In vielen OECD-Staaten ist ein beunruhigender Trend zu beobachten: Die Wahlrepräsentation bestimmter Themen sinkt dramatisch, je weiter man in der sozialen und wirtschaftlichen Hierarchie nach unten blickt. Insbesondere sozialpolitische Themen finden immer weniger Gehör, was zur Erosion des institutionellen Vertrauens beiträgt. Diese Entwicklung ist keineswegs zufällig. Sie steht im Zusammenhang mit einer immer weiter auseinanderklaffenden Kluft zwischen den etablierten politischen Institutionen und den Bürgern. Ein solcher Vertrauensverlust ist auch eine direkte Reaktion auf die Art und Weise, wie politische Parteien und die Medien heutzutage agieren.
In vielen westlichen Demokratien sind institutionelle Strukturen zunehmend von politischen und wirtschaftlichen Kräften durchzogen, die ihre eigenen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls durchsetzen. Besonders deutlich wird dies in den Vereinigten Staaten, wo ein ständiger Fluss von Desinformation und politischen Angriffen auf die Medien und die öffentliche Wahrnehmung das Vertrauen der Bürger weiter untergräbt. Politische Akteure und ihre Unterstützer haben gelernt, dass die Manipulation der öffentlichen Meinung eine entscheidende Waffe im politischen Kampf ist. Die Medien, als vermeintlich neutrale Instanz, stehen oft unter dem Druck, einer Balance zwischen extremen politischen Positionen zu entsprechen, was die Verbreitung von Halbwahrheiten und Verzerrungen begünstigt.
Ein besonders prägnantes Beispiel für diese Dynamik sind die politischen Kampagnen, die durch massive Investitionen in Werbung und PR geprägt sind. Die zunehmende Abhängigkeit von kommerziellen Medien und ihre Bereitschaft, extreme Narrative zu verbreiten, haben die politische Landschaft verändert. Dies betrifft nicht nur Wahlen, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung von politischen Ereignissen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Desinformation ist in vielen Fällen nicht mehr nur eine Nebenerscheinung der Politik, sondern ein bewusst eingesetztes Mittel zur Machtsicherung. In den USA etwa wurde die politische Kommunikation zunehmend von den Interessen von Superreichen und Großunternehmen bestimmt. Think Tanks, die mit finanziellen Mitteln ausgestattet sind, beeinflussen Entscheidungen, die den sozialen Zusammenhalt und die sozialen Sicherheitsnetze bedrohen. Dies führt zu einer "Hohlwerdung" der traditionellen Parteien und einer Entfremdung der Wählerschaft.
Die Folgen dieser Entwicklung sind weitreichend. In der politischen Kommunikation verschwindet die Grundlage für eine sachliche Debatte, die auf Fakten und fundierten Argumenten beruht. Stattdessen treten emotionale Appelle, Fehlinformationen und populistische Parolen immer mehr in den Vordergrund. Die Medien, einst die Wächter der Wahrheit, sind in dieser Situation schwer fassbar geworden. Sie sind zunehmend in die Rolle geraten, das Spiel der Politik zu spielen, statt es kritisch zu hinterfragen. Ein gefährlicher Teufelskreis hat sich entwickelt, in dem die öffentliche Meinung manipuliert wird, während gleichzeitig das Vertrauen in die demokratischen Institutionen weiter schwindet.
Ein weiteres zentrales Element dieser Problematik ist der wachsende Einfluss von sogenannten "libertären" Netzwerken, die nicht nur politische Einflussnahme ausüben, sondern auch aktiv versuchen, die demokratischen Strukturen selbst zu verändern. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte "Kochtopus" der Koch-Brüder, der ein langjähriges Projekt zur Förderung wirtschaftsliberaler und neoliberaler Politiken darstellt. Durch die Finanzierung von Think Tanks, Forschungszentren und politischen Kandidaten haben sie die politische Landschaft in den USA nachhaltig verändert. Ihre Initiativen zielen darauf ab, die politische Macht in den Händen weniger zu konzentrieren, während sie gleichzeitig den Einfluss der breiten Bevölkerung auf die Politik einschränken. Ein Teil dieses Projekts ist es, Wahlen zu manipulieren, die Demokratie zu untergraben und soziale Sicherheitssysteme abzubauen.
In den letzten Jahren ist diese Strategie besonders intensiv geworden. In den USA wurden Gesetze zur Wählerunterdrückung erlassen, und das Wahlsystem selbst wurde durch das sogenannte Gerrymandering verzerrt. Die politischen Entscheidungsträger, die von solchen Netzwerken unterstützt werden, setzen zunehmend auf eine aggressive Deregulierung und die Zerstörung sozialer Sicherheitsnetze. Diese Entwicklung zielt darauf ab, die soziale Kluft zu vergrößern und die Macht der Reichen und Mächtigen zu zementieren.
Die Politik, die durch die Verbreitung von Desinformation und die Manipulation der öffentlichen Meinung geprägt wird, ist ein ernstzunehmendes Problem für jede demokratische Gesellschaft. Diese Dynamik hat nicht nur Auswirkungen auf die politische Entscheidungsfindung, sondern auch auf das Vertrauen der Bürger in die politische Klasse und die demokratischen Institutionen. In einer Welt, in der die Wahrheit immer schwerer zu finden ist und die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, müssen wir uns fragen, wie wir als Gesellschaft mit dieser neuen Form der politischen Kommunikation umgehen wollen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Bürger und Medien sich der Realität dieser Manipulationen bewusst werden und sich aktiv für eine Rückkehr zu einer sachlicheren, faktenbasierten politischen Kommunikation einsetzen. Demokratische Gesellschaften sind nur dann stabil, wenn die Bürger die Möglichkeit haben, auf der Grundlage verlässlicher Informationen informierte Entscheidungen zu treffen. Die zunehmende Politisierung der Medien und die Verbreitung von Desinformation müssen als eine der größten Herausforderungen für die demokratische Kultur anerkannt werden.
Wie digitale Desinformation die Demokratie bedroht und wie sie reguliert werden kann
Desinformation ist nicht nur eine bloße Unwahrheit, die verbreitet wird, sondern ein tief verwurzeltes Problem in der politischen Kommunikation, das in der digitalen Ära neue Dimensionen angenommen hat. Die Geschichte der Desinformation reicht weit zurück, doch ihre Formen und Methoden haben sich besonders in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Es ist wichtig, sich dieser Entwicklung bewusst zu werden, um die Mechanismen besser zu verstehen, die dazu führen, dass Desinformation nicht nur existiert, sondern in der heutigen Gesellschaft und Politik immer mehr an Einfluss gewinnt.
Die Auswirkungen der digitalen Revolution auf die politische Kommunikation sind weitreichend. In der Vergangenheit war der Zugang zu Informationen streng kontrolliert. Institutionen, ob staatlich oder privat, fungierten als Gatekeeper. Doch das Internet hat diese Barrieren durchbrochen und eine neue Ära der Information eingeläutet. Mit der Möglichkeit, Inhalte sofort zu verbreiten und zu manipulieren, sind wir anfälliger für gezielte Desinformation geworden. In einer Zeit, in der Informationen schneller verbreitet werden als je zuvor, sind die traditionellen Mechanismen zur Wahrheitsfindung, wie etwa die redaktionelle Verantwortung und die journalistische Integrität, zunehmend unter Druck geraten.
Diese digitale Landschaft hat zu einer Fragmentierung der Informationsquellen geführt, die es den Nutzern erschwert, Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube haben es politischen Akteuren, Interessengruppen und sogar ausländischen Akteuren ermöglicht, gezielte Desinformationskampagnen durchzuführen. Diese Kampagnen können nicht nur die öffentliche Meinung beeinflussen, sondern auch die politische Landschaft langfristig verändern. Das Ergebnis ist eine zunehmend polarisiertes und misstrauisches Gesellschaftsbild, in dem die Menschen nicht mehr wissen, wem sie glauben können.
Ein besonders besorgniserregender Aspekt dieser Entwicklung ist die Rolle von Algorithmen, die diese Desinformation verstärken. Soziale Medien und digitale Plattformen belohnen oft Inhalte, die Aufsehen erregen, anstatt solche, die fundiert oder ausgewogen sind. Diese Dynamik führt dazu, dass Desinformation eine größere Reichweite erzielt als sachliche und überprüfbare Nachrichten. Menschen sind heutzutage mehr denn je auf die Algorithmen der Plattformen angewiesen, um ihre Nachrichten zu konsumieren, was die Verbreitung von Fehlinformationen weiter verstärkt.
Ein weiteres Problem ist die Rolle von wirtschaftlichen Interessen und politischen Netzwerken, die von Desinformation profitieren. Die Macht, die durch die Kontrolle von Informationen entsteht, wird von verschiedenen Akteuren genutzt, um ihre Ziele zu verfolgen. Dies führt zu einem komplexen Geflecht aus Interessen, das die öffentliche Diskussion zunehmend verzerrt. Politische Netzwerke wie das Koch-Netzwerk haben in der Vergangenheit Desinformation genutzt, um demokratische Prozesse zu behindern und ihre politischen Vorstellungen zu fördern. Diese Netzwerke haben nicht nur finanziellen Einfluss, sondern auch die Fähigkeit, gezielt Narrative zu entwickeln und zu verbreiten, die ihrer Agenda dienen.
Desinformation hat jedoch nicht nur negative Auswirkungen auf die politische Landschaft. Sie beeinflusst auch die soziale Struktur und das Vertrauen in Institutionen. In einer Zeit, in der die Menschen zunehmend die Glaubwürdigkeit von Nachrichtenquellen infrage stellen, leidet das Vertrauen in staatliche Institutionen und demokratische Prozesse. Der Verlust dieses Vertrauens ist gefährlich, da er das Fundament einer funktionierenden Demokratie erschüttert. Die Frage, wie dieses Vertrauen wiederhergestellt werden kann, ist ein zentrales Thema in der aktuellen Diskussion über Desinformation.
Die Herausforderung, gegen diese Form der Manipulation vorzugehen, ist gewaltig. Die Regulierung von Desinformation, insbesondere im digitalen Raum, ist ein Thema, das immer wieder auf der politischen Agenda steht. Während einige Stimmen fordern, dass Unternehmen wie Google, Facebook und Twitter stärker in die Verantwortung genommen werden, gibt es auch Bedenken, dass eine zu strenge Regulierung die freie Meinungsäußerung einschränken könnte. Es stellt sich die Frage, wie man einen fairen und transparenten Rahmen schaffen kann, der einerseits gegen die Verbreitung von Fehlinformationen vorgeht, andererseits aber auch die Rechte der Nutzer auf freie Meinungsäußerung schützt.
Es gibt mehrere Ansätze, wie mit dieser Bedrohung umgegangen werden kann. Eine Möglichkeit ist die Schaffung von Mechanismen, die den Nutzern helfen, Desinformation zu erkennen. Dies könnte durch die Förderung von Medienkompetenz und die Entwicklung von Tools zur Faktenprüfung erreicht werden. Eine andere Möglichkeit ist die stärkere Regulierung der Plattformen, um sicherzustellen, dass diese für die Verbreitung von Fehlinformationen zur Rechenschaft gezogen werden. Dies könnte durch strengere Anforderungen an die Transparenz von Algorithmen oder durch die Einführung von Aufsichtsbehörden geschehen, die die Praktiken der Plattformen überwachen.
Ein weiteres vielversprechendes Modell könnte die Stärkung des öffentlichen Rundfunks sein. In vielen Ländern fungieren öffentliche Rundfunkanstalten als vertrauenswürdige Quellen von Nachrichten, die nicht den gleichen kommerziellen und politischen Druck ausgesetzt sind wie private Medien. Der öffentliche Rundfunk könnte eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Desinformation spielen, indem er unparteiische und fundierte Informationen bereitstellt, die eine Gegengewicht zu den häufig einseitigen Berichterstattungen der sozialen Medien darstellen.
Es ist jedoch auch wichtig, dass die Bevölkerung in diesen Prozess einbezogen wird. Medienkompetenz und kritisches Denken sind unerlässlich, um den Herausforderungen der Desinformation zu begegnen. Nur wenn Menschen in der Lage sind, Desinformation zu erkennen und zu hinterfragen, kann eine wirksame Antwort auf das Problem gefunden werden. Die Förderung einer informierten Bürgerschaft ist daher ebenso entscheidend wie die Regulierung der Plattformen oder die Förderung von öffentlichen Medien.
Am Ende ist es notwendig, Desinformation nicht nur als ein technisches Problem zu betrachten, sondern auch als ein soziales und politisches Problem. Der Kampf gegen Desinformation erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl technologische als auch gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigt. Wenn wir diese Herausforderung nicht annehmen, wird die Demokratie weiter untergraben, und die Gesellschaft wird noch weiter polarisiert werden.
Warum erleben wir heute eine epistemische Krise? Die Rolle des neoliberalen Wandels und der sozialen Unsicherheit
Die letzten Jahrzehnte haben einen tiefgreifenden Wandel in der Wahrnehmung von Institutionen und der Art und Weise, wie wir Informationen konsumieren und verarbeiten, mit sich gebracht. Diese Veränderung hat nicht nur die Art und Weise geprägt, wie Gesellschaften die Wahrheit und den Zugang zu Informationen definieren, sondern auch das Vertrauen in zentrale Institutionen massiv erschüttert. Der Ursprung dieser Krise, die in vielen demokratischen und frisch demokratisierten Ländern spürbar ist, liegt jedoch nicht in einem plötzlichen technologischen Schock, der unser Urteilsvermögen in Bezug auf Wahrheit und Fiktion gestört hätte. Vielmehr ist sie das Ergebnis von tiefgreifender wirtschaftlicher Unsicherheit, die durch die neoliberalen Reformen seit der großen Rezession von 2008 verschärft wurde.
Das Ende des „Goldenen Zeitalters“ der nachkriegszeitlichen Sozialmärkte ist vielfach erklärt worden. In einer Analyse wird argumentiert, dass eine Kombination aus starkem Lohnwachstum, dem Aufholen der europäischen Nachkriegsländer sowie neu aufstrebender Volkswirtschaften eine Gewinnpressung für das Management und die Aktionäre bewirkte, was die Inflation anheizte und zum Zerfall des Bretton-Woods-Systems führte. Andere Erklärungen fokussieren auf externe Schocks wie die Ölkrisen der 1970er Jahre, während wieder andere die Fehler der Federal Reserve bei der Reaktion auf diese Herausforderungen kritisieren. All diese weltweiten, dramatischen Ereignisse, gefolgt von der großen Inflation der 1970er Jahre, führten zu einem Vertrauensverlust in die staatliche Verwaltung der Wirtschaft und zwangen Unternehmen, eine zunehmend oppositive Haltung gegenüber der Regulierungspolitik einzunehmen.
In den USA insbesondere prägte die historisch schwache Rolle der Arbeiterbewegung in Vergleich zu anderen fortschrittlichen Demokratien, die tiefen Rassenspaltungen und die florierende Konsumermobilisierung, die sich gegen die Arbeiterbewegung stellte, die politische Landschaft. Dies führte zu einer Serie von Niederlagen für die Arbeiter, die durch die Reagan-Revolution verstärkt und in den 1990er Jahren von den Clinton-Demokraten weiter normalisiert wurden. Diese politischen und institutionellen Veränderungen verwandelten das Machtgefüge in der Wirtschaft, was es Investoren, Managern und Finanzakteuren ermöglichte, jegliches Wachstum in der Produktivität seit den 1970er Jahren zu extrahieren. Das Resultat war eine weit verbreitete wirtschaftliche Unsicherheit bei gleichzeitiger Ansammlung von enormem Reichtum in den Händen einer sehr kleinen Minderheit.
Forscher, die sich mit den sozialen und politischen Dynamiken nach der großen Rezession befassen, haben einen starken Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit und dem Anstieg populistischer Stimmen, besonders von anti-establishment Kräften, festgestellt. In Zeiten von wirtschaftlicher Bedrohung und Unsicherheit verlieren die Menschen das Vertrauen in alle Eliten, da diese oft den Eindruck vermitteln, sie führten die Gesellschaft in die Irre. Diese Entwicklung ist nicht nur das Resultat einer ideologischen Auseinandersetzung, sondern auch das Produkt einer breiten gesellschaftlichen Transformation, die das Vertrauen in staatliche Institutionen und ihre Fähigkeit zur gerechten und effektiven Steuerung zerstört hat.
Die politischen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre spielten eine entscheidende Rolle bei dieser Entwicklung. Es war nicht nur die Rechte, die mit dem modernen High-Tech-Management und der Expertise der Eliten brach. Vielmehr war auch die Linke zunehmend skeptisch gegenüber der Überzeugung, dass wissenschaftliches Management von einer weißen, männlichen Elite das Wohl der Gesellschaft sichern könnte. Bewegungen wie die der Frauen, die Bürgerrechtsbewegung, sowie die Anti-Kriegsbewegung begannen, die patriarchalischen und rassistischen Strukturen dieses Systems zu hinterfragen. Zugleich wuchs die Unterstützung für die Konsumentenbewegung, die mit der Arbeiterbewegung in Konflikt trat und die Deregulierung von Industrien wie den Airlines und der Lebensmittelwirtschaft vorantrieb.
Diese Periode führte zu einer Verschiebung in der Art und Weise, wie Unternehmen Politik betrieben. Die Reaktion auf die Verluste, die durch die fortschreitenden Konsumenten- und Umweltbewegungen erlitten wurden, führte zu einer stärkeren Lobbyarbeit in Washington und den Bundesstaaten. Dies geschah parallel zu einem kulturellen Wandel, bei dem die Medien in immer stärkerem Maße mit den Eliten kooperierten, anstatt die verschiedenen Perspektiven der Kritiker aus der Gesellschaft zu vertreten. Es war diese Entwicklung, die das Vertrauen in die institutionelle Objektivität und Autonomie der Medien untergrub und dazu führte, dass die Menschen sich nach alternativen Quellen von Information und Wahrheit umschauten.
Die heutige epistemische Krise ist demnach keine einfache Folge technischer Entwicklungen oder eines spezifischen Medienphänomens. Sie muss als Teil eines umfassenden Wandels in der politischen Ökonomie und der sozialen Struktur verstanden werden, der mit der neoliberalen Umstrukturierung der Wirtschaft seit den 1980er Jahren und der Vertiefung der sozialen Ungleichheit seit der großen Rezession zusammenhängt.
In vielen Ländern beobachten wir einen Anstieg des Misstrauens gegenüber traditionellen Institutionen und Medien, was nicht nur eine Folge von technologischen Innovationen oder einer „Verwirrung der Wahrheiten“ ist. Es handelt sich vielmehr um eine Antwort auf die wirtschaftliche Unsicherheit und die politische Fragmentierung, die durch diese Unsicherheit entstanden ist. Dieser Prozess hat die Bürger in einem Zustand der Identitätsunsicherheit und Verunsicherung zurückgelassen, was es populistischen Bewegungen ermöglicht hat, wirtschaftliche Ängste mit ethnischen, rassischen und genderbezogenen Fragen zu verknüpfen und so neue politische Dynamiken zu schaffen.
Die kritische Rolle der Institutionen, die für die Sammlung, Überprüfung und Verbreitung von Wissen zuständig sind, wird in diesem Kontext noch deutlicher. Sie sind zunehmend nicht nur mit dem Vorwurf konfrontiert, der politischen Einflussnahme und Verzerrung zu erliegen, sondern auch mit einem ernsthaften Vertrauensverlust seitens der Bevölkerung, die sie als nicht mehr im Einklang mit ihren realen Erfahrungen empfindet.
Warum soziale Medien und ihre Algorithmen die Nachrichtenwelt dominieren
Es ist verführerisch, den Schaden einzelner viraler Beiträge zu thematisieren, doch dabei übersieht man oft, dass die virale Verbreitung von Inhalten nicht nur durch die Posts selbst bedingt ist, sondern vor allem durch die Unternehmen, die die Informationsströme kontrollieren. Diese dominierenden Plattformen – allen voran Facebook, Google und Amazon – üben durch ihre Marktbeherrschung enorme Macht aus. Nur 29 Prozent der Amerikaner und Briten wissen, dass ihr Facebook-Feed algorithmisch organisiert ist, wobei die Finnen mit 39 Prozent die besten Werte erzielen. Diese Kontrolle über die Informationsverbreitung verleiht sozialen Medien eine ungeheure Macht.
Der wahre Ursprung dieser Macht liegt in der Marktbeherrschung der Plattformunternehmen. Amazon, Apple, Alphabet (die Muttergesellschaft von Google und YouTube), Facebook (das auch Instagram und WhatsApp besitzt) und Microsoft (Eigentümer von LinkedIn) machen zusammen etwa ein Siebtel des gesamten Werts des amerikanischen Aktienmarkts aus. Diese Konzentration von Unternehmen innerhalb eines Sektors des Aktienmarkts ist beispiellos. Historische Geschäftsanalysen helfen jedoch, zu verstehen, wie solche Verhältnisse den Inhalt von Medien beeinflussen. Seit über einem Jahrzehnt fordern Wirtschaftshistoriker, dass auch Management- und Unternehmensforscher die Geschichte ernster nehmen, um heutige Phänomene zu verstehen. Diese Sichtweise ist auch für die Medienbranche von entscheidender Bedeutung.
Ein bemerkenswerter Fall ist der 2019 zum Bestseller gewordene Aufsatz von Shoshana Zuboff, emeritierte Professorin an der Harvard Business School. In ihrem Werk „Surveillance Capitalism“ argumentiert sie, dass Unternehmen durch das Sammeln und Auswerten von Daten unser Verhalten lenken und monetarisieren. Sie nennt diesen Prozess „Überwachungskapitalismus“, weil diese Firmen das Online-Verhalten überwachen, um es zu kommerzialisieren. Das Nachverfolgen des Nutzerverhaltens wurde für den Erfolg dieser Unternehmen entscheidend. Kritiker wie Evgeny Morozov werfen Zuboff vor, den kapitalistischen Aspekt der Geschäftsmodelle dieser Unternehmen zu übertreiben, da deren Targeting und Werbung oft weniger effektiv sind als behauptet.
Die Geschichte des Geschäfts und der Medien zeigt uns, dass Informationsflaschenhälse immer schon existiert haben. Heute sind es Unternehmen wie Facebook und Google, die diese Funktion übernehmen, doch ihre Rolle als Informationsfilter erinnert an die Nachrichtenagenturen des 19. und 20. Jahrhunderts. Bereits im 19. Jahrhundert besaßen Nachrichtenagenturen wie Reuters eine ähnliche Macht, indem sie mithilfe der neuen Technologie von Seekabeln Nachrichten aus aller Welt sammelten und diese über Telegrafen in die Heimatländer übermittelten, damit Zeitungen sie veröffentlichen konnten. Aufgrund der hohen Kosten für Korrespondenten und Telegrafen gab es nur wenige solcher Agenturen, die dadurch die Informationsflüsse kontrollierten. In Deutschland beispielsweise besaßen 1926 90 Prozent aller Zeitungen keine eigenen Korrespondenten im Ausland oder in Berlin und bezogen ihre nationalen und internationalen Nachrichten nur von Nachrichtenagenturen oder Syndikaten. Auch wenn die Nachrichten heute durch Algorithmen organisiert werden, bleibt das Problem einer Monopolstellung von Informationsvermittlern ein altbekanntes.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Bedeutung von Nachrichtenagenturen erneut zugenommen. Immer mehr Zeitungen entlassen ihre ausländischen Korrespondenten und veröffentlichen vermehrt Agenturmeldungen. So enthielt beispielsweise die Titelstory der kanadischen Zeitung Globe & Mail am 22. Juli 2019 von neun internationalen Meldungen nur eine aus eigener Recherche, während acht Meldungen von internationalen Nachrichtenagenturen stammten.
Die Entwicklung der Medienwelt zeigt auch, wie stark Unternehmensstrukturen den Inhalt beeinflussen können. Ein Beispiel aus der Geschichte ist der deutsche Unternehmer Alfred Hugenberg. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg baute er ein riesiges Medienimperium auf, das von Zeitungen bis zu Filmproduktionen reichte. Hugenberg nutzte Techniken der vertikalen Integration, die ursprünglich aus der Schwerindustrie stammten, um alle Aspekte des Zeitungs- und Mediengeschäfts zu kontrollieren – von der Papierproduktion bis zur Werbung. Er übernahm große Zeitungsverlage und gründete sogar ein eigenes Filmunternehmen, Universum-Film AG (UFA), das in den 1920er Jahren eine zentrale Rolle im deutschen Kino spielte. Hugenbergs Medienimperium war nicht nur im Bereich der Printmedien tätig, sondern erstreckte sich auch auf Nachrichtenagenturen, die die Berichterstattung in vielen Zeitungen und Magazinen maßgeblich prägten.
Diese Art der Medienkonzentration und -kontrolle führte zu einer Polarisierung der Informationslandschaft. Hugenbergs Unternehmen standen in engem Zusammenhang mit nationalistischen und antisozialistischen politischen Strömungen. Bis 1933 war das politische Ziel von Hugenbergs Medienwelt, die politische und wirtschaftliche Ausrichtung Deutschlands zu beeinflussen, ohne jedoch einer Partei direkt zugehörig zu sein. Dies führte dazu, dass Nachrichten in Hugenbergs Medienimperium eine klare politische Ausrichtung erhielten, auch wenn sie offiziell als unparteiisch galten.
Auch heute noch zeigen sich ähnliche Muster in der Medienlandschaft. Die Konzentration von Medienmacht und die Kontrolle über den Informationsfluss sind nach wie vor ein zentrales Problem, das die politische Landschaft beeinflusst. Der Aufstieg von Medienunternehmen, die auf spezifische politische Ausrichtungen ausgerichtet sind, etwa konservative Talk-Radiosendungen oder neue Medieninitiativen, hat die Informationsverteilung in einer Weise verändert, die für die politische Kultur von großer Bedeutung ist. Die langfristigen Auswirkungen dieser Dynamiken sind heute noch nicht vollständig verstanden, doch sie haben das politische und soziale Klima weltweit beeinflusst.
Wie Desinformation die Demokratie bedroht: Eine historische Perspektive
In den letzten Jahren wurde in vielen Demokratien der Welt zunehmend Aufmerksamkeit auf die Ausbreitung von Desinformation, „Fake News“ und Fehlinformationen gerichtet. Medienorganisationen und Social-Media-Plattformen in verschiedenen Ländern verbreiten Verschwörungstheorien, erfinden „alternative Fakten“, erfinden fiktive Ereignisse oder schieben politische Gegner für wahre Vorfälle die Schuld zu. Bereits im Dezember 2019, nach 1.055 Tagen im Amt, hatte Präsident Donald Trump die amerikanische Öffentlichkeit 15.413 Mal in die Irre geführt oder gelogen. In der Zeit vor den Zwischenwahlen 2018 lag sein täglicher Durchschnitt bei 30 falschen oder irreführenden Aussagen. Unbeeindruckt von Berichten über seine wiederholte Täuschung, begegnete Trump diesen mit dem allgemeinen Vorwurf der „Fake News“. Trotz Trumps beispielloser Rolle als „Lügner-in-Chief“ konnte die Mainstream-Presse in den USA wenig mehr tun, als eine laufende Zählung seiner täglichen Lügen zu führen. Diese Normalisierung von Desinformation verleiht ihren Verfechtern Legitimität und verbreitet Verwirrung unter den Bürgern, die nicht verstehen können, was mit ihrem Land geschieht.
Desinformation wird hier als absichtliche Falschheit oder Verzerrung definiert, die oft in Form von Nachrichten verbreitet wird, um politische Ziele zu fördern. Diese Ziele reichen von der Diskreditierung von Gegnern, der Störung politischer Debatten und der Beeinflussung von Wählern bis hin zur Schürung bestehender sozialer Konflikte oder der Schaffung eines allgemeinen Hintergrunds der Verwirrung und Informationslähmung. Verschiedene Nationen haben ihre eigenen Ausprägungen dieses Problems, vielleicht angeführt von den USA und Großbritannien während der Brexit-Ära. Auch in anderen Demokratien weltweit existieren ähnliche Phänomene, etwa die massive Propaganda über Einwanderer und den Klimawandel, die von der Alternative für Deutschland (AfD) und ihren Anhängern in Deutschland verbreitet wird.
In autoritären Regimen, wie etwa in Ungarn, Polen oder der Türkei, unterstützt Desinformation den Übergang zu autoritären Systemen mit offener Pressezensur und der Aussetzung grundlegender Rechte und Rechtsprozesse. Auch in diesen Ländern sind die Formen der Desinformation eng mit politischen Machtverschiebungen verknüpft.
Die Grundlage dieser Entwicklungen liegt in einer Krise der Legitimität autoritativer Institutionen, die für die heutige Desinformationsstörung zentral ist. In einem gut funktionierenden öffentlichen Raum verankern Institutionen die öffentliche Debatte, indem sie eine Mischung aus konkurrierenden politischen Zielen, autoritativen Beweismitteln und Normen für die Kommunikation und Lösung von Meinungsverschiedenheiten bieten. Doch die Normen der vernünftigen Debatte zwischen konkurrierenden Standpunkten haben sich einem willentlichen Verzerren der Realität und verantwortungslosen Falschdarstellungen gebeugt, die die grundlegende Funktionsweise demokratischer öffentlicher Räume stören. In wichtigen politischen Fragen, wie etwa der Einwanderung oder dem Klimawandel, sind Gegner stets bereit, „alternative Fakten“ zu präsentieren, die Wahrnehmungen der Probleme und Lösungen verzerren.
Ein weiterer Aspekt dieser Krise ist die schwindende Autorität traditioneller Institutionen. In einer demokratischen Gesellschaft sind diese Institutionen die Hüter der öffentlichen Ordnung und der gemeinsamen Wahrheiten. Doch mit dem Verlust des Vertrauens in diese Institutionen wird die Grundlage des öffentlichen Diskurses erschüttert. Statt auf verlässliche Quellen und Beweise zurückzugreifen, werden alternative Narrative verbreitet, die die Gesellschaft spalten und den Dialog zwischen verschiedenen politischen Gruppen unmöglich machen.
Die Erklärung für diesen tiefgreifenden Wandel in der Kommunikationslandschaft liegt nicht nur in der zunehmenden Verbreitung von sozialen Medien, auch wenn diese eine wesentliche Rolle spielen. Plattformen wie Facebook und YouTube nutzen Algorithmen, um Inhalte zu verbreiten, die Empörung und Hass fördern, da diese Emotionen hohe Klickzahlen generieren. Doch diese Sichtweise erklärt nicht, warum die Nachfrage nach Desinformation in der Gesellschaft insgesamt gestiegen ist oder wie ausgewählte Inhalte in sozialen Medien die politische Realität beeinflussen können. Es ist vielmehr ein komplexes Zusammenspiel von technologischen, sozialen und politischen Faktoren, das diese Entwicklung begünstigt hat.
Desinformation hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie wir politische Nachrichten konsumieren, sondern auch die Grundlagen demokratischer Prozesse selbst untergraben. Institutionen, die früher als vertrauenswürdige Quellen von Informationen galten, verlieren zunehmend ihre Glaubwürdigkeit, während politische Akteure die Lücke füllen, indem sie ihre eigene Version der Wahrheit anbieten. Dies führt zu einem Zustand der Unsicherheit, in dem es immer schwieriger wird, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. In diesem Chaos geraten die Bürger in eine Lage der kognitiven Überforderung, in der sie nicht mehr in der Lage sind, fundierte politische Entscheidungen zu treffen.
Die Verantwortung der Medien und der Öffentlichkeit in einer solchen Umgebung wird zunehmend komplexer. Medien, die früher als objektive Vermittler von Informationen galten, sind heute häufig Teil des Problems. Sie müssen sich der Frage stellen, wie sie ihre Integrität und Autorität wiederherstellen können, ohne den politischen Druck zu unterliegen. Die Herausforderung liegt darin, die Prinzipien der Aufklärung und der rationalen Debatte zu bewahren, während gleichzeitig den veränderten Kommunikationsrealitäten Rechnung getragen wird. Denn in einer Welt, in der Desinformation so weit verbreitet ist, ist es nicht nur wichtig, Fakten zu präsentieren, sondern auch die sozialen und politischen Strukturen zu verstehen, die diese falschen Narrative ermöglichen.
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