Die Entstehung und Entwicklung politischer Parteien in Europa war eng mit den sozialen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts verbunden, insbesondere mit den Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung. Wie Bernard Manin (1997) in seiner Untersuchung der Prinzipien repräsentativer Regierung in Frankreich aufzeigt, betrachteten viele der Gründer repräsentativer Demokratien in Großbritannien und den Vereinigten Staaten die politische Parteilichkeit als Bedrohung für das politische System, das sie etablieren wollten. Der Gedanke war, dass politische Parteien eher dazu neigten, die Interessen von privilegierten gesellschaftlichen Gruppen zu vertreten, als die der breiten Arbeiterklasse. Trotzdem gab es ein starkes Bedürfnis, auch in den sich bildenden demokratischen Staaten eine klare Vertretung der arbeitenden Bevölkerung sicherzustellen.

Im Vereinigten Königreich und in Frankreich entwickelten sich politische Parteien, die stark mit den Gewerkschaften verbunden waren. Die Gründung der Labour Representation Committee im Jahr 1900, das später zur Labour Party wurde, ist ein Paradebeispiel für die enge Verbindung zwischen der Arbeiterbewegung und der Entstehung politischer Parteien. Ein weiteres Beispiel stellt die Gründung des Conseil Général du Travail (CGT) in Frankreich dar, dessen historische Verbindungen zum kommunistischen Parteienspektrum von großer Bedeutung sind. Der historische Verlauf zeigt, dass es erst in den späten 1990er Jahren zu einer Trennung zwischen den Gewerkschaften und politischen Parteien kam, als die Gewerkschaften begannen, sich mehr auf soziale und wirtschaftliche Themen zu konzentrieren, die nicht mehr ausschließlich durch die politische Linse der Kommunisten oder Sozialisten betrachtet wurden.

Die Entwicklung der Gewerkschaften und ihre finanziellen Beziehungen zu politischen Parteien sind ein weiteres bedeutendes Thema. In Großbritannien hatte das politische System bereits früh mit den finanziellen Einschränkungen der Arbeitervertretung zu kämpfen. Die Einführung des Trade Disputes and Trade Unions Act im Jahr 1927 hatte einen drastischen Einfluss auf die finanziellen Ressourcen der Labour Party, indem es strenge Einschränkungen für Gewerkschaftsbeiträge einführte. Später, in den 1970er Jahren, erlebte das Vereinigte Königreich eine weitere Veränderung, als das Industrial Relations Act von 1971 den “agency shop”-Paragrafen einführte, der es den Arbeitnehmern ermöglichte, sich der Mitgliedschaft in Gewerkschaften zu entziehen, während sie weiterhin zur Finanzierung von Gewerkschaften beitrugen.

Die enge Verflechtung zwischen den Gewerkschaften und politischen Parteien hatte jedoch nicht nur Auswirkungen auf die politische Landschaft, sondern auch auf die Arbeitsmarktpolitik. In vielen Ländern, darunter auch Deutschland und Frankreich, waren die Gewerkschaften maßgeblich an der Gestaltung von Arbeitsgesetzen und der sozialen Absicherung der Arbeiter beteiligt. Die Sozialpartnerschaft, die in vielen europäischen Ländern ein integraler Bestandteil des Arbeitsmarktsystems ist, wurde von den Gewerkschaften vorangetrieben, die als politische Akteure die Interessen der Arbeiter vertreten und auf sozialstaatliche Maßnahmen hinwirkten.

Trotz der oftmals negativen Wahrnehmung von Gewerkschaften als “blockierende” Kräfte in der Wirtschaftspolitik, sind die Gewerkschaften in vielen Ländern nach wie vor ein entscheidender Akteur bei der Förderung sozialer Gerechtigkeit und Arbeitsrechten. Auch wenn die Finanzströme innerhalb der Gewerkschaften und ihre Beziehungen zu den politischen Parteien komplex sind und teilweise undurchsichtig wirken, bleibt es unbestreitbar, dass Gewerkschaften eine der wenigen Institutionen sind, die in der Lage sind, die Stimme der arbeitenden Bevölkerung auf politischer Ebene zu vertreten.

In jüngerer Zeit ist jedoch ein neuer Trend zu beobachten: die wachsende Zahl prekär beschäftigter Arbeitnehmer, die immer weniger Zugang zu den sozialen Schutzmechanismen und den politischen Vertretungsstrukturen haben, die traditionell mit Gewerkschaften verbunden sind. In Ländern wie Spanien wurden bereits rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, die es auch Selbstständigen ermöglichen, sich gewerkschaftlich zu organisieren und dadurch stärkeren politischen Einfluss auszuüben. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, um die politischen Rechte von Arbeitnehmern im Zeitalter der Digitalisierung und zunehmenden Prekarisierung zu stärken.

Was dabei immer wieder ins Auge fällt, ist die Notwendigkeit einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Frage, wie weit politische Parteien und Gewerkschaften tatsächlich die Interessen der Arbeiter vertreten. Zu oft entstehen Interessenkonflikte zwischen den Gewerkschaften, die auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Gerechtigkeit drängen, und den politischen Parteien, die sich zunehmend von den Grundsätzen der Arbeiterbewegung entfernen, wenn sie in den politischen Mainstream eingebunden sind. Insofern muss die Frage gestellt werden, ob die politische Parteiendemokratie in ihrer aktuellen Form tatsächlich in der Lage ist, den wachsenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, insbesondere angesichts der fortschreitenden Automatisierung und der wachsenden Ungleichheit.

Es bleibt zu bedenken, dass nicht alle Formen von politischer Beteiligung und sozialer Repräsentation für die Arbeiterklasse gleichwertig sind. Auch wenn Gewerkschaften als Institutionen oft als sicherer Hafen für Arbeitnehmer gelten, müssen auch neue Formen der politischen Beteiligung und Vertretung entwickelt werden, um den sich verändernden Arbeitsverhältnissen gerecht zu werden.

Wie private Finanzierung die Demokratie beeinflusst: Die Rolle von Stiftungen und politischen Think Tanks

Die Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen ist in vielen westlichen Demokratien ein stark konzentriertes System, das vor allem von den wohlhabendsten Teilen der Gesellschaft getragen wird. Diese Ungleichverteilung des finanziellen Beitrags zur politischen Landschaft ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein politisches Phänomen. In Ländern wie Frankreich, wo es Obergrenzen für Spenden gibt, zeigt sich, dass die Reichen einen weit überproportionalen Anteil am politischen Prozess haben, verglichen mit ihrem Anteil am Gesamteinkommen der Bevölkerung. Doch auch in Ländern mit restriktiveren Spendenregelungen lässt sich beobachten, dass steuerliche Vergünstigungen häufig den privilegierten Klassen zugutekommen, die so eine indirekte staatliche Unterstützung erhalten, um ihre politischen Vorlieben zu sichern. In der Praxis bedeutet dies, dass es nicht nur um die Frage „eine Person, eine Stimme“ geht, sondern um ein System, in dem die Armen letztlich die Reichen subventionieren, damit diese ihre politischen Präferenzen umsetzen können.

Diese Form der privaten Finanzierung ist jedoch nicht neutral, sondern verzerrt die politischen Entscheidungsprozesse. In der Regel erhalten konservative Parteien weit mehr Spenden als linke Parteien, ein Trend, der in den meisten Ländern unverändert bleibt, auch wenn gewählte Vertreter der linken Parteien einen größeren Teil ihrer eigenen Mittel in den politischen Prozess einbringen. Diese ungleiche Verteilung ist nicht nur ein Problem der Wahlkampffinanzierung, sondern betrifft auch andere Bereiche des politischen Lebens, in denen Geld Einfluss nimmt. Den wohlhabenden Klassen stehen zahlreiche Kanäle offen, um ihre politische Agenda durchzusetzen, angefangen bei der Finanzierung von Denkfabriken bis hin zum Kauf von Medienplattformen.

Denkfabriken oder politische Stiftungen sind in vielen Ländern ein weniger regulierter, aber äußerst effektiver Weg für die Wohlhabenden, Einfluss auf die öffentliche Meinung und damit auf die politische Entscheidungsfindung zu nehmen. Auch wenn in vielen Ländern wie Frankreich politische Stiftungen nicht direkt Wahlkämpfe finanzieren dürfen, nehmen sie dennoch aktiv am politischen Diskurs teil. Sie verbreiten Ideen, veröffentlichen Studien und Berichte oder treten über ihre Vertreter regelmäßig in den Medien auf, wodurch sie die öffentliche Meinung beeinflussen und indirekt politische Entscheidungen beeinflussen. Diese Stiftungen definieren ihre Rolle häufig als das Anregen und Fördern des öffentlichen politischen Dialogs, doch ihre Unabhängigkeit von politischen Parteien und deren Einfluss ist oft fraglich.

In Frankreich gibt es zahlreiche solcher Stiftungen, die politisch breit aufgestellt sind. Die Gabriel-Péri-Stiftung beispielsweise wurde von der Kommunistischen Partei gegründet, während die Jean-Jaurès-Stiftung historisch mit der Sozialistischen Partei verbunden ist. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums finden sich die Montaigne-Institute und die Fondation pour l'Innovation Politique, die dem rechten Flügel zuzurechnen sind. Solche Stiftungen erhalten nicht nur Spenden von Privatpersonen, sondern auch von Unternehmen, die durch großzügige steuerliche Vergünstigungen begünstigt werden. In Frankreich können Spenden an politische Stiftungen von der Steuer abgesetzt werden, wobei Unternehmen bis zu 60 % des Betrages zurückerhalten können, was sie zu attraktiven Kanälen für die Interessen der Wohlhabenden macht. Diese indirekten Subventionen durch Steuervorteile sind oft so wirksam wie direkte staatliche Subventionen.

Obwohl diese Stiftungen häufig behaupten, unabhängig zu sein, ist ihre Finanzierung in Wirklichkeit eng mit den Interessen der wirtschaftlich mächtigen Klassen verknüpft. Die Stiftung für öffentliche Verwaltung und politische Forschung (IFRAP) ist ein bemerkenswertes Beispiel für diese Dynamik. Sie stellt sich gerne als unabhängig dar, erhält jedoch indirekt erhebliche staatliche Unterstützung in Form von Steuervergünstigungen. Die Vorstellung, dass eine Stiftung unabhängig ist, obwohl sie von privatwirtschaftlichen Akteuren unterstützt wird, ist problematisch, da diese Unterstützung direkt in die politische Einflussnahme übersetzt werden kann.

Die finanzielle Unterstützung von politischen Stiftungen und Denkfabriken zeigt, wie der demokratische Prozess von denjenigen manipuliert werden kann, die über die Ressourcen verfügen, diese zu beeinflussen. Diese Form der privaten Finanzierung ist nicht nur eine Schwäche des politischen Systems, sondern auch eine Gefahr für die Chancengleichheit. Wenn die Ideen und Agenden der Wohlhabenden die politische Landschaft dominieren, wird die Demokratie zunehmend von den Interessen einer kleinen, privilegierten Elite geprägt.

Es ist wichtig zu erkennen, dass der Einfluss von privaten Akteuren auf den politischen Diskurs nicht nur durch direkte Spenden an politische Parteien erfolgt, sondern auch durch die Finanzierung von Medien, Stiftungen und Denkfabriken. Die Verflechtung von privaten Mitteln und öffentlichem Diskurs erschwert eine wirklich demokratische Meinungsbildung, in der alle Bürger gleiche Möglichkeiten haben, sich Gehör zu verschaffen. Diese Dynamik führt dazu, dass politische Entscheidungen immer stärker von den Interessen einer kleinen, aber mächtigen Minderheit geprägt sind. Die demokratische Gleichheit wird untergraben, wenn die öffentliche Debatte und die politischen Entscheidungen durch finanzielle Mittel gelenkt werden, die nicht die Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren.

Es ist daher nicht nur der direkte Einfluss von Spenden auf Parteien, der problematisch ist, sondern auch die breitere Frage, wie private Akteure die öffentliche Meinung und die politische Agenda steuern können. In einer Zeit, in der das Vertrauen in demokratische Institutionen schwindet, ist es entscheidend, sich dieser ungleichen Machtverteilung bewusst zu werden und nach Wegen zu suchen, wie der demokratische Prozess wirklich die Interessen der gesamten Bevölkerung widerspiegeln kann.

Wie kann die Demokratie des 21. Jahrhunderts neu gestaltet werden?

Die Demokratie steht heutzutage vor einer existenziellen Herausforderung: Sie ist durch die wachsende Kluft zwischen den Interessen der Bürger und den tatsächlichen politischen Vertretungen in Gefahr. Es ist kein Geheimnis, dass die politische Landschaft immer mehr von den finanziellen Interessen einer kleinen Elite geprägt wird, während die Mehrheit der Bevölkerung zunehmend das Gefühl hat, dass ihre Stimme nicht gehört wird. In diesem Kontext ist es entscheidend, dass die Legislatoren des 21. Jahrhunderts sich nicht nur durch Geld, sondern vor allem durch fundierte Argumentation und echte Überzeugungsarbeit profilieren. Die Gesetze, die diese neuen Gesetzgeber erlassen, dürfen nicht länger nur die Interessen der Reichen widerspiegeln, sondern müssen die Bedürfnisse der breiten Masse der Bevölkerung abbilden.

Es gibt zahlreiche Vorschläge zur Weiterentwicklung der Demokratie: partizipative Demokratie, kooperative Demokratie, deliberative Demokratie, und viele andere. Der Begriff „eine Person, eine Stimme“, der ursprünglich als Grundlage demokratischer Prozesse gedacht war, wirkt heute fast antiquiert. Niedrige Wahlbeteiligungen und das wachsende Misstrauen der Bevölkerung in politische Prozesse sind eindeutige Indikatoren für das bestehende Problem. Doch ist es wirklich zu spät? Ich glaube nicht. Der historische Weg der Demokratie ist noch lange nicht zu Ende, und die Frage nach einer wirklichen demokratischen Erneuerung muss weiterhin gestellt werden.

Das System der Demokratie, wie wir es heute kennen, ist noch jung im Vergleich zu den Jahrhunderten der menschlichen Geschichte, die uns noch bevorstehen. Diese noch frische Erfahrung mit demokratischen Wahlen darf uns jedoch nicht davon abhalten, die bestehenden Vorschläge zur partizipativen Demokratie zu überdenken und aus den vielen gescheiterten, aber auch erfolgreichen Experimenten der Vergangenheit zu lernen. Eine umfassende Reform muss auf den bestehenden Erfahrungen aufbauen und gleichzeitig mutig neue Wege wagen, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.

Ein zentraler Aspekt dieser Reform ist die Frage der Finanzierung. Es ist kein Geheimnis, dass der heutige politische Prozess vor allem durch Geld geprägt ist. Wahlen kosten Geld, und politische Entscheidungsträger sind oft auf die finanziellen Beiträge der Reichen angewiesen, um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren. Dies hat zur Folge, dass die politischen Präferenzen der Wohlhabenden immer mehr das politische Handeln bestimmen, während die Interessen der breiten Bevölkerung zunehmend in den Hintergrund treten. Um Demokratie zu retten und zu erneuern, muss die Finanzierung des politischen Prozesses grundlegend überdacht werden. Das Ziel muss es sein, die Finanzierung nicht mehr von privaten, sondern von öffentlichen Mitteln abhängig zu machen. Nur so kann eine echte Gleichheit im politischen Prozess gewährleistet werden. Es handelt sich hierbei um eine notwendige, wenn auch nicht ausreichende, Bedingung für eine funktionierende Demokratie.

Doch es geht nicht nur um Geld. Ein weiterer zentraler Punkt der Reform muss die Frage der politischen Repräsentation sein. Auch hier müssen neue Wege beschritten werden. Ein wichtiges Ziel dieser Reform ist es, die soziale Repräsentation zu stärken und sicherzustellen, dass alle sozialen Gruppen, insbesondere die unteren Klassen – Arbeiter, prekär Beschäftigte, diejenigen ohne feste Anstellung – im politischen Prozess angemessen vertreten sind. In vielen Ländern, einschließlich Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten, sind diese Gruppen in den Parlamenten und Nationalversammlungen praktisch nicht vertreten. Ihre Abwesenheit hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gesetzgebung, die oft nicht ihre Bedürfnisse widerspiegelt. Eine mögliche Lösung wäre die Einführung eines dualen, souveränen parlamentarischen Systems, das die repräsentativen Schwächen des aktuellen Systems behebt und eine breitere gesellschaftliche Beteiligung garantiert.

Die Internettechnologie hat in den letzten Jahren neue Möglichkeiten der politischen Mobilisierung eröffnet. Doch trotz der scheinbaren Vorteile ist das Internet lediglich ein Werkzeug und keine Lösung für die fundamentalen Probleme der Demokratie. Die Vorstellung, dass Online-Plattformen eine tiefgreifende politische Erneuerung herbeiführen könnten, ist naiv. In Wahrheit werden diese Plattformen zunehmend von denjenigen genutzt, die bereits Macht und Einfluss haben, um ihre eigenen Interessen zu fördern. Zwar ermöglicht das Internet eine mobilisierende Wirkung, vor allem bei unterrepräsentierten Gruppen wie jungen Wählern oder bestimmten Minderheiten, aber es bietet keine nachhaltige Lösung für die strukturellen Probleme der Demokratie.

Zusätzlich zu den oben genannten Aspekten ist es entscheidend zu verstehen, dass die Demokratie nur dann dauerhaft funktionieren kann, wenn das Vertrauen der Bürger wiederhergestellt wird. Dies bedeutet nicht nur, dass die Finanzierung transparenter und gerechter gestaltet werden muss, sondern auch, dass die politische Repräsentation tatsächlich die Bedürfnisse und Wünsche der breiten Bevölkerung widerspiegeln muss. Ohne diese Veränderungen wird die Demokratie in ihrer heutigen Form zunehmend delegitimiert und vom zunehmenden Populismus und Extremismus bedroht.

Die großen Herausforderungen unserer Zeit, wie etwa die ökonomische Ungleichheit, die Klimakrise und die weltweiten politischen Spannungen, können nur durch eine robuste und inklusive Demokratie bewältigt werden. Es liegt an uns, die notwendigen Reformen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Demokratie nicht nur überlebt, sondern auch gedeiht – und das nicht nur für die privilegierten wenigen, sondern für die gesamte Gesellschaft.

Wie man politische Spenden demokratisiert: Vom Steuervorteil zu Matching-Beiträgen

Herr Präsident oder Herr Premierminister, halten Sie es wirklich für wünschenswert, dass der Staat jedes Jahr viel mehr Mittel für die politischen Präferenzen der Reichen aufwendet als für die der Armen? Wenn nicht, habe ich eine Lösung, eine äußerst einfache, die sicherlich auch Ihre Zustimmung findet: eine Reform, die die Finanzierung politischer Beiträge demokratischer macht. Die von mir vorgeschlagene Reform würde ganz einfach Steuerabzüge durch Steuervergütungen ersetzen, die für alle Haushalte gelten, unabhängig von ihrer Steuerpflicht. Für Personen, die tatsächlich Einkommensteuer zahlen (oder deren Steuervergütung höher ist als ihre Steuerpflicht), würde dies zu einer Rückerstattung von der Steuerbehörde führen.

Nehmen wir das Beispiel Frankreichs: Der tatsächliche Betrag einer 600-Euro-Spende für eine Person mit einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 90.000 Euro beträgt derzeit 240 Euro, während der reale Betrag für eine Person mit einem zehnmal kleineren Einkommen 600 Euro beträgt. Morgen, unter der vorgeschlagenen Reform, wird der Betrag für Personen mit hohem und niedrigem Einkommen gleichermaßen 204 Euro betragen. Die erstgenannten würden eine Steuererleichterung von 396 Euro erhalten, letztere ein Scheck über 396 Euro von den Steuerbehörden. Dies ist das, was man als fiskalische Gerechtigkeit bezeichnet – und hierbei spreche ich nur von Gleichheit, nicht von progressiver Besteuerung.

Eine solche fiskalische Maßnahme scheint das absolute Minimum zu sein, aber das bedeutet nicht, dass sie ausreichend ist. Denn eine Steuervergütung bleibt, wie ein Steuerabzug, proportional zur Größe der Spende, was normalerweise bedeutet, dass sie sich nach dem Einkommen des Spenders richtet. In Frankreich liegt die Obergrenze für Spenden an politische Parteien bei 7.500 Euro; wie könnte also eine Person, die den Mindestlohn verdient, selbst bei größtem politischen Engagement fast ein Fünftel ihres Jahresgehalts für die Finanzierung politischer Demokratie aufbringen? Für jemanden, dessen Einkommen im Bereich der Zehntausende liegt, ist diese Summe dagegen eher eine „nebenbei“ anfallende Ausgabe. Daher erscheint es mir illegitim, dass der Staat den reicheren Bürgern bei ihrer (finanziellen) Beteiligung an der Demokratie großzügiger gegenübertritt.

Die zweite Reform, die ich vorschlage, stellt sich das gleiche Problem vor: Die Gefahr, dass die Reicheren mehr beisteuern als die Ärmeren, da sie über mehr Geld verfügen. Sie hat jedoch erhebliche Vorteile im Vergleich zu Steuervergütungen. Die Idee ist, das aktuelle System der Steuerabzüge durch ein Modell zu ersetzen, das dem britischen System des „Gift Aid“ ähnelt. Anstatt den einzelnen Spendern die Vorteile von Steuerabzügen zu gewähren – oft mit einem Jahr Verzögerung – würde der Staat bei einer Spende direkt einen Betrag zahlen, der dem Wert des Steuerabzugs entspricht, an die jeweiligen politischen Parteien, Organisationen oder Gruppen.

Stellen Sie sich wieder den Fall einer 600-Euro-Spende vor, bei der Spenden an politische Parteien den Spendern eine Steuerermäßigung von 66 Prozent gewähren. Im aktuellen System bedeutet dies, dass eine Spende die reichsten Individuen um 396 Euro entlastet und die ärmsten gar keine Steuervergünstigung erhalten. In einem System der Steuervergütung würde die Spende die reicheren Personen mit 396 Euro entlasten und die ärmeren eine Rückerstattung von den Steuerbehörden erhalten. Im Matching-Beitrags-System passiert jedoch nichts direkt, was den Spender betrifft. Die politische Partei, die die Spende erhält, profitiert jedoch von einer zusätzlichen Zahlung der Steuerbehörden in Höhe von 396 Euro.

Das Konzept dieses Systems ist steuerlich neutral für die Steuerbehörden, aber für den Spender hat es den Vorteil der Einfachheit. Der Spender muss keine komplexen finanziellen Berechnungen anstellen, bei denen er einen Teil der Finanzierung im Voraus leisten muss, in der Erwartung einer späteren Rückerstattung. Das britische „Gift Aid“-System, das 1990 eingeführt wurde, nahm 2000 Fahrt auf, als die Mindestspendensumme, die erforderlich war, um sich zu qualifizieren (bis dahin 600 Pfund), aufgehoben wurde. Heute ermöglicht das System Wohltätigkeitsorganisationen, für jedes Pfund, das sie von Spendern erhalten, 25 Pence zusätzlich vom Staat zu erhalten – das sind 20 Prozent des Gesamtbetrags von 1,25 Pfund.

Wie funktioniert dieses System in der Praxis? Wohltätigkeitsorganisationen beantragen bei den Steuerbehörden (HM Revenue and Customs) die Matching-Beiträge, indem sie ein Formular mit den Namen der Spender und der Höhe der Spenden einreichen. Innerhalb von vier bis fünf Wochen erhalten sie die entsprechenden Summen. Obwohl das System unterschiedlich ist, erinnert der Geist des britischen Gift Aid Systems stark an das deutsche System der Matching-Spenden für politische Parteien. Wie wir gesehen haben, erhält die öffentliche Finanzierung von politischen Parteien in Deutschland nicht nur die Anzahl der Stimmen, die sie bei der letzten Wahl erzielt haben, sondern auch die Höhe der Spenden von Einzelpersonen. Für jede Spende erhält die Partei 0,45 Euro zusätzliche öffentliche Finanzierung (bis zu einer Spendenobergrenze von 3.300 Euro).

Ich möchte klarstellen, dass meine Idee darin besteht, sich vom „Gift Aid“-System inspirieren zu lassen, es jedoch nicht zu reproduzieren. Meiner Ansicht nach weist es mehrere Mängel auf, angefangen damit, dass politische Parteien im Vereinigten Königreich nicht als Wohltätigkeitsorganisationen gelten und daher nicht von diesem System profitieren können. Darüber hinaus hat das System noch eine weitere Dimension, die neben dem Matching-Beitrag besteht. Höherverdienende Steuerzahler – die höhere Spitzensteuersätze zahlen – können Steuererleichterungen auf ihre Spenden beanspruchen, die den Unterschied zwischen dem höchsten Steuersatz (40 oder 45 Prozent) und dem Basissteuersatz (20 Prozent) ausmachen. In einem solchen System würde ein Steuerzahler, der mit 40 Prozent besteuert wird, zusätzlich zur 25-Pence-Erhöhung durch den Staat eine persönliche Steuererleichterung von 25 Prozent auf jedes gespendete Pfund erhalten.

Dies führt zu Ungleichgewichten, die ich für unzulässig halte. Im System, das ich vorschlage, würde jede Spende von 80 Pence an eine Wohltätigkeitsorganisation automatisch eine Matching-Zahlung von 20 Pence durch die Regierung nach sich ziehen – unabhängig davon, wie viel der Spender an Steuern zahlt. Ein solcher Systemansatz hat mehrere Vorteile gegenüber denen, die auf Steuerabzügen oder Steuervergütungen basieren. Erstens ist es effizienter: Wohltätigkeitsorganisationen müssten nur wenige Wochen warten, um die entsprechenden Gelder zu erhalten.