus den eigenen Gedanken zielt darauf ab, sich von diesem inneren "Fahrzeug" zu lösen und eine neue Perspektive einzunehmen. Eine Möglichkeit, dies zu üben, besteht darin, sich vorzustellen, dass man sich über den Zug der Gedanken erhebt – sich in den Himmel erhebt und den Zug von oben betrachtet, ohne in ihn einzutauchen. Man erkennt, dass dieser Zug – der Gedanke – einfach nur seinen Weg geht, ohne dass er mit dem eigenen Selbst identifiziert wird.

Wenn wir diese Perspektive einnehmen, ist es wahrscheinlich, dass wir früher oder später wieder in den Zug der Gedanken zurückgezogen werden, oder in einen anderen, der uns ebenso festhält. Doch der Schlüssel liegt darin, immer wieder zu bemerken, dass wir mit unseren Gedanken mitgerissen werden, und uns bewusst von ihnen zu lösen, um die Kontrolle zurückzugewinnen. Mit Übung wird es möglich, mehrere "Züge" gleichzeitig zu erkennen, die in unterschiedliche Richtungen fahren. Manchmal kreuzen sich ihre Gleise, und wir beginnen, gegen bestimmte Gedanken zu kämpfen oder sie zu verdrängen. In diesen Momenten ist es wichtig, eine Haltung der Neugier und des Humors zu entwickeln und den Drang loszulassen, diese Gedanken zu kontrollieren oder zu stoppen. Der Versuch, einen Güterzug zu stoppen, wird uns nur erschöpfen – oder im schlimmsten Fall überfahren. Es ist viel einfacher, aus dem Zug auszusteigen und ihn von außen zu beobachten. Mit der Zeit kann es sogar gelingen, die Metapher des Zuges hinter sich zu lassen und die Gedanken einfach als das zu akzeptieren, was sie sind. Sie erscheinen, aber wir müssen nicht automatisch in sie einsteigen. Wir haben die Wahl, wann und ob wir mit ihnen weiterfahren oder sie nur aus der Distanz beobachten.

Selbst wenn diese Übung nur wenige Minuten am Tag praktiziert wird, kann sie dazu beitragen, unsere Beziehung zu den Gedanken grundlegend zu verändern. Denn wenn wir uns nicht mehr in den Strudel der Gedanken ziehen lassen, wird es viel einfacher, realistische Probleme effektiv zu lösen. Wir können uns dann gezielt auf die Gedanken konzentrieren, die wirklich wichtig sind, ohne von einem Dutzend anderer Gedanken gleichzeitig abgelenkt zu werden.

Ein weiterer praktischer Ansatz zur Defusion ist die sogenannte "Physicalisierung" eines Gedankens (Hayes, 2007). Wenn wir mit einem Gedanken "fusioniert" sind, sind wir oft so in ihn verstrickt, dass wir uns in einem endlosen mentalen Kampf verlieren. In dieser Übung stellen wir uns vor, wie der Gedanke physische Eigenschaften hätte, die wir vor uns sehen können. Dieser Schritt hilft uns, den Gedanken aus einer Distanz zu betrachten und ihn nicht länger als Teil unserer Identität zu sehen. Die Idee ist nicht, den Gedanken wegzuschieben oder zu bekämpfen, sondern eine neue Art der Beziehung zu ihm zu entwickeln.

Um diese Übung zu beginnen, müssen wir uns zuerst einige der häufigsten ängstlichen Gedanken bewusst machen, die uns oft quälen: "Was ist, wenn etwas schiefgeht?", "Niemand wird mich je lieben", "Was, wenn ich krank werde?" oder "Was, wenn ich bei der Party etwas Peinliches tue?" Eine Liste dieser Gedanken anzufertigen, kann der erste Schritt sein, den Gedanken auf die "Bühne" zu holen, damit wir ihn aus einer anderen Perspektive betrachten können.

Sobald dieser Gedanke aus der Liste ausgewählt ist, stellen wir uns vor, er nehme physische Form an und schwebt etwa 3 Meter vor uns. Wir fragen uns: Wie groß ist dieser Gedanke? Welche Form hat er? Welche Farbe? Wie schnell bewegt er sich? Wenn der Gedanke einen Geruch hätte, wie würde er riechen? Wie schwer wäre er? Wie viel Kraft würde er haben, um uns zu beeinflussen? Diese Visualisierung hilft uns, den Gedankenzug nicht mehr als Teil unserer selbst zu begreifen, sondern als etwas, das wir beobachten können, ohne uns von ihm beherrschen zu lassen.

Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass ängstliche Gedanken nicht notwendigerweise unser Feind sind. Sie können uns helfen, Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen, die wichtig sind. Doch der Versuch, diese Gedanken zu ignorieren oder zu verdrängen, führt oft nur dazu, dass sie mehr und mehr Raum in unserem Kopf einnehmen. Wenn wir lernen, mit unseren Gedanken anders umzugehen – nicht durch Kampf, sondern durch Akzeptanz und Beobachtung – gewinnen wir die Freiheit, uns zu entscheiden, wie wir mit ihnen umgehen wollen. Indem wir nicht mehr gegen sie ankämpfen, können wir lernen, ihre Existenz zu tolerieren, ohne dass sie unser Handeln und unsere Emotionen kontrollieren.

Mit der Zeit und durch regelmäßige Übung wird es zunehmend leichter, uns von den Gedanken zu distanzieren und uns nicht mehr von ihnen bestimmen zu lassen. Diese Praxis ermöglicht es uns, in Momenten der Angst und Unsicherheit klarer zu denken und effektiver zu handeln.

Wie man mit Angststörungen effektiv arbeitet: Einblicke in die Acceptance and Commitment Therapy (ACT)

Angst in all ihren Formen gehört heute zu den häufigsten psychischen Herausforderungen. Ironischerweise verschärft sich diese oft, je mehr man versucht, sie zu vermeiden oder zu kontrollieren. Sorgen führen zu Angst, und Angst führt zu mehr Sorgen. Menschen mit Angst entwickeln ein Muster, in dem sie bestimmte Aktivitäten oder Orte meiden, um den Angstsymptomen zu entkommen. Diese Vermeidungsstrategie schränkt ihr Leben zunehmend ein, was wiederum die Angst verstärkt. So können Menschen buchstäblich ihr gesamtes Leben in diesem Teufelskreis gefangen sein.

Ein häufiger Fehler in der Therapie ist, dass gut gemeinte Therapeutinnen unbeabsichtigt dazu beitragen, dass Klientinnen sich noch schlechter fühlen, indem sie ihnen beibringen, unangenehme Gedanken und Gefühle zu vermeiden. In leichten Fällen kann dies kurzfristig funktionieren, aber bei schwerwiegenderen Angststörungen schlägt dieser Ansatz oft fehl und verstärkt langfristig den Kampf gegen die Angst. Sowohl Klient als auch Therapeut können dabei in denselben Teufelskreis von Vermeidung und Frustration geraten.

Frühere psychotherapeutische Ansätze empfahlen, ängstliche Gedanken auf ihre Gültigkeit und Rationalität zu hinterfragen. Neueergebnisse aus der Forschung zeigen jedoch, dass diese Methode besonders dann, wenn sie konfrontativ angewendet wird, die Probleme verschärfen kann, da sie den Gedanken unbeabsichtigt mehr Macht verleiht. Ein tieferes Verständnis darüber, wie Gedanken durch Erfahrungen und Emotionen konditioniert werden, hat zu bahnbrechenden Ansätzen bei der Behandlung von schweren Angststörungen geführt.

Weil Angst per Definition unangenehm ist, erfordert es Mut und Motivation, sich ihr zu stellen. Für viele Menschen wird ihre Angst so intensiv und überwältigend, dass sie in einem Überlebensmodus gefangen sind, wodurch das Leben zur Last wird. Ihre Identitäten können so stark mit den eigenen Ängsten und Kämpfen verknüpft werden, dass sie sich in einem Sturm von belastenden Gedanken und Gefühlen verlieren.

Acceptance and Commitment Therapy (ACT), die von Steven C. Hayes und seinen Kollegen entwickelt wurde, bietet einen alternativen und effektiven Ansatz zur Behandlung von Angststörungen. ACT ist keine rigide Schule der Psychotherapie, sondern ein empirisch fundierter, prozessorientierter Ansatz, der verschiedene evidenzbasierte Interventionen integrieren kann. Der Schwerpunkt von ACT liegt darauf, Menschen zu helfen, sich auf eine andere Weise zu belastenden Gedanken und Gefühlen zu beziehen. Dies geschieht durch Akzeptanz- und Achtsamkeitsprozesse sowie durch Verpflichtungs- und Verhaltensänderungsprozesse, die den Klienten dabei unterstützen, flexibel in eine erfüllendere Richtung zu gehen.

ACT basiert auf jahrzehntelanger Forschung. Dr. Hayes und sein Team begannen ihre Arbeit nicht mit der Idee, eine neue Therapieform zu schaffen, sondern mit einer Untersuchung dessen, was in der Therapie tatsächlich funktioniert. Sie bauten auf grundlegenden Prinzipien wie klassischer Konditionierung, negativem Verstärker und Expositionstherapie auf und integrierten die Konzepte, die in der Forschung immer wieder als klinisch wirksam erwiesen wurden.

Dies macht ACT zu einer flexiblen und anpassungsfähigen Methode, die es den Therapeutinnen ermöglicht, auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Klientinnen einzugehen und gleichzeitig die Grundlage einer wissenschaftlich fundierten Therapie zu wahren. Ein bemerkenswerter Aspekt von ACT ist, dass es nicht in einem starren Rahmen arbeitet, sondern die wirksamsten Methoden integriert, die durch klinische Erfahrung und Forschung gestützt werden.

Es gibt immer noch eine weit verbreitete Meinung unter Therapeut*innen, dass bestimmte therapeutische Richtungen nur in bestimmten Kontexten sinnvoll sind, aber oft gehen die Pioniere dieser Methoden einen viel flexibleren Weg. Ein Beispiel dafür zeigt sich in einem Gespräch bei einer Konferenz, an dem Dr. Hayes und andere prominente Therapeuten teilnahmen. Sie tauschten sich über Ansätze aus, die sie in verschiedenen Situationen verwenden würden, und es wurde deutlich, dass die Führenden der therapeutischen Disziplinen offen für die Integration verschiedener Methoden sind, um den Klienten bestmöglich zu helfen.

In der Praxis bedeutet dies, dass Therapeut*innen, die mit Angststörungen arbeiten, sich nicht nur auf eine einzige Methode beschränken sollten. Es ist entscheidend, das breite Spektrum an Techniken und Ansätzen zu nutzen, das in der Forschung als wirksam bestätigt wurde, anstatt sich zu sehr an einem starren System festzuhalten. Denn Angststörungen sind so individuell wie die Menschen, die sie erleben.

ACT ist heute eine der am weitesten untersuchten Therapieformen, mit über 10.000 Teilnehmer*innen in randomisierten kontrollierten Studien. Diese breite wissenschaftliche Unterstützung macht ACT zu einer der zuverlässigsten und effektivsten Methoden zur Behandlung von Angststörungen. Sie hat sich in der Praxis als äußerst hilfreich erwiesen und wird auch weiterhin von vielen Therapeuten weltweit eingesetzt.

Wichtig ist jedoch, dass der therapeutische Prozess nicht nur auf der Verwendung spezifischer Techniken basiert, sondern auch auf der Fähigkeit des Therapeuten, eine akzeptierende Haltung gegenüber der eigenen Angst zu entwickeln. Therapeutinnen, die ihre eigene Angst nicht akzeptieren können, übertragen diese Haltung möglicherweise auf ihre Klientinnen, was die Vermeidung verstärken und den Heilungsprozess behindern kann. Akzeptanz ist daher nicht nur eine Technik, sondern eine Haltung, die in der Therapie ein integraler Bestandteil ist.

Das Verständnis und die Anwendung von ACT bieten nicht nur eine wirksame Methode zur Behandlung von Angststörungen, sondern ermöglichen es auch, den Klienten zu helfen, ein erfüllteres Leben zu führen. Indem sie lernen, sich ihren Ängsten ohne Vermeidung zu stellen, und durch die Förderung von Akzeptanz und Achtsamkeit können sie sich von den Fesseln ihrer Ängste befreien und eine tiefere Lebensqualität erfahren.