Kriechen ist die zeitabhängige und dauerhafte Deformation von Materialien, die einer konstanten Last oder einem konstanten Stress ausgesetzt sind. Dieses Phänomen tritt bei allen Materialtypen auf, jedoch wird es bei Metallen erst bei Temperaturen über etwa 0,4 des Schmelzpunktes relevant. Für technische Anwendungen ist Kriechen oft ein unerwünschtes Verhalten, da es die Lebensdauer von Bauteilen erheblich einschränken kann.

Ein typischer Kriechversuch besteht darin, ein Material einer konstanten Last oder einem konstanten Stress auszusetzen, während die Temperatur konstant gehalten wird. Die Deformation oder Verformung des Materials wird über die Zeit gemessen und als Funktion der verstrichenen Zeit dargestellt. Der Verlauf dieser Deformation ist in drei Hauptphasen unterteilt, die jeweils charakteristische Merkmale aufweisen. Zu Beginn eines Kriechversuchs tritt sofort eine elastische Deformation auf. Diese ist jedoch nur von kurzer Dauer, da der Hauptteil der Kriechverformung später in Form eines kontinuierlichen Anstiegs der Deformationsrate sichtbar wird.

In der ersten Phase, der primären oder transienten Kriechphase, nimmt die Deformationsrate mit der Zeit ab. Dies deutet darauf hin, dass das Material zunehmend Widerstand gegen die Verformung entwickelt, was durch den Effekt der Verfestigung erklärt werden kann. In der zweiten Phase, der sekundären Kriechphase, bleibt die Deformationsrate konstant, was auf ein Gleichgewicht zwischen den Prozessen der Verfestigung und der Erholung hinweist. Diese Phase kann sehr lang andauern und ist oft die entscheidende Phase, wenn es um die Lebensdauer eines Bauteils geht. In der dritten Phase, der tertiären Kriechphase, beschleunigt sich die Deformationsrate erheblich, was schließlich zum Versagen des Materials führt. Dies wird als Rissbildung oder Bruch bezeichnet und resultiert häufig aus mikrostrukturellen Veränderungen, wie zum Beispiel der Trennung von Korngrenzen oder der Bildung von inneren Rissen, Hohlräumen und Blasen.

Für metallische Materialien werden Kriechversuche meistens unter Zugbelastung durchgeführt. Ein Probenkörper hat dabei die gleiche Geometrie wie bei Zugversuchen. Für spröde Materialien hingegen sind einaxiale Drucktests geeigneter, da hier keine Verstärkung des Stresses oder Rissausbreitung wie bei Zugbelastungen auftritt. Diese Tests liefern präzisere Messungen der intrinsischen Kriecheigenschaften.

Das wichtigste Ergebnis eines Kriechversuchs ist die Bestimmung der sekundären Kriechrate, die als die minimale oder stabile Kriechrate bezeichnet wird. Sie stellt einen wichtigen Parameter für das ingenieurtechnische Design dar, besonders bei Bauteilen, die über lange Zeiträume betrieben werden, wie etwa in Kernkraftwerken. Bei Anwendungen, bei denen die Lebensdauer eines Bauteils entscheidend ist, wie etwa Turbinenschaufeln in Militärflugzeugen oder Raketenmotoren, ist hingegen die Zeit bis zum Bruch, die sogenannte Rupturlebensdauer, der dominierende Designfaktor. Hierfür müssen Kriechversuche bis zum Versagen des Materials durchgeführt werden, was als Kriechbruchversuch bezeichnet wird.

Die Kriecheigenschaften eines Materials sind stark von der Temperatur und dem angewandten Stress abhängig. Bei Temperaturen weit unterhalb von 0,4 Tm, wobei Tm der absolute Schmelzpunkt des Materials ist, bleibt die Deformation nahezu konstant und unabhängig von der Zeit. Mit zunehmendem Stress oder steigender Temperatur wird jedoch eine sofortige Erhöhung der Deformation festgestellt, die konstante Kriechrate verändert sich und die Rupturlebensdauer des Materials verringert sich. Bei der Bestimmung von Kriechversuchen unter verschiedenen Temperatur- und Stressbedingungen stellt sich heraus, dass die Kriechrate des Materials nicht nur von der Temperatur abhängt, sondern auch eine exponentielle Beziehung zum Stress besteht.

Ein häufig verwendetes empirisches Modell zur Beschreibung der Kriechrate in Abhängigkeit von Stress und Temperatur lautet:

εs˙=K2σnexp(QcRT)\dot{\varepsilon_s} = K_2 \sigma^n \exp \left( \frac{ - Q_c}{RT} \right)

Dabei stellt K2K_2 eine Materialkonstante dar, nn ist der Exponent, und QcQ_c ist die Aktivierungsenergie für das Kriechen. Die exponentielle Abhängigkeit des Kriechverhaltens von der Temperatur wird durch den Faktor exp(QcRT)\exp \left( \frac{ - Q_c}{RT} \right) beschrieben, wobei RR die Gaskonstante ist und TT die absolute Temperatur.

Ein wichtiges Resultat aus Kriechversuchen ist die Ermittlung der Rupturlebensdauer in Bezug auf den Stress. Diese Daten werden häufig als logarithmische Darstellungen verwendet, um die Beziehung zwischen Stress und Rupturlebensdauer besser darzustellen. Für bestimmte Legierungen, wie etwa der S-590 Legierung, lässt sich eine lineare Beziehung für verschiedene Temperaturen beobachten, jedoch können auch nichtlineare Verläufe auftreten, wenn der Stressbereich relativ groß ist.

Die Kenntnis der Kriecheigenschaften eines Materials ist von entscheidender Bedeutung für den Designprozess von Bauteilen, die in Umgebungen arbeiten, in denen sowohl hohe Temperaturen als auch konstante Lasten oder Belastungen auftreten. Ingenieure müssen sicherstellen, dass das Material für die spezifische Anwendung geeignet ist, indem sie auf die Kriechrate, die Rupturlebensdauer und die Auswirkungen von Stress und Temperatur auf das Materialverhalten achten.

Was ist kovalente Bindung?

Kovalente Bindungen entstehen zwischen Atomen, die ähnliche Elektronegativitäten aufweisen, also in der Periodentabelle nahe beieinander liegen. Diese Bindungsart ermöglicht es den Atomen, stabile Elektronenkonfigurationen durch das Teilen von Elektronen zu erreichen. Bei einer kovalenten Bindung tragen beide Atome jeweils mindestens ein Elektron bei, das dann zwischen den beiden Atomen geteilt wird. Die gemeinsamen Elektronen können als zu beiden Atomen gehörend betrachtet werden. Diese Art der Bindung wird häufig in Molekülen gefunden, die aus nichtmetallischen Elementen bestehen, wie zum Beispiel Wasserstoff (H2) oder Sauerstoff (O2), aber auch in Molekülen, die Atome verschiedener Elemente enthalten, wie Methan (CH4), Wasser (H2O) oder Ammoniak (NH3).

Die kovalente Bindung ist auch richtungsabhängig, was bedeutet, dass sie nur in einer bestimmten Richtung zwischen den beteiligten Atomen existiert. Ein anschauliches Beispiel für kovalente Bindung ist das Wasserstoffmolekül H2, bei dem sich zwei Wasserstoffatome verbinden, um die Elektronenkonfiguration des Heliums zu erreichen. Die beiden Wasserstoffatome teilen jeweils ihr einziges 1s-Elektron, was zu einer stabilen Konfiguration führt. In Abbildung 2.12 ist dieser Vorgang schematisch dargestellt, und es wird deutlich, dass sich die Elektronenorbitale in der Region zwischen den beiden Atomen überlappen.

Kovalente Bindungen kommen nicht nur in Molekülen vor, sondern auch in festen Elementen wie Diamant, Silizium und Germanium. Diese Bindungen können sehr stark sein, wie im Fall von Diamant, dessen Carbon-Carbon-Bindungen extrem stabil sind und ihm seine außergewöhnliche Härte und hohe Schmelztemperatur verleihen. Andererseits können kovalente Bindungen auch schwächer sein, wie im Fall von Bismut, dessen Schmelzpunkt bei etwa 270°C liegt.

In kovalent gebundenen Materialien sind die Elektronen, die an der Bindung beteiligt sind, stark an die Atome gebunden. Daher sind diese Materialien in der Regel elektrisch isolierend, oder, in einigen Fällen, Halbleiter. Die mechanischen Eigenschaften solcher Materialien können sehr unterschiedlich sein. Einige sind relativ stark, während andere eher schwach sind. Manche Materialien brechen spröde, während andere eine erhebliche plastische Verformung vor dem Versagen aufweisen.

Die Vorhersage mechanischer Eigenschaften von kovalent gebundenen Materialien anhand ihrer Bindungsmerkmale gestaltet sich oft schwierig, da die physikalischen Eigenschaften stark von der spezifischen Struktur und dem Bindungstyp abhängen. Die chemischen Eigenschaften dieser Materialien sind häufig weniger einfach zu klassifizieren, da sie von den verwendeten Elementen und der genauen Struktur der Bindung abhängen.

Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen, das im Zusammenhang mit kovalenter Bindung auftritt, ist die Hybridisierung. Dieser Prozess beschreibt das Mischen von Atomorbitalen, um neue Hybridorbitale zu erzeugen, die eine größere Überlappung ermöglichen. Besonders gut bekannt ist diese Hybridisierung bei Kohlenstoff, das in der Lage ist, sp3-Hybridorbitale zu bilden. Im Falle von Kohlenstoff, dessen Elektronenkonfiguration 1s²2s²2p² ist, kann ein 2s-Elektron auf ein leeres 2p-Orbital angehoben werden, wodurch die Konfiguration 1s²2s¹2p³ entsteht. Diese Orbitale mischen sich dann, um vier gleichwertige sp3-Hybridorbitale zu bilden, die zur kovalenten Bindung mit anderen Atomen fähig sind.

In dieser hybriden Form können die Orbitale in einer tetraedrischen Struktur angeordnet werden, was eine Symmetrie von 109,5° zwischen den benachbarten Bindungen ergibt. Diese Struktur ist charakteristisch für Moleküle wie Methan (CH4), bei dem jedes der vier sp3-Hybridorbitale von Kohlenstoff mit einem 1s-Orbital eines Wasserstoffatoms bindet. In Diamant ist die Kohlenstoffstruktur durch sp3-Hybridbindungen geprägt, wobei jeder Kohlenstoffatom mit vier benachbarten Kohlenstoffatomen verbunden ist, was zu der extrem festen und stabilen Kristallstruktur führt.

Es gibt auch andere Arten von Hybridbindungen, wie die sp²-Hybridisierung, die in Graphit vorkommt. Bei der sp²-Hybridisierung mischt sich ein 2s-Orbital mit zwei 2p-Orbitalen, wobei das dritte 2p-Orbital unhybridisiert bleibt. Dies führt zu einer trigonal-planaren Struktur mit einem Bindungswinkel von 120°. In Graphit sind diese sp²-Hybridbindungen für die starke Bindung innerhalb einer Schicht verantwortlich, während die schwachen Van-der-Waals-Kräfte zwischen den Schichten für die geringe Festigkeit der Schichtgrenzen sorgen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kovalente Bindungen ein grundlegendes Konzept in der Chemie darstellen und für viele wichtige Materialien verantwortlich sind, die in der Technologie und Industrie verwendet werden. Die Stärke dieser Bindungen kann stark variieren, ebenso wie ihre physikalischen Eigenschaften. Die Fähigkeit von Atomen, ihre Orbitale zu hybridisieren, ermöglicht eine Vielzahl von Strukturen und Eigenschaften, die für verschiedene Anwendungen von Bedeutung sind.

Wie bilden sich Oxidschichten auf Metallen und wie beeinflusst dies die Korrosionsbeständigkeit?

Die Bildung von Oxidschichten auf Metallen ist ein entscheidender Prozess im Zusammenhang mit der Korrosion und Degradation von Materialien. Dieser Vorgang, ähnlich wie bei der korrosiven Zersetzung in wässrigen Lösungen, verläuft elektrochemisch. Insbesondere für Metalle mit zweiwertigen Metallionen kann die Reaktion wie folgt beschrieben werden: M + 1/2 O₂ → MO. Bei dieser Reaktion gibt es zwei Teilschritte: Eine Oxidation, bei der Metallionen gebildet werden (M → M²⁺ + 2e⁻), und eine Reduktion, bei der Sauerstoffionen entstehen (1/2 O₂ + 2e⁻ → O²⁻). Der oxidative Prozess findet an der Metall-Oxid-Oberfläche statt, während die Reduktion an der Grenzfläche zwischen Oxid und Gas erfolgt.

Für eine dickere Oxidschicht ist es erforderlich, dass Elektronen zum Oxid-Gas-Interface geleitet werden, an dem die Reduktionsreaktion stattfindet. Ebenso müssen M²⁺-Ionen von der Metall-Oxid-Oberfläche wegdiffundieren und/oder O²⁻-Ionen müssen in diese Richtung diffundieren. Dies bedeutet, dass die Oxidschicht als Elektrolyt fungiert, durch den Ionen diffundieren, aber auch als elektrischer Leiter für den Elektronenfluss. Außerdem kann die Oxidschicht das Metall vor weiterer Oxidation schützen, indem sie als Barriere gegen Ionen- und Elektronendiffusion wirkt. Dies gilt insbesondere für Metalloxide, die meist eine hohe elektrische Isolierfähigkeit aufweisen.

Die Geschwindigkeit, mit der eine Oxidschicht wächst, und die Fähigkeit der Schicht, das Metall vor weiterer Oxidation zu schützen, hängen eng mit dem Pilling-Bedworth-Verhältnis zusammen. Dieses Verhältnis beschreibt das Verhältnis der Volumina von Metall und Oxid und ist von großer Bedeutung für die Bestimmung der Schichtqualität. Wird das Verhältnis mit der Formel P–B = (AOρM) / (AMρO) berechnet, wobei AO und AM die Molekulargewichte des Oxids bzw. des Metalls sind und ρO und ρM deren Dichten, zeigt sich, dass ein Pilling-Bedworth-Verhältnis von etwa 1 ein ideales Gleichgewicht für den Schutz des Metalls bietet. Ein Wert unter 1 führt zu einer porösen und ungeschützten Oxidschicht, während ein Wert über 2 dazu führen kann, dass die Schicht Risse bildet und abblättert, was das Metall ständig neuen Oxidationsprozessen aussetzt.

Für den Fall von Metallen mit einem Pilling-Bedworth-Verhältnis zwischen 1 und 2 bildet sich normalerweise eine schützende Oxidschicht, während bei Verhältnissen unter 1 oder über 2 die Oxidschicht entweder porös oder instabil wird. Darüber hinaus beeinflussen noch weitere Faktoren die Schutzwirkung der Oxidschicht: Eine gute Haftung zwischen Schicht und Metall, ähnliche thermische Ausdehnungskoeffizienten von Metall und Oxid sowie ein hoher Schmelzpunkt und eine gute plastische Verformbarkeit des Oxids sind ebenfalls entscheidend.

Ein weiterer Ansatz zur Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit von Metallen ist die Anwendung einer zusätzlichen Schutzschicht. Diese kann aus einem anderen Material bestehen, das gut an das Metall haftet und ebenfalls beständig gegenüber Oxidation ist. Auch das Hinzufügen von Legierungselementen kann die Bildung einer stabileren und widerstandsfähigeren Oxidschicht fördern, indem es das Pilling-Bedworth-Verhältnis verbessert oder andere wichtige Eigenschaften der Schicht optimiert.

Ein weiterer kritischer Aspekt bei der Oxidation von Metallen ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Die Geschwindigkeit des Wachstums der Oxidschicht hängt maßgeblich von der Diffusion von Ionen ab. Ist die Oxidschicht nicht porös und haftet gut am Metall, so folgt die Wachstumsrate einer parabolischen Beziehung, wobei die Gewichtszunahme pro Flächeneinheit mit der Zeit im Quadrat wächst (W² = K₁t + K₂). Diese Art der Reaktion wurde bei Eisen, Kupfer und Kobalt beobachtet. In Fällen, in denen die Oxidschicht porös oder instabil ist, folgt die Oxidation einer linearen Wachstumsrate (W = K₃t). Diese Art der Oxidation wird bei Metallen wie Natrium, Kalium und Tantal beobachtet, die nicht in der Lage sind, eine stabile Oxidschicht zu bilden.

Für sehr dünne Oxidschichten (unter 100 nm) und niedrigere Temperaturen wurde eine logarithmische Wachstumsbeziehung festgestellt, bei der die Gewichtszunahme mit der Zeit auf die Form W = K₄ log (K₅t + K₆) folgt. Diese Art der Oxidation wurde bei Metallen wie Aluminium, Eisen und Kupfer bei nahezu Raumtemperatur beobachtet.

Insgesamt hängt die Widerstandsfähigkeit gegen Korrosion nicht nur von der Art des Metalls und der Oxidschicht ab, sondern auch von der Umgebungsbedingungen und der spezifischen chemischen Zusammensetzung der Oxidation. Wer die Mechanismen der Oxidation versteht, kann gezielt Maßnahmen ergreifen, um die Korrosionsbeständigkeit von Metallen zu verbessern. Dies kann durch Materialwahl, Temperaturkontrolle, Zugabe von Legierungselementen oder durch das Auftragen von Schutzschichten erfolgen. Die Optimierung dieser Prozesse kann helfen, die Lebensdauer von Bauteilen und Strukturen, die metallischen Korrosionsprozessen ausgesetzt sind, erheblich zu verlängern.

Wie beeinflusst die Kristallstruktur die Eigenschaften von Materialien?

Die strukturellen Eigenschaften von Materialien sind entscheidend für ihr Verhalten in verschiedenen Anwendungen, und die Anordnung der Atome spielt dabei eine zentrale Rolle. Insbesondere die Besetzung der Tetraeder- und Oktaederpositionen innerhalb der Kristallstruktur beeinflusst maßgeblich die physikalischen und chemischen Eigenschaften eines Materials. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Struktur von Salzkristallen, bei denen die Anionen in bestimmten Anordnungen im Kristallgitter positioniert sind, während die Kationen die interstitiellen Oktaederpositionen einnehmen. Dies beeinflusst nicht nur die mechanischen Eigenschaften, sondern auch die elektrischen und optischen Eigenschaften des Materials.

Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Kristallstruktur stellt der Einkristall dar. Ein Einkristall ist ein Material, bei dem die Atome in einer regelmäßigen, sich wiederholenden Struktur angeordnet sind, die sich durch das gesamte Material zieht. Diese Struktur kann in der Natur vorkommen, wird jedoch auch häufig künstlich erzeugt, da die Bedingungen für das Wachstum eines perfekten Einkristalls äußerst präzise kontrolliert werden müssen. Einkristalle sind von großer Bedeutung in modernen Technologien, insbesondere in der Mikroelektronik, wo Silizium-Einkristalle als Grundlage für Halbleiterchips dienen.

Im Gegensatz dazu bestehen viele Materialien nicht aus einem einzigen Kristall, sondern aus einer Vielzahl kleinerer Kristalle, die zusammen ein polykrystallines Material bilden. Polykrystallines Material entsteht, wenn zahlreiche Kristallkeime während des Abkühlungsprozesses eines Flüssigsstoffs in zufälligen Orientierungen wachsen und schließlich miteinander verschmelzen. Diese Körner haben unterschiedliche kristallographische Ausrichtungen, was zu sogenannten Korngrenzen führt, an denen atomare Unstimmigkeiten auftreten. Diese Korngrenzen können die mechanischen und elektrischen Eigenschaften des Materials beeinflussen.

Anisotropie ist ein weiteres wichtiges Konzept im Zusammenhang mit der Kristallstruktur. Es beschreibt die Eigenschaft eines Materials, bei Messungen in verschiedenen kristallographischen Richtungen unterschiedliche physikalische Werte zu zeigen. Dies betrifft beispielsweise den elastischen Modulus, die elektrische Leitfähigkeit oder den Brechungsindex, die alle in Abhängigkeit von der Richtung variieren können. Solche anisotropen Eigenschaften treten vor allem bei Kristallen mit niedriger Symmetrie auf, wie etwa in triclinischen Kristallen, die besonders anisotrop sind. In polykrystallinem Material sind die verschiedenen Körner in der Regel zufällig ausgerichtet, was dazu führt, dass das Material im gesamten Volumen isotrop wirkt, obwohl einzelne Körner anisotrop sind. In einigen Fällen kann es jedoch auch zu einer bevorzugten Ausrichtung der Körner kommen, was zu einer sogenannten "Textur" des Materials führt.

Beispielsweise haben einige Eisenlegierungen, die in Transformatorenkernen verwendet werden, anisotrope magnetische Eigenschaften. Die Körner oder Einkristalle magnetisieren sich in bestimmten kristallographischen Richtungen leichter als in anderen. Um Energieverluste in Transformatoren zu minimieren, werden polykrystallines Material verwendet, bei dem die Körner eine bevorzugte Ausrichtung besitzen. Dies bedeutet, dass die magnetischen Eigenschaften des Materials optimal ausgenutzt werden.

Ein weiteres Werkzeug zur Untersuchung von Kristallstrukturen ist die Röntgenbeugung, die es ermöglicht, die atomare Struktur von Festkörpern zu bestimmen. Der Beugungsprozess tritt auf, wenn eine Welle auf regelmäßig angeordnete Hindernisse trifft, die in der Lage sind, die Welle zu zerstreuen. Die Untersuchung der Interferenzmuster, die durch diese Streuung entstehen, ermöglicht es, die Abstände zwischen den Atomebenen und somit die Struktur des Kristalls zu bestimmen. Die Röntgenbeugung hat entscheidend dazu beigetragen, das Verständnis über die atomare und molekulare Struktur vieler Feststoffe zu erweitern.

Die Wirkung der Röntgenbeugung hängt vom Phasenunterschied der gestreuten Wellen ab. Wenn die Pfadlängen der gestreuten Wellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge betragen, verstärken sich die Wellen gegenseitig, was zu einem Beugungsmuster führt, das als konstruktive Interferenz bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu führt ein Phasenunterschied von halben Wellenlängen zu destruktiver Interferenz, bei der die Amplituden der Wellen sich gegenseitig aufheben.

Insgesamt ist die Kristallstruktur eines Materials von entscheidender Bedeutung für seine Eigenschaften und kann durch verschiedene Verfahren wie die Röntgenbeugung genau untersucht werden. Das Verständnis der Wechselwirkungen auf atomarer Ebene ist unerlässlich, um neue Materialien zu entwickeln und bestehende Materialien für spezifische Anwendungen zu optimieren.