Die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den USA befindet sich seit Jahren in einer Krise, die durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt wurde. Im Oktober 2021 erklärten die American Academy of Pediatrics, die American Academy of Child and Adolescent Psychiatry und die Children's Hospital Association den „Notstand“ im Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie. Die Pandemie setzte dem bereits vorher bestehenden Druck die Krone auf. 140.000 Schüler verloren in den USA durch COVID-19 ihre Haupt- oder Nebenbetreuenden, was zu einem enormen Anstieg von Trauer und psychischen Belastungen führte. Doch nicht nur Kinder, die mit unsicheren Lebensbedingungen wie Armut, Wohnungslosigkeit oder familiären Problemen zu kämpfen hatten, litten darunter – auch Kinder aus stabileren Verhältnissen erlebten durch die Einschränkungen der Pandemie schwere emotionale Belastungen.

Der Verlust von Routinen und vertrauten Strukturen, wie etwa Schule und Sport, trugen zur Verschärfung der Lage bei. Viele Erwachsene erlebten während der Pandemie den Verlust von Einkommen, Arbeitsidentität und sozialen Bindungen. Diese Belastungen wirkten sich in vielerlei Hinsicht auch auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aus. Gerade jene, die bereits vor der Pandemie unter psychischen Problemen wie Angststörungen oder Depressionen litten, waren besonders betroffen und erlebten einen dramatischen Anstieg von Suizidgedanken und -versuchen.

Die Statistiken sind alarmierend: Während sich die Selbstmordrate bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren von 2000 bis 2007 stabil hielt, stieg sie von 2007 bis 2017 um 76 %. Selbstmord ist mittlerweile die zweithäufigste Todesursache in dieser Altersgruppe und hat auch die zweite Position bei Kindern zwischen 10 und 14 Jahren erreicht. Kinder und Jugendliche, die mit intensiven emotionalen Schmerzen kämpfen, suchen zunehmend nach extremen Lösungen, um diese zu beenden. Leider fehlt es ihnen oft an ausreichenden Schutzfaktoren und Bewältigungsstrategien, um mit ihren Gefühlen umzugehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Problematik frühzeitig anzugehen, bevor der psychische Druck zu unkontrollierbaren Konsequenzen führt.

Neben den unmittelbaren psychischen Belastungen, die durch die Pandemie ausgelöst wurden, kämpfen viele Kinder und Jugendliche auch mit den langfristigen Folgen von wiederholten Traumata. Die Forschung zur epigenetischen Vererbung zeigt, dass traumatische Erfahrungen während der Kindheit nicht nur die aktuelle Generation beeinflussen, sondern auch auf die nachfolgende weitergegeben werden können. Epigenetik beschäftigt sich mit der Frage, wie Umweltfaktoren und Erfahrungen die DNA-Ausdrucksmuster beeinflussen können, ohne dass sich die DNA selbst verändert. Ein Beispiel für solche transgenerationale Auswirkungen sind die Kinder von Holocaust-Überlebenden oder die Nachkommen von Menschen, die während der 1918er-Grippepandemie schwere Traumata erlebten. Diese epigenetischen Veränderungen wirken sich direkt auf die Gehirnentwicklung und die Stressregulation aus und können somit auch die Lernfähigkeit und das Problemlösungsverhalten zukünftiger Generationen beeinflussen.

Ein weiteres bedeutendes Problem stellt das Fehlen von adäquater Unterstützung dar. Fast ein Drittel der Jugendlichen zwischen 6 und 17 Jahren leidet an einer psychischen Erkrankung, doch rund 80 % von ihnen erhalten nicht die nötige Hilfe. Gründe dafür sind unter anderem unzureichender Zugang zu medizinischer Versorgung oder die hohen Kosten für therapeutische Dienstleistungen. Dabei wird ein Großteil der betroffenen Kinder und Jugendlichen – etwa 80 % – lediglich in schulischen Einrichtungen unterstützt. Dies zeigt, wie wichtig es ist, Schulen als primäre Anlaufstelle für psychische Gesundheitsversorgung zu betrachten und entsprechende Ressourcen bereitzustellen.

Es ist wichtig, dass wir die Ursachen und Auswirkungen dieser psychischen Krise verstehen, um frühzeitig intervenieren zu können. Dabei spielen sowohl die präventive Arbeit als auch die Bereitstellung von Unterstützung und Therapie eine entscheidende Rolle. Die Schaffung eines sicheren und stabilen Umfelds für Kinder und Jugendliche, in dem sie Unterstützung finden, ist unerlässlich. Ein Teil dieser Unterstützung besteht darin, ein besseres Verständnis für die langanhaltenden Auswirkungen von Trauma zu entwickeln und den Umgang mit solchen Erfahrungen zu erleichtern. Schulen, die eine bedeutende Rolle im Leben von Kindern und Jugendlichen spielen, müssen als Orte der Heilung und nicht nur des Lernens gefördert werden.

Die weit verbreitete Vernachlässigung des psychischen Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen muss als dringende gesellschaftliche Aufgabe anerkannt werden. Kinder, die nicht die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, tragen die Lasten ihrer unerkannten oder unbehandelten psychischen Leiden oft in ihr weiteres Leben. Die Schaffung eines robusten Systems von Unterstützungsdiensten, das in Schulen integriert ist, ist daher nicht nur eine Frage der Bildungspolitik, sondern auch der öffentlichen Gesundheit und des Wohlstands zukünftiger Generationen.

Wie können Schulen effektiv politische Unterstützung und Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit implementieren?

In der täglichen Arbeit von Schulen und Bildungseinrichtungen ist die Rolle von Lehrkräften, Schulleitungen und Schulpsychologen nicht nur auf die direkte Arbeit mit Schülern begrenzt, sondern erstreckt sich auch auf die Mitgestaltung von politischen Entscheidungen. Die Möglichkeit, als Experten im Bereich der schulischen psychischen Gesundheit in den politischen Prozess einzutreten, bietet einen wertvollen Zugang zur Verbesserung der Unterstützungssysteme für Schüler. Doch wie können diese Akteure in einem solchen Prozess wirksam Einfluss nehmen?

Zuallererst ist es wichtig zu verstehen, dass die Umsetzung von politischen Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen kann – sei es auf der Ebene der Schule selbst, des Schulbezirks oder auf staatlicher Ebene. In vielen Fällen hängt der Erfolg einer Politik von der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren ab. Auf dem Weg zu einer effektiven politischen Umsetzung ist es von zentraler Bedeutung, die Unterstützung der Gemeinde, der Eltern und anderer Interessengruppen zu gewinnen. Ein einzelner Schulpsychologe oder Lehrer hat oft nicht die Macht, große Veränderungen allein zu bewirken. Aber durch Kooperation und das Sammeln einer breiten Unterstützung können politische Initiativen gestärkt werden.

Ein Beispiel für den Erfolg durch direkte politische Einflussnahme könnte ein Vorfall in Las Vegas sein, als ein Schulpsychologe zufällig einem Schulratsmitglied in einem Casino begegnete. Nachdem er den Mut aufbrachte, das Gespräch zu suchen, wurden erste Gespräche über das Problem der niedrigen Bezahlung für Schulpsychologen geführt, was später zu weitreichenden Veränderungen führte. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, Gelegenheiten zu nutzen, um mit den richtigen Personen in Kontakt zu treten. Auch wenn dies oft unvorbereitet und spontan geschieht, kann eine offene Kommunikation und das Teilen von Erfahrungen zu konkreten Ergebnissen führen.

Die Erhöhung der Gehälter von Schulpsychologen in einem Fall nach Jahren der Advocacy zeigt, wie langwierig und gleichzeitig erfolgreich eine kontinuierliche Zusammenarbeit und das Aufzeigen konkreter Probleme sein können. Die Schaffung eines Dialogs zwischen verschiedenen Beteiligten, von Schulleitungen über lokale Regierungsbehörden bis hin zu Gewerkschaften, stellt eine tragende Säule für langfristige Veränderung dar.

Zudem sind kommunale Behörden oft wichtige Partner im Bereich der politischen Advocacy. Sie können nicht nur finanzielle Mittel bereitstellen, sondern auch Ressourcen und Unterstützung bieten, die für die Umsetzung von Programmen zur Unterstützung der psychischen Gesundheit von Schülern von Nutzen sind. Das Verständnis der Beziehungen zwischen lokalen Regierungen und Bildungseinrichtungen ist daher von entscheidender Bedeutung, um in diesem Bereich wirksam zu sein. Die Schulleiterin Leslie Baunach hebt hervor, dass die Teilnahme an lokalen Versammlungen, wie Stadtratssitzungen oder Bürgerversammlungen, eine wertvolle Möglichkeit darstellt, sich aktiv in die lokale politische Diskussion einzubringen.

Ein weiteres wichtiges Element ist die Umsetzung eines systematischen Modells zur Unterstützung der psychischen Gesundheit auf mehreren Ebenen. Die Praxis eines „Multi-Tiered Systems of Support“ (MTSS) bietet eine strukturierte Herangehensweise, um verschiedenen Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden, sei es durch allgemeine Präventionsstrategien, gezielte Interventionen oder intensive Unterstützung für Schüler mit signifikanten psychischen Gesundheitsbedürfnissen. Dieses System ermöglicht es Schulen, gezielt und differenziert auf die Bedürfnisse von Schülern einzugehen, ohne dabei die breite Masse der Schüler aus den Augen zu verlieren.

Das Verständnis und die gezielte Förderung der Ausbildung und Fortbildung von Schulpsychologen, Schulsozialarbeitern und Schulberatern sind ebenso unerlässlich. Verschiedene Berufsgruppen bringen unterschiedliche Perspektiven und Fachkenntnisse ein, die alle notwendig sind, um ein effektives und umfassendes Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, gezielt Strategien zur Rekrutierung, Ausbildung und Bindung dieser Fachkräfte zu entwickeln, um ihre wichtige Rolle im schulischen Kontext langfristig zu sichern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle von Eltern und Gemeindemitgliedern im Advocacy-Prozess. Häufig können Eltern und andere Gemeinschaftsmitglieder Dinge äußern oder sich für Themen einsetzen, die den Schulmitarbeitern unangenehm sein könnten. Diese externe Perspektive und die Unterstützung der Gemeinschaft können eine starke Stimme im Advocacy-Prozess sein. Wenn mehrere Gruppen oder Einzelpersonen mit einer gemeinsamen Botschaft auftreten, kann dies die politische Wirkung erheblich verstärken.

Abschließend lässt sich sagen, dass Schulen und Schulbehörden in der politischen Advocacy für psychische Gesundheit eine aktive Rolle spielen können. Indem sie als Experten auftreten, ihre Geschichten erzählen und enge Beziehungen zu den relevanten Entscheidungsträgern aufbauen, können sie direkte Veränderungen in den Unterstützungsstrukturen erreichen. Aber es erfordert auch kontinuierliche Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen, die Schaffung eines unterstützenden Netzwerks und die Bereitstellung von Ressourcen, um diese Veränderungen dauerhaft und effektiv umzusetzen.