Die Entstehung des amerikanischen Imperiums in Mexiko und Zentralamerika lässt sich nicht nur durch militärische Expansion erklären, sondern auch durch ein komplexes Zusammenspiel von politischen Maßnahmen, ideologischen Vorstellungen und institutioneller Gewalt. Bereits mit der Aufnahme Iowas als Bundesstaat 1846, einer ehemals unorganisierten Territoriumsfläche, setzt sich ein Muster fort: territoriale Aneignung, administrative Reorganisation und systematische Verdrängung indigener Völker. Die politischen Akte des Homestead Act, des Morrill Act und des Pacific Railroad Act unter der Präsidentschaft Lincolns waren zwar vordergründig Entwicklungsinstrumente, bedeuteten aber konkret die Enteignung riesiger Landflächen, die zuvor durch Verträge indigenen Nationen zugesprochen worden waren.

Diese politische Enteignung war nicht isoliert, sondern Teil eines imperialen Projekts, das sich zunehmend auch nach Süden erstreckte. Die Grenzziehung mit Spanien entlang des Mississippi, der Erwerb spanischer Ansprüche durch den Adams-Onís-Vertrag und die Durchsetzung amerikanischer Interessen mit Kanonenboot-Diplomatie demonstrieren eine aggressive Expansionspolitik, die unter der Doktrin des „Manifest Destiny“ zur normativen Selbstlegitimation wurde.

Zentral ist der Fall Texas. Obwohl Mexiko die Unabhängigkeit der 1836 gegründeten Republik Texas nicht anerkannte, dehnte sich deren De-facto-Grenze in der Wahrnehmung der USA kontinuierlich westwärts aus. Die texanische Verfassung erhob sogar Gebietsansprüche bis zum Pazifik. Die mexikanische Provinz Kalifornien, damals in Alta und Baja unterteilt, wurde durch amerikanische Siedler und Militäroperationen – etwa in der sogenannten Bear Flag Republic – in das expandierende Imperium einbezogen. Die Reaktion Mexikos auf die amerikanische Militärpräsenz blieb schwach. Erst nach der Provokation durch General Taylors Marsch zum Río Grande reagierte die mexikanische Armee, zu spät, um den Krieg noch zu vermeiden.

Diese territoriale Expansion ging mit einer tiefgreifenden sozialen Destruktion einher. Die indigenen Bevölkerungen Kaliforniens wurden systematisch vertrieben, ausgehungert oder ermordet. Reservate wurden nicht eingerichtet – die indigene Bevölkerung war gezwungen, am Rande der weißen Gesellschaft zu überleben. In Regionen wie Trinity County wurde bis 1865 jede Form indigener Präsenz gewaltsam ausgelöscht. Der kalifornische Goldrausch von 1848 beschleunigte diese Prozesse, wobei wirtschaftliche Interessen mit ethnischer Säuberung einhergingen.

Auch der institutionelle Rahmen war auf Assimilation und Kontrolle ausgelegt. Verträge wie jener mit den Nez Percé wurden später modifiziert oder annulliert – der letzte Vertrag zwischen der US-Regierung und einem indigenen Volk wurde 1868 unterzeichnet. Danach galt, was sich bereits zuvor abzeichnete: totale Unterwerfung oder Vernichtung.

In New Mexico, das erst 1912 in die Union aufgenommen wurde, vermischten sich koloniale Hinterlassenschaften Spaniens mit amerikanischer Grenzpolitik. Der Konflikt um die Grenzziehung zwischen Texas und New Mexico, insbesondere im Kontext des Kompromisses von 1850, verdeutlicht, dass die Grenzlinien nicht durch geographische Gegebenheiten, sondern durch politische Interessen und militärische Fakten geschaffen wurden.

Im weiteren Süden spiegeln sich ähnliche Muster. Die Unabhängigkeitserklärung Zentralamerikas von Spanien 1821, die anschließende kurzfristige Angliederung an Mexiko und schließlich die Bildung der Vereinigten Provinzen von Zentralamerika zeigen die Instabilität postkolonialer Nationalbildungsprozesse. Die Auflösung der zentralamerikanischen Föderation 1838 hinterließ politische Fragilität, die den Eintritt der USA als ordnende, aber auch dominierende Macht erleichterte.

Die Kontrolle über den Panamakanal, ein weiterer Schritt amerikanischer Hegemonie, wurde durch Verträge wie die Carter-Torrijos-Abkommen geregelt, doch bleibt unklar, ob die USA jemals formell die Souveränität erhielten oder sie sich faktisch einfach nahmen. Auch hier zeigt sich ein Muster: vertragliche Zweideutigkeit kombiniert mit ökonomischer und militärischer Dominanz.

Die Erzählung amerikanischer Expansion im Süden ist keine einfache Geschichte nationaler Selbstverwirklichung. Sie ist ein Projekt ökonomischer Interessen, rassistischer Ideologien und juristischer Manipulation. Der Siedlerkolonialismus, dem diese Prozesse zugrunde liegen, erfordert keine bloße Eroberung, sondern eine permanente Neuschreibung von Recht, Raum und Geschichte. Er beruht auf der Vorstellung, dass Land, das nicht durch europäisch-amerikanische Systeme organisiert ist, als frei verfügbar gilt – unabhängig von der jahrhundertelangen Präsenz und Selbstorganisation der dort lebenden Völker.

Es ist wesentlich zu verstehen, dass diese Expansion kein geschlossener Prozess war, sondern sich bis in die Gegenwart fortsetzt – juristisch, symbolisch, territorial. Die Entstehung des amerikanischen Imperiums im Süden ist damit nicht abgeschlossen, sondern bleibt ein offenes Kapitel in der Geschichte von Gewalt, Legitimation und Widerstand.

Wie der Imperiale Wettbewerb die Kontrolle über Hawaii und China prägte

China, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, stand vor einer existenziellen Bedrohung durch die imperialistischen Mächte, die, beginnend mit Großbritannien und Russland, zunehmend ihren Einfluss ausdehnten. Im Jahr 1900, nach dem Boxeraufstand, begannen die Vereinigten Staaten, unterstützt von einer internationalen Koalition, in China militärisch zu intervenieren. Ziel war es, nicht nur die eigene Bevölkerung zu schützen, sondern auch die imperialen Interessen zu wahren. Während dieses Eingriffs in Peking, das bis zur Ankunft der Truppen von allen Seiten geplündert wurde, musste China nach dem Boxerprotokoll von 1901 eine enorme Entschädigung an die westlichen Mächte zahlen.

Die Fragilität Chinas in dieser Zeit führte zu einer Zersplitterung seines Staatsgebiets und stellte gleichzeitig eine Gefahr für die imperialen Mächte dar. Eine zerrüttete Nation hätte eine neue Kriegsfront für die europäischen Mächte und die USA eröffnet und das stabile Handelsumfeld in China gefährdet. Trotz zahlreicher Enttäuschungen konnte der chinesische Markt aufgrund seiner schieren Größe und Potenzial weiterhin als lukrativ angesehen werden. Die Vereinigten Staaten, unter der Führung von Außenminister John Hay, versuchten mit ihren "Open Door"-Noten, Chinas territoriale Integrität zu bewahren und gleichzeitig freien Handel für alle imperialen Mächte zu sichern. Diese Politik wurde zwar akzeptiert, China blieb jedoch weiterhin unter den Bedingungen von "ungleichen Verträgen", die das Land in seiner Handlungsfreiheit massiv einschränkten.

Für die chinesische Bevölkerung war es wenig bedeutend, ob die Vereinigten Staaten mehr oder weniger Grausamkeit gegenüber dem Land ausübten als andere imperialistische Mächte. Alle westlichen Nationen trugen zur Einschränkung der Souveränität bei, sodass es für die chinesische Führung nur einen Unterschied machte, ob man die Vereinigten Staaten gegen andere imperialistische Länder ausspielen konnte, um ihre Interessen besser zu schützen.

Im Pazifikraum, insbesondere in Hawaii, veränderte sich die geopolitische Landschaft ebenso dramatisch. Hawaii, aufgrund seiner zentralen Lage im Pazifik, war für die imperialen Mächte von enormer strategischer Bedeutung. Die ersten großen Spieler in der Region waren Großbritannien, Frankreich und Russland, die allesamt versuchten, Einfluss auf die Inseln auszuüben. Doch es waren die Vereinigten Staaten, die eine zunehmend dominante Stellung in Hawaii erlangten. Amerikanische Händler und Walfänger nutzten die Inseln als Zwischenstopp auf ihren Handelsrouten nach China und für den Austausch von Waren wie Sandelholz. Diese wirtschaftlichen Verbindungen wurden durch die Ankunft amerikanischer Missionare in den 1820er Jahren weiter vertieft.

Der hawaiianische König Kamehameha II. zeigte sich offen gegenüber den Missionaren und schuf damit die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Hawaii. Als 1842 eine hawaiianische Delegation in Washington DC um die Anerkennung des Königreichs bat, stieß sie auf wenig Interesse. Doch als die Delegation andeutete, dass Hawaii möglicherweise ein Protektorat einer anderen imperialen Macht werden könnte, änderte sich die Haltung der US-Regierung. Präsident Tyler erklärte 1842, dass die Vereinigten Staaten kein exklusives Interesse an Hawaii hätten, aber die Unabhängigkeit des Königreichs bewahren und sichern wollten.

Diese politische Zurückhaltung war jedoch trügerisch. Die Anerkennung von Hawaiis Unabhängigkeit bedeutete in der Praxis die Schaffung eines US-Protektorats, da die hawaiianische Regierung nun gezwungen war, US-amerikanische Interessen in ihren Außenbeziehungen zu berücksichtigen. Als die Vereinigten Staaten später ein Abkommen zur "Reziprozität" mit Hawaii unterzeichneten, das eine Zollerleichterung für den Zuckerhandel gewährte, war dies ein deutlicher Schritt in Richtung einer vollständigen Annexion. Der amerikanische Einfluss auf Hawaii verstärkte sich weiter, als das Zuckergeschäft florierte und Investitionen sowie Arbeitsmigrationen aus Asien die Inselwirtschaft dominierten.

Was sich hier abzeichnet, ist eine durchgängig imperialistische Logik: Auch wenn offiziell keine Kolonisierung stattfand, veränderten wirtschaftliche und politische Bedingungen die Unabhängigkeit und Souveränität von Ländern wie China und Hawaii dauerhaft. Die "Open Door"-Politik der Vereinigten Staaten in China und die protektionistischen Maßnahmen in Hawaii waren Ausdruck eines geopolitischen Spiels, bei dem die Sicherung von Märkten und Ressourcen stets über den Prinzipien von Unabhängigkeit und nationaler Selbstbestimmung stand.

Für die Leser dieses Textes ist es entscheidend zu verstehen, dass die imperialistischen Interventionen in China und im Pazifik nicht nur durch direkte militärische Macht, sondern auch durch wirtschaftliche Mittel und politische Einflussnahme geprägt wurden. Die Schaffung von "Protektoraten" wie Hawaii und das Festhalten an ungleichen Verträgen wie im Falle Chinas unterstreichen, wie imperialistische Mächte die wirtschaftliche und politische Souveränität der betroffenen Länder untergruben, um ihre eigenen nationalen Interessen zu sichern. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Form von imperialer Kontrolle in vielen Fällen eher subtil war und häufig unter dem Deckmantel von "Schutz" und "Handelszugang" stattfand. Dabei ging es stets um die Maximierung der wirtschaftlichen Ausbeutung und die Sicherstellung von strategischen Positionen für die imperialen Mächte.

Wie rechtfertigte die USA die gewaltsame Entfernung demokratisch gewählter Regierungen in Lateinamerika?

Als Jacobo Arbenz, Nachfolger des demokratisch gewählten guatemaltekischen Präsidenten Arévalo, ein umfassendes Reformprogramm einleitete, das unter anderem die Enteignung von Großgrundbesitzern – darunter auch die mächtige United Fruit Company – vorsah, wurde er trotz seiner klaren Distanz zum Kommunismus zur Zielscheibe der Vereinigten Staaten. Die Legalisierung der kommunistischen Partei Guatemalas (PGT) und die verdeckten Waffenlieferungen aus der Tschechoslowakei lieferten Washington den willkommenen Vorwand, Arbenz als sowjetnahen Akteur zu brandmarken. In einem internen Bericht des Council on Foreign Relations wurde die Situation als eine „offene kommunistische Durchdringung Mittelamerikas“ bewertet, der ohne Zögern entgegengewirkt werden müsse. Diese Sichtweise war symptomatisch für die paranoide Logik des Kalten Krieges, in der jede Form von wirtschaftlicher Souveränität oder sozialer Gerechtigkeit in der Dritten Welt automatisch als kommunistische Bedrohung interpretiert wurde.

Die CIA orchestrierte 1954 einen Putsch gegen Arbenz. Von Honduras aus marschierte eine konterrevolutionäre Streitmacht unter Führung von Carlos Castillo Armas ein, der bald darauf als US-höriger Präsident installiert wurde. Das Resultat war verheerend: Drei Jahrzehnte Bürgerkrieg und über 100.000 Tote, während die Operation in Washington zunächst als strategischer Sieg gefeiert wurde. Die USA hatten wieder einmal erfolgreich demonstriert, dass jegliche Abweichung vom antikommunistischen Dogma hart sanktioniert würde.

Einige Jahre später wiederholte sich das Muster in Kuba. Nach dem Sturz des von den USA unterstützten Diktators Fulgencio Batista übernahm Fidel Castro 1959 die Macht in Havanna und begann ebenfalls mit tiefgreifenden Landreformen – in enger Anlehnung an das Programm von Arbenz. Als Reaktion setzte Eisenhower auf eine Invasion durch Exilkubaner, organisiert von der CIA. Doch anders als Arbenz hatte Castro seine Lehren gezogen und konnte den Angriff in der Schweinebucht 1961 erfolgreich abwehren. Wenige Monate später bekannte er sich offen zum Marxismus-Leninismus und zur Allianz mit der Sowjetunion. Damit wurde Kuba zum ideologischen Stachel im Fleisch der US-amerikanischen Hegemonie im Westen.

Die Reaktion der USA war doppelgleisig: Einerseits wurde der wirtschaftliche Druck erhöht, etwa durch ein umfassendes Handelsembargo. Andererseits versuchte Präsident Kennedy, durch wirtschaftliche Kooperation – z. B. die Gründung der Inter-American Development Bank, die USAID und die Allianz für den Fortschritt – den sozialen Nährboden für revolutionäre Bewegungen zu entziehen. Die Panik vor einer zweiten „Insel der Revolution“ bestimmte fortan das strategische Kalkül der USA in der Region.

Ein neuer Testfall war Britisch-Guayana. Obwohl Cheddi Jagan 1961 demokratisch gewählt wurde, sah man in Washington in ihm einen gefährlichen Linken. Der CIA, das AFL-CIO, verschiedene Medienkanäle und antikommunistische Organisationen wurden gegen ihn in Stellung gebracht. Ein durch die USA mitprovozierter Generalstreik diente den britischen Kolonialbehörden als Vorwand, die Verfassung zu ändern und ein neues Wahlsystem einzuführen. In den darauf folgenden Wahlen konnte Jagan zwar erneut die meisten Stimmen gewinnen, wurde jedoch durch eine konservative Koalition entmachtet. Das nun unabhängige Guyana gliederte sich in den Einflussbereich der USA ein, bezahlte dafür jedoch mit wirtschaftlichem Niedergang, Menschenrechtsverletzungen und massiver Auswanderung.

Auch in der Karibik behielten die USA durch direkte oder indirekte Eingriffe die Kontrolle. In der Dominikanischen Republik, nach dem Mord an Diktator Trujillo und dem späteren Sturz des demokratisch gewählten Juan Bosch, wurde 1965 sogar eine offene Invasion durch US-Truppen angeordnet. Unterstützt durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurde Joaquín Balaguer, ein früherer Trujillo-Vertrauter, als neuer Präsident installiert. Dieses Vorgehen war Teil einer systematischen Strategie: politische Instabilität provozieren, linke Regierungen schwächen oder stürzen, konservative Kräfte stärken – notfalls durch Militärintervention.

Der Fall Brasilien verdeutlicht, dass selbst große und traditionell US-freundliche Staaten nicht vor Interventionen sicher waren. Präsident João Goulart, der sich mit sozialen Reformen und der Verstaatlichung ausländischer Unternehmen bei den Eliten und der Armee unbeliebt gemacht hatte, wurde 1964 durch einen von den USA unterstützten Militärputsch entmachtet. Die Unterstützung kam nicht nur in Form von finanziellen Mitteln für regierungsfeindliche Organisationen, sondern vor allem durch das unmissverständliche Signal, dass die USA einen Umsturz nicht nur tolerieren, sondern begrüßen würden.

Ein nahezu identisches Signal wurde knapp ein Jahrzehnt später an das chilenische Militär gesendet. Präsident Salvador Allende, der 1970 legal gewählt und vom Parlament bestätigt worden war, wurde am 11. September 1973 durch einen Militärputsch gestürzt. Die Verschwörer unter General Pinochet waren eng mit US-Stellen in Kontakt und handelten mit dem Wissen, dass keine Sanktionen zu befürchten seien. Chile wurde dadurch zum Symbol für die Rücksichtslosigkeit amerikanischer Außenpolitik im Kampf gegen jede Form von linkem oder nationalistischem Selbstbestimmungsversuch.

Wichtig ist zu erkennen, dass diese Politik nicht nur auf den Kalten Krieg zurückzuführen ist. Die ideologische Rhetorik des Antikommunismus diente in vielen Fällen dazu, die wirtschaftlichen Interessen amerikanischer Konzerne, insbesondere im Rohstoff- und Agrarsektor, zu schützen. Die tatsächlichen Beweggründe für Interventionen lagen oft weniger in einer akuten Bedrohung durch die Sowjetunion als vielmehr in der Angst vor der Nachahmung erfolgreicher sozialer Reformmodelle. Auch wenn einige dieser Regierungen tatsächlich kommunistische Tendenzen aufwiesen, waren viele schlicht nationalistisch oder sozialreformerisch geprägt – ein Umstand, den Washington nicht zu tolerieren bereit war.

Der systematische Einsatz von wirtschaftlichem Druck, geheimdienstlicher Subversion, politischer Manipulation und notfalls auch militärischer Gewalt wurde damit zu einem konsistenten Instrumentarium amerikanischer Machtprojektion. Er richtete sich nicht gegen autoritäre Herrscher – solange diese antikommunistisch agierten – sondern ausschließlich gegen jene Regierungen, die versuchten, eine unabhängige politische oder ökonomische Ordnung zu etablieren. Die Folgen dieser Eingriffe – von Massenmigration über soziale Fragmentierung bis hin zu anhaltender politischer Instabilität – wirken in vielen Regionen bis heute nach.

Wie Kapitalakkumulation und Innovation das Wachstum einer Weltmacht beeinflussen

Erfolgreiche Imperien müssen stark in ihre Zukunft investieren, wobei sie, wenn möglich, auf Innovationen setzen müssen, die von ihren Bürgern geschaffen werden, um ihre dominante Position zu wahren. Fehlt es einem Imperium jedoch an der Fähigkeit, technologische Veränderungen durch eigene Erfindungen voranzutreiben, ist dies ein sicheres Zeichen für dessen Schwäche. Am Ende des 18. Jahrhunderts zum Beispiel war das Osmanische Reich stark auf ausländische Missionen angewiesen, um im Bereich der Seefahrt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies nutzten die europäischen Rivalen schnell aus.

Für mehr als zwei Jahrhunderte nach seiner Unabhängigkeit zeigte das amerikanische Imperium eine enorme Dynamik in der Kapitalakkumulation und in der Förderung von Innovationen. Die Vereinigten Staaten erlangten einen wohlverdienten Ruf für technologischen Fortschritt und unternehmerischen Geist. Robert Gordon hat diesen Prozess eingehend untersucht und eine nützliche Struktur zur Analyse des Wachstumstempos seit 1750 entwickelt, die sich an den drei industriellen Revolutionen orientiert. Die erste industrielle Revolution (IR #1) von 1750 bis 1830 brachte Erfindungen wie die Dampfmaschine, Baumwollspinnmaschinen und Eisenbahnen hervor. Die zweite Revolution (IR #2), die wichtigste, fand zwischen 1870 und 1900 statt und brachte zentrale Erfindungen wie Elektrizität, den Verbrennungsmotor und die Innenplumbing-Technologie. Beide Revolutionen benötigten etwa 100 Jahre, um ihre vollen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu entfalten.

Die dritte industrielle Revolution (IR #3), die um 1960 begann und ihren Höhepunkt in der Dotcom-Ära der späten 1990er Jahre erreichte, war die Computer- und Internetrevolution. Diese drei industriellen Revolutionen spielten eine zentrale Rolle im Wachstum des US-BIP seit der Unabhängigkeit. Doch das Wachstum ist nicht nur der Kapitalakkumulation zu verdanken, sondern auch anderen Faktoren, die zur Effizienz der Kombination von Kapital und Arbeit beigetragen haben. Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion, die von Ökonomen seit Generationen verwendet wird, erklärt dieses Wachstum. Sie besagt, dass das Wachstum des BIP durch die Akkumulation von Kapital und Arbeit sowie die Effizienz, mit der diese Inputs kombiniert werden (die sogenannte Total Factor Productivity oder TFP), bestimmt wird. Die TFP ist der „X-Faktor“ im Wachstum und spielt in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle.

Die TFP hängt nicht nur von technologischen Fortschritten ab, sondern auch von der Fähigkeit von Unternehmen zu innovieren und von der Qualität des institutionellen, regulatorischen und rechtlichen Umfelds. Dies umfasst Aspekte wie den Wettbewerb, die Beseitigung unnötiger bürokratischer Hürden, die Bereitstellung moderner Infrastruktur und den Zugang zu Finanzmitteln. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch gezeigt, dass die Effizienz dieser drei Elemente – Kapital, Arbeit und TFP – nachgelassen hat, was die wirtschaftlichen Herausforderungen der Vereinigten Staaten verstärkt.

Ein wesentlicher Aspekt des wirtschaftlichen Wachstums ist die Kapitalakkumulation, die über Jahrzehnten hinweg ein Motor für den Erfolg der Vereinigten Staaten war. Ein besonders wichtiger Bestandteil dieser Akkumulation war die private und öffentliche Investition. Ein genauer Blick auf die Nettokapitalbildung zeigt jedoch, dass die Investitionsquote der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren gesunken ist. Vor 1980 lag der Anteil der Nettoinvestitionen am BIP bei etwa 8 %, doch nach der Finanzkrise 2008 sank dieser Wert drastisch, und auch die Erholung seitdem konnte die Quote nur auf 4 % erhöhen.

Ein schwerwiegender Mangel an Investitionen ist die unzureichende Ausgabenpolitik im Bereich der Infrastruktur. Infrastruktur ist für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen von entscheidender Bedeutung, und hier liegt ein großer Nachteil der USA. In den 1990er Jahren standen die Vereinigten Staaten noch an der Spitze der internationalen Ranglisten, was die Qualität und Menge der Infrastruktur betrifft. Heute befinden sich die USA in vielen internationalen Vergleichen nicht mehr unter den Top Ten. Die allgemeine Unzulänglichkeit von Straßen, Brücken und Versorgungsanlagen beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft.

Das Problem verschärft sich durch den Rückgang öffentlicher Investitionen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Abgesehen von den strukturellen Problemen, die durch die Finanzkrise und die Steuererleichterungen nach 1980 verursacht wurden, ist die Qualität der öffentlichen Infrastruktur in den USA seit vielen Jahren rückläufig. Die berühmte „Fahrbahnen und Brücken“ -Metaphorik ist nicht nur eine politische Rhetorik, sondern spiegelt die realen Mängel der amerikanischen Infrastruktur wider. Der American Society of Civil Engineers hat darauf hingewiesen, dass, um die USA zu einer wettbewerbsfähigsten Wirtschaft zu machen, ein erstklassiges Infrastruktursystem erforderlich ist, das den effizienten Transport von Menschen und Waren, zuverlässige Stromversorgung und Wasserleitungen umfasst.

Die Herausforderungen im Bereich der Kapitalakkumulation und Infrastruktur sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Wenn das Fundament der Wirtschaft durch unzureichende Investitionen und stagnierende Innovationen untergraben wird, hat dies langfristige Auswirkungen auf die globale Dominanz eines Landes. Es geht nicht nur darum, die technologischen Fortschritte der Vergangenheit aufrechtzuerhalten, sondern vielmehr darum, neue Innovationen zu fördern und nachhaltige Investitionen in Schlüsselbereiche wie Infrastruktur zu tätigen, die für das Wachstum unerlässlich sind.

Der Rückgang der Nettoinvestitionen in den USA stellt eine fundamentale Schwäche dar, die die Zukunftsfähigkeit des Landes und seiner globalen Führungsrolle gefährden könnte. Die Dynamik, die in den ersten zwei Jahrhunderten der US-amerikanischen Geschichte das Wachstum angetrieben hat, scheint heute in eine Phase des Rückzugs übergegangen zu sein, wobei das Land die Risiken einer unzureichenden Kapitalbildung und stagnierender Innovationen spürt. Der Vergleich mit anderen großen Volkswirtschaften zeigt, dass dieses Problem nicht nur in den USA existiert, sondern ein globaler Trend ist, der im Zuge von Veränderungen in der geopolitischen Landschaft und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu einer breiteren Herausforderung geworden ist.