Der Konservatismus, wie er sich in der politischen Geschichte darstellt, ist weit mehr als nur eine politische Haltung gegen Veränderungen. Oft wird er als ein reaktionärer Impuls beschrieben, der darauf abzielt, bestehende Ordnungen zu bewahren, manchmal sogar um jeden Preis. Doch dieser Begriff ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, da Konservative immer wieder in den Diskurs über Reformen und revolutionäre Veränderungen eingreifen, selbst wenn sie diese grundsätzlich ablehnen. Der grundlegende Widerspruch, der in der Haltung des Konservatismus liegt, wird oft darin erkennbar, wie er sich gegenüber reformistischen Bewegungen verhält, die als Bedrohung für das etablierte politische System wahrgenommen werden.
Der Ursprung vieler konservativer Reaktionen auf gesellschaftliche und politische Reformen liegt in der Vorstellung, dass Reformen zu Revolutionen führen könnten. Bereits Edmund Burke, einer der bekanntesten Philosophen des Konservatismus, stellte sich gegen die Vorstellung, dass ein langsames und geordnetes Reformverfahren das bestehende politische System nicht destabilisieren könnte. In einer seiner Schriften zur französischen Revolution fragte er sich, ob das Öffnen eines Teils der Verfassung zur „Untersuchung“ nicht zwangsläufig auch das gesamte System gefährden würde. Diese Argumentation wurde oft von konservativen Kräften in verschiedenen Epochen wiederholt: Reformen sind zu revolutionär, auch wenn sie als nur schrittweise oder moderat erscheinen.
Ein besonders anschauliches Beispiel für diese Haltung lässt sich in der britischen Geschichte finden. Als das Wahlrecht durch die Reformgesetze des 19. Jahrhunderts erweitert wurde, reagierten viele Konservative mit der Behauptung, dass diese Änderungen eine Revolution darstellten, auch wenn sie in den Augen der Reformbefürworter nur als notwendige Anpassungen an die neue gesellschaftliche Realität verstanden wurden. Lord Carnarvon etwa bezeichnete das Reformgesetz von 1867 als eine „Revolution“, obwohl es nur eine schrittweise Erweiterung des Wahlrechts darstellte. Auch in den USA wurde jede Veränderung am politischen System – selbst solche, die auf die Gewährung grundlegender Rechte für bestimmte Bevölkerungsgruppen abzielten – oft als revolutionär und destabilierend empfunden. Das Veto von Präsident Andrew Jackson gegen die Charter der Zweiten Bank der Vereinigten Staaten wurde von seinen Gegnern als Manifest einer Anarchie bezeichnet, das den grundlegenden Prinzipien des politischen Systems zuwiderlief.
Die Position der Konservativen in Bezug auf Veränderungen und die Bewegung der Gesellschaft hin zu mehr Gleichberechtigung und politischer Teilnahme ist seit jeher widersprüchlich. Während viele konservative Denker und Politiker der Vergangenheit sich vehement gegen die Emanzipation von Sklaven oder das Frauenwahlrecht stellten, gab es auch solche, die diese Bewegungen letztlich akzeptierten – allerdings meist unter der Prämisse, dass diese Emanzipationen in einer Form stattfinden sollten, die nicht das gesamte gesellschaftliche Gefüge gefährdete. In der modernen konservativen Rhetorik ist dies noch immer erkennbar, wenn zum Beispiel Rechte wie die Gewerkschaftsrechte oder reproduktive Freiheiten weiterhin als Bedrohung für die soziale Ordnung betrachtet werden.
Interessanterweise haben viele Konservative im Laufe der Geschichte den Begriff der „Emanzipation“ auf verschiedene Weise interpretiert. Während einige konservative Denker, wie Michael Gerson, die historische Ablehnung vieler sozialer Bewegungen durch ihre Ideologie anerkennen, gibt es nach wie vor konservative Stimmen, die versuchen, sich mit bestimmten sozialen Bewegungen in Verbindung zu setzen, vor allem jenen, die den Schutz traditioneller Werte betonen. So etwa im Fall der Bürgerrechtsbewegung, wo es in der konservativen Bewegung eine Spaltung gibt zwischen jenen, die diese Rechte ablehnten, und jenen, die versuchten, sich mit den aufkommenden sozialen Normen auseinanderzusetzen.
Der Konservatismus hat sich im Laufe der Geschichte nicht nur gegen die „Linke“ als politische Bewegung gestellt, sondern auch in seiner Haltung zur Rolle der Massen auf der politischen Bühne eine bedeutende Wandlung erfahren. Von den aristokratischen Vorstellungen, die die Massen als bloße Untergebene oder Stützen der bestehenden Machtordnung betrachteten, hin zu einem zunehmend inklusiven, aber nicht gleichberechtigten Ansatz, bei dem die unteren Schichten durch symbolische Zugehörigkeit zur Elite an den politischen Diskurs teilnehmen konnten – dieser Wandel zeigt eine interessante, wenn auch paradoxe Entwicklung innerhalb des Konservatismus. Der Konservative der Moderne akzeptiert die Existenz der Massen als politische Kraft, aber meist nur in einer Weise, die das bestehende Hierarchiesystem nicht in Frage stellt.
Was jedoch unvermindert bleibt, ist die Tendenz des Konservatismus, sich als Verteidiger einer stabilen Ordnung zu begreifen, die vor allem vor den Risiken und Unsicherheiten der revolutionären Veränderungen schützt. In dieser Hinsicht bleibt der Konservatismus als politische Haltung ein aktiver Bestandteil der politischen Reaktion auf das Streben nach Emanzipation und sozialen Reformen. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Reaktionsfähigkeit in einem historischen Kontext zu verstehen, um die komplexe Beziehung zwischen Reform und Revolution, zwischen Fortschritt und Stabilität zu begreifen.
Endtext.
Warum der Konservatismus nicht nur eine ökonomische Theorie ist: Die tiefere Bedeutung der Reaktion auf Revolutionen
Die aktuelle politische Landschaft ist von einem seltsamen Phänomen geprägt: Viele Menschen, die konservative Instinkte hegen, fühlen sich gezwungen, sich für diese zu entschuldigen oder sie zumindest in einer Weise zu relativieren, die fast einem feigen Schuldeingeständnis gleicht. Diese Tendenz ist besonders ausgeprägt bei Politikern wie Richard Nixon, der die konservativen Republikaner als „wirtschaftliche Konservative, aber auch Konservative mit Herz“ bezeichnete, oder Dwight D. Eisenhower, der während seiner Präsidentschaft erklärte, er sei in wirtschaftlichen Fragen konservativ, aber in sozialen und menschlichen Fragen liberal. Solche Aussagen sind in Wirklichkeit nichts anderes als eine Bestätigung der Auffassung, dass der Konservatismus lediglich eine enge, mechanistische ökonomische Theorie darstellt, die gut als Anleitung für Buchhalter dienen kann, aber als umfassende politische Philosophie versagt.
Im Kern steckt die Annahme, dass der Verteidiger des alten Regimes entweder zu stumpf oder zu träge ist, um die drohende Katastrophe zu erkennen, die sich am Horizont abzeichnet. Ein Beispiel für einen solchen Konservativen ist John C. Calhoun, der sich während der 1830er Jahre über die „leichte Lebensweise“ und die „willentliche Unwissenheit“ seiner Mitstreiter beklagte, als die Abolitionisten begannen, ihre Sache voranzutreiben. Er war wütend über die Nachlässigkeit und den Mangel an politischer Aktivität seiner Mitbürger im Süden der USA, die den drohenden Wandel nicht erkannten oder nicht in der Lage waren, sich ihm entgegenzustellen. Diese Reaktion ist typisch für den konservativen Impuls, der oft nur dann auftritt, wenn das alte System bedroht oder bereits zerstört wurde.
Oakeshott argumentierte, dass Konservatismus „keine Glaubensrichtung oder Doktrin, sondern eine Haltung“ sei, eine Haltung, die vor allem das Bestehen auf der Gegenwart betone. Diese Haltung basiert nicht auf einem ideologischen Reflex oder einer bewussten Wahl, sondern vielmehr darauf, dass das Bekannte, das Gewohnte, das Vorhandene als einziges „Gutes“ geschätzt wird. Doch Oakeshott übersieht eine wesentliche Wahrheit: Der Konservatismus entsteht gerade dann, wenn das bestehende System einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt ist. Der Konservative genießt die Gegenwart nicht aus einer bloßen Neigung zur Bequemlichkeit, sondern weil er weiß, dass diese Gegenwart – so unvollkommen sie auch sein mag – in Gefahr ist, von einer radikal anderen Ordnung abgelöst zu werden.
Die konservative Reaktion auf den Verlust eines alten Regimes ist oft von einer Art von Bewunderung für die revolutionären Kräfte geprägt, die das neue System etablieren. Joseph de Maistre, ein prominenter Konservativer, bewunderte trotz seiner Ablehnung die unerschütterliche Entschlossenheit und die Brutalität der Jakobiner. Er empfand den revolutionären Elan der Jakobiner als eine Kraft, die in der Lage war, das Land von seiner Verkrustung zu befreien und ihm zu einer neuen, aber blutigen „Stärke“ zu verhelfen. Die revolutionäre Regierung, so Maistre, „härtete die Seele Frankreichs, indem sie sie im Blut temperte“. Diese Anerkennung des revolutionären Feindes wird oft missverstanden. Der Konservative bewundert die Entschlossenheit der Revolutionäre, auch wenn er ihre Ziele ablehnt. Dies führt zu einem paradoxen Aspekt der konservativen Philosophie: Der Konservative strebt oft selbst eine ähnliche Dynamik und Entschlossenheit an, um das alte Regime gegen die Umwälzungen zu verteidigen.
Edmund Burke, ein weiterer bedeutender Denker der konservativen Tradition, beschreibt in seinen „Reflections on the Revolution in France“ die fundamentalen Unterschiede zwischen dem alten Regime und der revolutionären Bewegung. Für Burke ist das alte Regime „schön“, aber schwach – eine träge, schlaue, beinahe statische Form der Macht. Das revolutionäre Regime hingegen ist „erhaben“, dynamisch und kraftvoll. Diese Erhabenheit entsteht nicht durch Schönheit oder Anmut, sondern durch die Fähigkeit, Extreme zu ertragen und gleichzeitig eine tiefgreifende Furcht zu erzeugen, die den Menschen zu einer Reflexion über sich selbst und die Welt anregt. Die Revolution ist somit nicht nur eine Bewegung des Umsturzes, sondern auch eine Erhebung des Bewusstseins über die eigene Vergänglichkeit und die Notwendigkeit, sich zu verändern. Burke argumentiert, dass die alte Ordnung aufgrund ihrer Trägheit und Schönheit den Sturm der Revolution nicht abwehren konnte. Ihre Schönheit wurde zu einer ihrer Schwächen.
Doch der Konservative tut mehr als nur eine Opposition gegen das revolutionäre Zeitalter aufrechtzuerhalten. Er lernt aus der revolutionären Dynamik. Burke sagt, um den revolutionären Feind zu besiegen, müsse die Gegenkraft eine ähnliche „Kraft und Geist“ entfalten. Der Konservative wird, gewollt oder ungewollt, von der revolutionären Energie beeinflusst und findet Wege, sich diese zu eigen zu machen, um das alte System zu verteidigen. Dies ist eine der faszinierendsten und am wenigsten verstandenen Facetten des Konservatismus.
Die Herausforderung für den Konservativen besteht jedoch nicht nur darin, das alte Regime zu bewahren, sondern auch darin, mit den Veränderungen der Zeit zu navigieren. Während die Revolution als Bruch mit der Vergangenheit gesehen wird, ist es die Aufgabe des Konservativen, nicht nur das Alte zu bewahren, sondern die richtigen Mechanismen zu finden, um es im Angesicht der modernen Welt zu verteidigen. In diesem Kontext wird die Bedeutung der Konservativen Philosophie oft missverstanden: Es geht nicht nur um die Bewahrung des Status quo, sondern auch um die Fähigkeit, der Veränderung mit einer gewissen Weisheit und Kraft zu begegnen.

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