In einer gerechten Welt könnte man erwarten, dass Individuen das Recht haben, sich frei zwischen Staaten zu bewegen, ohne dass sie durch staatliche Gewalt daran gehindert werden. Doch die Realität sieht anders aus. Staaten üben Macht aus, indem sie Menschen zwingen, in einem bestimmten geopolitischen Raum zu bleiben, und dieser Zwang wird oft als gerechtfertigt angesehen. Doch was passiert, wenn man diesen Zwang infrage stellt? Muss es immer moralisch gerechtfertigt sein, Menschen an der Grenze abzulehnen, oder gibt es Situationen, in denen der Ausschluss von Migranten nicht nur politisch, sondern auch moralisch gerechtfertigt ist?

Ein zentraler Punkt in dieser Debatte ist die Frage der Zwangsmaßnahme an den Grenzen. Coercion, wie sie in der Theorie der Migration diskutiert wird, bezeichnet den Zwang, den ein Staat über Individuen ausübt, um sie innerhalb seiner territorialen Grenzen zu halten. Zunächst könnte man argumentieren, dass der Staat nicht das Recht hat, die Menschen gewaltsam zu zwingen, in seiner Gesellschaft zu bleiben, vor allem wenn diese sich gegen diese Zwangsassoziation entscheiden. Doch dies bedeutet nicht automatisch, dass der Staat den Einzelnen auch das Recht gewähren muss, seinen Platz in der Welt zu wechseln, indem er die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt, um in einen anderen Staat zu ziehen.

Die Debatte um Zwang an den Grenzen wird oft von der Frage begleitet, ob der Ausschluss von Migranten wirklich als moralisch problematisch angesehen werden sollte. Im Fall von Migration geht es nicht nur um die Frage, ob die Ablehnung eines Menschen an der Grenze eine Form der ungerechten Ausgrenzung darstellt, sondern auch darum, welche Rechte der Einzelne in Bezug auf den Staat hat, in dem er sich aufhält oder in den er einreisen möchte. Theoretiker wie Abizadeh und Carens argumentieren, dass der Zwang, der sowohl auf diejenigen ausgeübt wird, die sich innerhalb eines Staatsgebiets befinden, als auch auf diejenigen, die an den Grenzen abgewiesen werden, ähnliche moralische Implikationen haben kann. Carens betont, dass die Unterscheidung zwischen denjenigen, die sich innerhalb des Staatsgebiets befinden, und denjenigen, die den Staat betreten wollen, moralisch fragwürdig sein könnte, da beide Gruppen letztlich denselben Zwang erfahren.

Jedoch könnte man erwidern, dass nicht nur die Schwere des Zwangs entscheidend ist, sondern auch die Art und Weise, wie der Zwang auf den Einzelnen ausgeübt wird. Es gibt Unterschiede zwischen den Rechten von Staatsbürgern, die innerhalb eines Staatsgebietes leben und daher den politischen Zwang dieses Staates erleben, und den Rechten von Menschen, die außerhalb dieses Gebietes leben und nur versuchen, Zugang zu diesem Staat zu erhalten. Ein Beispiel ist der Unterschied zwischen den Rechten eines britischen Staatsbürgers, der innerhalb des Vereinigten Königreichs lebt, und denen eines Menschen, der außerhalb lebt und versucht, dorthin zu ziehen. Ein solcher Ausschluss kann für den Migranten enttäuschend sein, aber er wird nicht notwendigerweise als moralische Ungerechtigkeit empfunden. Im Gegensatz dazu ist der Ausschluss für die Staatsbürger, die bereits unter den politischen Institutionen des Vereinigten Königreichs leben, ein tiefgreifender Eingriff in ihre Rechte.

In der Theorie wird häufig darauf hingewiesen, dass es keine allgemeine moralische Pflicht gibt, Migration zu fördern oder die Grenzen eines Staates immer zu öffnen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Staaten keinerlei Verpflichtung haben, die Auswirkungen des Ausschlusses auf das Leben von Migranten zu berücksichtigen. Vielmehr sollte ein Staat, der Migranten ablehnt, in der Lage sein, die Gründe für diese Ablehnung klar und gerecht zu formulieren. Was kann also als Rechtfertigung für den Ausschluss eines Migranten von einem Staat dienen? Die Antwort auf diese Frage variiert je nach politischer und philosophischer Perspektive.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in dieser Diskussion ist, dass der Zwang an den Grenzen nicht immer eine unbedingte moralische Pflicht zur offenen Grenze erfordert. Wie bei anderen Formen der Staatsgewalt müssen die moralischen und rechtlichen Grundlagen für den Zwang an den Grenzen präzise und verantwortungsvoll bestimmt werden. Der Zwang, der gegen Menschen ausgeübt wird, die an den Grenzen abgewiesen werden, ist nicht nur ein politisches Problem, sondern auch ein moralisches Problem. Die Tatsache, dass Menschen oft Gewalt erfahren oder in Haft genommen werden, wenn sie versuchen, in einen anderen Staat einzureisen, stellt eine fundamentale Herausforderung für die Vorstellung von Gerechtigkeit dar.

Es bleibt eine zentrale Frage, wie und wann Staaten ihre Grenzen schließen dürfen. Wer sollte entscheiden, ob eine Grenze offen oder geschlossen ist, und welche moralischen und praktischen Überlegungen sollten dabei eine Rolle spielen? Angesichts der unterschiedlichen Auswirkungen des Zwangs auf Menschen, die bereits in einem Land leben, und auf diejenigen, die sich darum bemühen, dorthin zu gelangen, sind klare und konsistente Regeln für den Ausschluss von Migranten erforderlich.

Die Prinzipien, die hier zur Diskussion gestellt werden, können nicht nur in Bezug auf Migration und nationale Grenzen betrachtet werden. Sie berühren auch grundlegende ethische Fragen über die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat. Was bedeutet es, Teil eines politischen Gemeinwesens zu sein? Wie beeinflusst diese Zugehörigkeit unsere Rechte und Pflichten? Es ist diese komplexe Wechselwirkung zwischen individueller Freiheit, politischer Zugehörigkeit und staatlicher Macht, die im Zentrum der Debatten über Migration und Grenzpolitik steht.

Wie kann ein Staat das Recht auf Ausschluss von Migranten legitimieren, und was bedeutet dies für die moralische Verpflichtung der Migranten?

Im Kontext der Diskussion über Migration und Staatsbürgerschaft stellt sich eine zentrale Frage: Wenn ein Staat das Recht hat, Migranten auszuschließen, was ist dann die moralische Grundlage für das Verhalten der Migranten, die dieses Recht missachten? Der Staat könnte in einem idealisierten Szenario durchaus im Recht sein, diese Grenze zu setzen, jedoch dürfen wir nicht leichtfertig annehmen, dass dies auch bedeutet, dass diejenigen, die versuchen, diese Grenze zu überschreiten, moralisch zu verurteilen sind. Eine ethische Bewertung erfordert mehr als nur die Feststellung, dass eine Regel existiert. Es geht darum, zu verstehen, unter welchen Bedingungen es gerechtfertigt ist, dass Individuen sich dieser Regel unterwerfen.

In einer solchen Diskussion müssen wir einige Annahmen treffen. Zunächst einmal nehmen wir an, dass der Staat, der Ausschluss erlassen hat, ein legitimer Akteur ist – dass es sich um einen Staat handelt, dessen Autorität grundsätzlich anerkannt wird. Für die Argumentation in diesem Zusammenhang müssen wir voraussetzen, dass es keine allgemeine Rechtfertigung für das Überqueren von Grenzen gibt, wie sie in den Theorien von Joseph Carens und Kieran Oberman vorgeschlagen wird. Diese Theorien gehen davon aus, dass das Recht auf freie Bewegung grundsätzlich besteht, was in diesem Rahmen als falsch angenommen wird. Der Staat könnte daher in der Tat das Recht haben, bestimmte Migranten auszuschließen, ohne dass dies grundsätzlich als ungerecht betrachtet wird.

Gleichzeitig müssen wir auch annehmen, dass der betreffende Staat mit dem Ausschlussgesetz tatsächlich eine rechtsgültige Norm setzt und dass das Gesetz selbst vorschreibt, dass einige Migranten das Land nicht betreten dürfen. Wenn jemand dennoch versucht, illegal einzutreten, wird dies als kriminelle Handlung betrachtet. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht alle Migranten, die gegen diese Regel verstoßen, pauschal als „illegal“ bezeichnet werden sollten. In einigen Fällen könnten besondere moralische Ansprüche existieren, etwa bei langjährigen und undokumentierten Bewohnern oder jenen, die auf der Grundlage von historischen oder internationalen Ungerechtigkeiten einen berechtigten Anspruch auf Migration haben.

Ein besonders relevanter Punkt ist die Frage, ob es eine moralische Verpflichtung gibt, einem Gesetz zu folgen, das nicht aus einer gerechten, sondern bloß aus einer autoritativen staatlichen Entscheidung hervorgeht. Ein Staat kann Gesetze erlassen, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Gesetze gerecht sind. Hier kommt der Gedanke von David Hume ins Spiel: Wenn ein Gesetz einen Nutzen für die Gesellschaft schafft, sollte es gerechtfertigt sein, diesem zu folgen. Doch wie verhält es sich mit einem Gesetz, das den Bürgern keine politischen Rechte einräumt und sie nicht in den Gesetzgebungsprozess einbezieht? Warum sollten diejenigen, die ausgeschlossen werden, sich den Regeln unterwerfen, wenn sie weder in die Erstellung der Regeln eingebunden sind noch einen tatsächlichen Nutzen davon haben?

Die Idee der Gegenseitigkeit, die in vielen politischen Theorien eine Rolle spielt, wird hier von John Rawls in seiner Theorie der Gerechtigkeit aufgegriffen. Für Rawls kann nur dann von einer gerechten Verteilung von Ressourcen und Pflichten gesprochen werden, wenn alle betroffenen Parteien in den Entscheidungsprozess einbezogen sind und die Verteilung auf eine faire Weise erfolgt. In Bezug auf Migration könnte diese Theorie kritische Fragen aufwerfen: Wenn Migranten keine Teilhabe an der politischen Gemeinschaft haben, die über ihre Aufnahme entscheidet, auf welcher Grundlage sollten sie sich dann den bestehenden Gesetzen unterwerfen?

Ein weiteres Element, das oft in dieser Diskussion übersehen wird, ist die historische Verantwortung eines Staates. Ein Land, das Migranten ausschließt, könnte dies aufgrund historischer Entscheidungen tun, die die gegenwärtigen Bedingungen für Migranten erschweren. Diese historische Dimension könnte moralische Ansprüche gegenüber dem Staat selbst auslösen. Zum Beispiel könnte ein Land, das koloniale oder imperialistische Vergangenheit hat, dazu verpflichtet sein, bestimmte Migranten aufzunehmen oder zumindest deren Ansprüche auf Asyl oder Einwanderung fairer zu behandeln.

Doch selbst in einem idealisierten politischen Kontext gibt es Grenzen dessen, was von Migranten erwartet werden kann. Auch in einem Rechtssystem, das grundsätzlich gerecht und inklusiv ist, könnten Gesetze existieren, die nicht unmittelbar moralisch gerechtfertigt sind, und dennoch gibt es eine gewisse Verpflichtung, diesen zu folgen, wenn der Staat eine legitime Autorität darstellt. Der Zustand der „Reziprozität“ – das gegenseitige Einverständnis in der sozialen und politischen Zusammenarbeit – könnte hier als Basis für die Verpflichtung dienen, auch dann, wenn ein Gesetz nicht perfekt gerecht ist, sondern lediglich das Resultat einer anerkannten staatlichen Ordnung.

Wichtig ist jedoch auch zu erkennen, dass eine solche Verpflichtung zur Gehorsamkeit nicht absolut ist. Besonders im Kontext der Migration müssen die moralischen und rechtlichen Verpflichtungen an die spezifischen Bedingungen und die ethische Qualität der Gesetze angepasst werden. Ein Gesetz, das Migranten ausschließt, muss nicht nur in einem allgemeinen rechtlichen Sinne beachtet werden, sondern muss sich auch einer moralischen Prüfung unterziehen, die die historische, politische und soziale Dimension der Migration berücksichtigt.

Wer hat ein moralisches Recht auf Migration, und wie rechtfertigt sich das Recht auf Ausschluss?

Autonomie ist nicht bloß die Fähigkeit, Entscheidungen im Moment zu treffen, sondern das Vermögen, ein Leben über Zeit hinweg zu gestalten. Sie erfordert Planung, Erinnerung und Antizipation, eingebettet in die soziale Welt, die wir mit anderen teilen. In dieser Perspektive wird Autonomie zur Zeitlichkeit menschlicher Existenz – das Selbst wird nicht als bloßer Handlungspunkt verstanden, sondern als Kontinuität, als ein Leben nach einem Plan, wie Rawls es beschreibt. Damit der Mensch diesen Plan verwirklichen kann, braucht er mehr als bloße Handlungsfreiheit. Er benötigt Bedingungen, die ihn dazu befähigen, seine Zukunft in Übereinstimmung mit seinem moralischen Selbstverständnis zu gestalten – inmitten anderer, die ebenfalls planen, handeln und gestalten.

Diese Notwendigkeit führt zur politischen Gesellschaft. Ohne verlässliche Strukturen, ohne festgelegte Erwartungen kann sich Autonomie nicht stabil entfalten. Staaten entstehen aus diesem Bedürfnis heraus – nicht als naturgegebene, sondern als moralisch begründbare Institutionen. Ihre Legitimität erwächst aus ihrer Fähigkeit, die Voraussetzungen für autonome Lebensführung zu schaffen und zu sichern. Doch gerade weil Staaten über Zwangsmittel verfügen, unterscheidet sich ihr Verhältnis zu den Individuen je nach deren Stellung innerhalb oder außerhalb der politischen Gemeinschaft.

Ein Staat ist nicht gegenüber allen Menschen gleichermaßen rechtfertigungspflichtig. Wer sich seiner Zwangsgewalt nicht unterworfen sieht, hat keinen moralischen Anspruch auf Mitgestaltung seiner Gesetze. Das heißt nicht, dass der Ausschluss stets gerechtfertigt wäre – sondern nur, dass seine Rechtfertigung eine andere ist als im Inneren des politischen Verbundes. Der Unterschied zwischen Menschenrechten und Bürgerrechten liegt genau hier: Menschenrechte gelten kraft des Menschseins, Bürgerrechte hingegen kraft der Zugehörigkeit zu einer spezifischen politischen Ordnung.

Das Recht auf Folterfreiheit etwa folgt unmittelbar aus dem Begriff der Autonomie: Ein gefolterter Mensch ist nicht mehr fähig, sich selbst als freies Subjekt zu begreifen. Andere Rechte – wie das Wahlrecht – dienen dazu, die politische Zwangsordnung vor denen zu rechtfertigen, denen sie unterworfen sind. Wer aber nicht dieser Ordnung untersteht, hat keinen Anspruch auf diese Form der Mitbestimmung – nicht, weil er weniger wert wäre, sondern weil der Bezugspunkt der Rechtfertigung fehlt.

Migration wird so zu einer Grenzlinie zwischen den beiden Sphären des Rechts. Es gibt Situationen, in denen das Recht auf Migration ein direktes Derivat der Menschenrechte ist – etwa wenn die politische, soziale oder wirtschaftliche Ordnung im Herkunftsland die grundlegenden Bedingungen autonomer Lebensführung zerstört. In solchen Fällen hat der Einzelne ein moralisches Recht zu gehen – und der liberale Staat eine Pflicht, aufzunehmen. Doch daraus folgt nicht, dass jeder Mensch ein Recht auf Zugang zu jedem Staat hat. Die bloße Attraktivität eines Landes, seine politischen Institutionen oder ökonomischen Vorteile begründen kein moralisches Zutrittsrecht. Ein liberales Gemeinwesen ist in seiner Aufnahmeverpflichtung begrenzt durch die Frage, ob die Bedingungen für ein Leben in Autonomie im Herkunftsland bereits gegeben sind.

Diese Sichtweise mag als konservativ erscheinen. Doch das Ziel ist nicht die Verteidigung gegenwärtiger Ausschlusspraktiken, sondern die Kritik an ihrer selektiven Anwendung. Denn faktisch existieren heute offene Grenzen – jedoch nur für die Reichen, die Mobilen, die Träger von Kapital oder seltener Qualifikationen. Gerade jene, deren Menschenrechte gefährdet sind, stoßen auf die härtesten Barrieren. Wenn der moralische Maßstab Autonomie ist, dann ist diese Praxis nicht nur willkürlich, sondern umgekehrt: Wer unterdrückt wird, wer in Armut lebt, wer nicht planen kann – gerade der hat das stärkste moralische Recht auf Migration.

Ein Staat darf ausschließen – aber nur unter der Bedingung, dass seine Grenzen nicht willkürlich verlaufen. Wenn der Ausschluss Menschen trifft, deren Autonomie anderweitig nicht geschützt ist, dann verliert er seine moralische Legitimität. Grenzen dürfen nicht als Mittel zur Bewahrung von Privilegien verstanden werden, sondern müssen Ausdruck einer politischen Ordnung sein, die auf Gleichheit, Rechtfertigung und Verantwortung basiert. Migration ist kein bloßer Wunsch, sondern in bestimmten Fällen Ausdruck eines moralischen Anspruchs. Staaten müssen sich daran messen lassen, ob sie diesen Anspruch anerkennen – und ob ihr Handeln denen gegenüber gerechtfertigt werden kann, die sie ausschließen.